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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 64. Der Königsbann.
Ganz allgemein bestimmt dann ein jüngerer Teil der Lex Ribuaria,
welcher wahrscheinlich der Zeit Dagoberts angehört, dass der Vollfreie
60, der Halbfreie 30 Schillinge für Übertretung des königlichen Be-
fehles zu zahlen habe 12. Karolingische Kapitularien gaben der Sechzig-
schillingbusse ausgedehnte Anwendung 13 und führten sie in den ver-
schiedenen Gebieten des Reiches als die normale königliche Bannbusse
(bannus dominicus) ein. Bei Unfreien wurde die Bannbusse durch
körperliche Züchtigung ersetzt 14, sofern nicht der Herr für jene
haftete.

Die fränkische Verfassung schliesst eine Erhöhung des normalen 15
Königsbannes nicht aus. Doch muss sie besonders angedroht werden.
Und solche Androhung ist in karolingischer Zeit an die Voraussetzungen
der Capitula legibus addenda gebunden. So finden wir gelegentlich
eine Verdopplung 16 und eine Verdreifachung 17 des einfachen Bannes.
In einem Kapitular für Sachsen behielt sich Karl der Grosse aus-
drücklich vor, im Bedürfnisfalle mit Zustimmung des Volkes einen
höheren Bann zu setzen, die Bannbusse zu verdoppeln, sie auf 100,
ja bis auf 1000 Schillinge zu erhöhen 18. Ludwig I. liess sich ermäch-
tigen, wegen Missachtung seines schriftlichen Befehles im einzelnen
Falle eine arbiträre Strafe zu verhängen 19.


factorem adiuvare, 60 sol. omnis modis condempnetur. Da die Stelle den Centenar
für das Aufgebot zur Verfolgung des Verbrechers mit dem Königsbann ausstattet,
lässt sie auf hohes Alter der Sechzigschillingbusse im ribuarischen Rechte zurück-
schliessen.
12 Lex Rib. 65, 1: si quis legibus in utilitatem regis sive in hoste seu in
reliquam utilitatem bannitus fuerit et minime adimpleverit, si egritudo eum non
detenuerit, 60 solidos multetur. Rib. 87 spricht für den Fall, in welchem Lex
Sal. 56 eine Busse von 15 Solidi setzt (oben Anm. 9), die Busse von 60 Solidi aus.
Vgl. 58, 2. 13.
13 Sie tritt sofort im Kapitular Pippins von 754/5 auf. Cap. I 31, c. 1. 3. 4.
14 Ansegisus III 66: servus ... pro banno disciplinae corporali subiaceat.
15 Cap. miss. v. J. 802 c. 57, I 104: ut bannus, quem per semet ipsum dom-
nus imperator bannivit, 60 sol. solvatur.
16 Pipp. Cap. 800--810 c. 2. 4, I 207 f. Synod. Pist. v. J. 862 LL I 480,
c. 3. In Italien wurde bei Rechtsänderungen das Volk nicht gefragt. Siehe oben
I 375. 388.
17 Cap. legg. add. v. J. 818/9 c. 4. 5, I 281. Über die Busse wegen Im-
munitätsbruchs, die nicht als Bannbusse aufzufassen ist, siehe unten § 94.
18 Cap. Saxon. c. 9, I 72: Item placuit, ut quandoquidem voluit domnus rex
propter pacem et propter faidam et propter maiores causas bannum fortiorem sta-
tuere unacum consensu Francorum et fidelium Saxonum, secundum quod
ei placuerit, iuxta quod causa exigit et oportunitas fuerit, solidos sexaginta multi-
plicare in duplum et solidos centum sive usque ad mille conponere faciat, qui eius
mandatum transgressus fuerit.
19 Cap. legg. add. v. J. 818/9 c. 16, I 284.

§ 64. Der Königsbann.
Ganz allgemein bestimmt dann ein jüngerer Teil der Lex Ribuaria,
welcher wahrscheinlich der Zeit Dagoberts angehört, daſs der Vollfreie
60, der Halbfreie 30 Schillinge für Übertretung des königlichen Be-
fehles zu zahlen habe 12. Karolingische Kapitularien gaben der Sechzig-
schillingbuſse ausgedehnte Anwendung 13 und führten sie in den ver-
schiedenen Gebieten des Reiches als die normale königliche Bannbuſse
(bannus dominicus) ein. Bei Unfreien wurde die Bannbuſse durch
körperliche Züchtigung ersetzt 14, sofern nicht der Herr für jene
haftete.

Die fränkische Verfassung schlieſst eine Erhöhung des normalen 15
Königsbannes nicht aus. Doch muſs sie besonders angedroht werden.
Und solche Androhung ist in karolingischer Zeit an die Voraussetzungen
der Capitula legibus addenda gebunden. So finden wir gelegentlich
eine Verdopplung 16 und eine Verdreifachung 17 des einfachen Bannes.
In einem Kapitular für Sachsen behielt sich Karl der Groſse aus-
drücklich vor, im Bedürfnisfalle mit Zustimmung des Volkes einen
höheren Bann zu setzen, die Bannbuſse zu verdoppeln, sie auf 100,
ja bis auf 1000 Schillinge zu erhöhen 18. Ludwig I. lieſs sich ermäch-
tigen, wegen Miſsachtung seines schriftlichen Befehles im einzelnen
Falle eine arbiträre Strafe zu verhängen 19.


factorem adiuvare, 60 sol. omnis modis condempnetur. Da die Stelle den Centenar
für das Aufgebot zur Verfolgung des Verbrechers mit dem Königsbann ausstattet,
läſst sie auf hohes Alter der Sechzigschillingbuſse im ribuarischen Rechte zurück-
schlieſsen.
12 Lex Rib. 65, 1: si quis legibus in utilitatem regis sive in hoste seu in
reliquam utilitatem bannitus fuerit et minime adimpleverit, si egritudo