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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 122. Die Fehde.
Kirchwege, auf dem Dingwege 4, auf dem Königswege 5, nach Kapitu-
larien aus der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts auch auf dem
Heerwege 6, während ihn im Ding, im Heer und in der Nähe des
Königs schon von altersher ein volksrechtlicher Sonderfriede vor
seinen Feinden geschützt hatte 7.

Die Ausübung der Fehde erlitt ferner eine Einschränkung durch
das Verbot gewisser Racheakte. Der Fehde war nicht nur die Person
des faidosus, sondern auch sein Vermögen ausgesetzt. Unter Um-
ständen plünderte und verbrannte man sein Haus, erschlug seine
Knechte und trieb sein Vieh hinweg 8. In karolingischer Zeit wurden
Heimsuchung und Brandstiftung auch bei gerechter Fehde für strafbar
erklärt 9. Dagegen wurde die Tötung des faidosus nicht, wie manche
behaupten, schlechtweg verboten. Eine dahin gedeutete Stelle eines
Kapitulars v. J. 789 hält sich im Rahmen einer christlichen Ermahnung 10.


4 Lex Fris. Add. 1: homo faidosus pacem habeat in ecclesia, in domo sua,
ad ecclesiam eundo, de ecclesia redeundo, ad placitum eundo, de placito redeundo.
Wer den faidosus tötet oder verwundet, verwirkt neunfaches Friedensgeld. Da-
gegen ist nicht wie in Lex Fris. 17 von einer compositio die Rede, welche die
Sippe des faidosus, bezw. er selbst, hätte beanspruchen können. Cap. v. J. 813 (?),
c. 2, I 175: de faidosis hominibus, qui solent incongruas commotiones facere tam
in dominicis diebus quamque et aliis solemnitatibus ... (vgl. Waitz, VG IV 510),
ist aus dem Frieden des Kirchweges zu erklären. -- Vgl. Cap. legg. add. 818/9, c. 1,
I 281. Das Asyl schützte auch gegen die Fehde. Siehe unten § 135.
5 Siehe oben S. 47.
6 Constit. de exped. Benevent. v. J. 866, c. 7, Cap. II 96. Dagegen scheint
noch in der Zeit Ludwigs I. ein allgemeiner Friede des Heerweges nicht bestanden
zu haben (sofern der Heerweg nicht zugleich Königsweg war); denn Einhard ver-
wendet sich in Ep. 42, Jaffe, Bibl. IV 469, für Befreiung eines Mannes vom Heer-
dienste, weil er faidosus sei und es daher nicht wage, mit seinen Feinden, insbes.
mit dem ihm sehr feindlich gesinnten Grafen den Heerweg anzutreten.
7 Siehe unten § 130.
8 Greg. Tur. Hist. Franc. VII 47. Formel des Liber Papiensis zu Roth. 143.
Nach dem Domesday-Book I 179 bestand in Wales unter Wilhelm dem Eroberer
folgender Rechtsbrauch: quodsi Walensis Walensem occiderit, congregantur parentes
occisi et praedantur eum, qui occidit, eiusque propinquos et comburunt domus eo-
rum, donec in crastinum circa meridiem corpus mortui sepeliatur. De hac praeda
habet rex terciam partem, illi vero totum aliud habent quietum.
9 Cap. Saxon. c. 8, I 72. Lex Sax. c. 38. Vgl. oben I 347. Aelfred 42
setzt voraus, dass es gestattet sei, den belagerten Feind, der sich nicht ergeben
will, nach Ablauf von sieben Nächten anzugreifen. Siehe oben S. 39 und unten
§ 140. 141.
10 Admonitio generalis c. 67, Cap. I 59. Anderer Ansicht Siegel, GV
S. 21. Sohm beruft sich, Reichs- und Gerichtsverfassung I 104, um die volks-
rechtliche Strafbarkeit der in faida begangenen Tötung darzuthun, auf Greg. Tur.
Vitae patrum VIII 7. Allein der da erzählte Rechtsfall aus dem Ende des sechsten

§ 122. Die Fehde.
Kirchwege, auf dem Dingwege 4, auf dem Königswege 5, nach Kapitu-
larien aus der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts auch auf dem
Heerwege 6, während ihn im Ding, im Heer und in der Nähe des
Königs schon von altersher ein volksrechtlicher Sonderfriede vor
seinen Feinden geschützt hatte 7.

Die Ausübung der Fehde erlitt ferner eine Einschränkung durch
das Verbot gewisser Racheakte. Der Fehde war nicht nur die Person
des faidosus, sondern auch sein Vermögen ausgesetzt. Unter Um-
ständen plünderte und verbrannte man sein Haus, erschlug seine
Knechte und trieb sein Vieh hinweg 8. In karolingischer Zeit wurden
Heimsuchung und Brandstiftung auch bei gerechter Fehde für strafbar
erklärt 9. Dagegen wurde die Tötung des faidosus nicht, wie manche
behaupten, schlechtweg verboten. Eine dahin gedeutete Stelle eines
Kapitulars v. J. 789 hält sich im Rahmen einer christlichen Ermahnung 10.


4 Lex Fris. Add. 1: homo faidosus pacem habeat in ecclesia, in domo sua,
ad ecclesiam eundo, de ecclesia redeundo, ad placitum eundo, de placito redeundo.
Wer den faidosus tötet oder verwundet, verwirkt neunfaches Friedensgeld. Da-
gegen ist nicht wie in Lex Fris. 17 von einer compositio die Rede, welche die
Sippe des faidosus, bezw. er selbst, hätte beanspruchen können. Cap. v. J. 813 (?),
c. 2, I 175: de faidosis hominibus, qui solent incongruas commotiones facere tam
in dominicis diebus quamque et aliis solemnitatibus … (vgl. Waitz, VG IV 510),
ist aus dem Frieden des Kirchweges zu erklären. — Vgl. Cap. legg. add. 818/9, c. 1,
I 281. Das Asyl schützte auch gegen die Fehde. Siehe unten § 135.
5 Siehe oben S. 47.
6 Constit. de exped. Benevent. v. J. 866, c. 7, Cap. II 96. Dagegen scheint
noch in der Zeit Ludwigs I. ein allgemeiner Friede des Heerweges nicht bestanden
zu haben (sofern der Heerweg nicht zugleich Königsweg war); denn Einhard ver-
wendet sich in Ep. 42, Jaffé, Bibl. IV 469, für Befreiung eines Mannes vom Heer-
dienste, weil er faidosus sei und es daher nicht wage, mit seinen Feinden, insbes.
mit dem ihm sehr feindlich gesinnten Grafen den Heerweg anzutreten.
7 Siehe unten § 130.
8 Greg. Tur. Hist. Franc. VII 47. Formel des Liber Papiensis zu Roth. 143.
Nach dem Domesday-Book I 179 bestand in Wales unter Wilhelm dem Eroberer
folgender Rechtsbrauch: quodsi Walensis Walensem occiderit, congregantur parentes
occisi et praedantur eum, qui occidit, eiusque propinquos et comburunt domus eo-
rum, donec in crastinum circa meridiem corpus mortui sepeliatur. De hac praeda
habet rex terciam partem, illi vero totum aliud habent quietum.
9 Cap. Saxon. c. 8, I 72. Lex Sax. c. 38. Vgl. oben I 347. Aelfred 42
setzt voraus, daſs es gestattet sei, den belagerten Feind, der sich nicht ergeben
will, nach Ablauf von sieben Nächten anzugreifen. Siehe oben S. 39 und unten
§ 140. 141.
10 Admonitio generalis c. 67, Cap. I 59. Anderer Ansicht Siegel, GV
S. 21. Sohm beruft sich, Reichs- und Gerichtsverfassung I 104, um die volks-
rechtliche Strafbarkeit der in faida begangenen Tötung darzuthun, auf Greg. Tur.
Vitae patrum VIII 7. Allein der da erzählte Rechtsfall aus dem Ende des sechsten
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[528/0546] § 122. Die Fehde. Kirchwege, auf dem Dingwege 4, auf dem Königswege 5, nach Kapitu- larien aus der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts auch auf dem Heerwege 6, während ihn im Ding, im Heer und in der Nähe des Königs schon von altersher ein volksrechtlicher Sonderfriede vor seinen Feinden geschützt hatte 7. Die Ausübung der Fehde erlitt ferner eine Einschränkung durch das Verbot gewisser Racheakte. Der Fehde war nicht nur die Person des faidosus, sondern auch sein Vermögen ausgesetzt. Unter Um- ständen plünderte und verbrannte man sein Haus, erschlug seine Knechte und trieb sein Vieh hinweg 8. In karolingischer Zeit wurden Heimsuchung und Brandstiftung auch bei gerechter Fehde für strafbar erklärt 9. Dagegen wurde die Tötung des faidosus nicht, wie manche behaupten, schlechtweg verboten. Eine dahin gedeutete Stelle eines Kapitulars v. J. 789 hält sich im Rahmen einer christlichen Ermahnung 10. 4 Lex Fris. Add. 1: homo faidosus pacem habeat in ecclesia, in domo sua, ad ecclesiam eundo, de ecclesia redeundo, ad placitum eundo, de placito redeundo. Wer den faidosus tötet oder verwundet, verwirkt neunfaches Friedensgeld. Da- gegen ist nicht wie in Lex Fris. 17 von einer compositio die Rede, welche die Sippe des faidosus, bezw. er selbst, hätte beanspruchen können. Cap. v. J. 813 (?), c. 2, I 175: de faidosis hominibus, qui solent incongruas commotiones facere tam in dominicis diebus quamque et aliis solemnitatibus … (vgl. Waitz, VG IV 510), ist aus dem Frieden des Kirchweges zu erklären. — Vgl. Cap. legg. add. 818/9, c. 1, I 281. Das Asyl schützte auch gegen die Fehde. Siehe unten § 135. 5 Siehe oben S. 47. 6 Constit. de exped. Benevent. v. J. 866, c. 7, Cap. II 96. Dagegen scheint noch in der Zeit Ludwigs I. ein allgemeiner Friede des Heerweges nicht bestanden zu haben (sofern der Heerweg nicht zugleich Königsweg war); denn Einhard ver- wendet sich in Ep. 42, Jaffé, Bibl. IV 469, für Befreiung eines Mannes vom Heer- dienste, weil er faidosus sei und es daher nicht wage, mit seinen Feinden, insbes. mit dem ihm sehr feindlich gesinnten Grafen den Heerweg anzutreten. 7 Siehe unten § 130. 8 Greg. Tur. Hist. Franc. VII 47. Formel des Liber Papiensis zu Roth. 143. Nach dem Domesday-Book I 179 bestand in Wales unter Wilhelm dem Eroberer folgender Rechtsbrauch: quodsi Walensis Walensem occiderit, congregantur parentes occisi et praedantur eum, qui occidit, eiusque propinquos et comburunt domus eo- rum, donec in crastinum circa meridiem corpus mortui sepeliatur. De hac praeda habet rex terciam partem, illi vero totum aliud habent quietum. 9 Cap. Saxon. c. 8, I 72. Lex Sax. c. 38. Vgl. oben I 347. Aelfred 42 setzt voraus, daſs es gestattet sei, den belagerten Feind, der sich nicht ergeben will, nach Ablauf von sieben Nächten anzugreifen. Siehe oben S. 39 und unten § 140. 141. 10 Admonitio generalis c. 67, Cap. I 59. Anderer Ansicht Siegel, GV S. 21. Sohm beruft sich, Reichs- und Gerichtsverfassung I 104, um die volks- rechtliche Strafbarkeit der in faida begangenen Tötung darzuthun, auf Greg. Tur. Vitae patrum VIII 7. Allein der da erzählte Rechtsfall aus dem Ende des sechsten

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/546>, abgerufen am 22.11.2024.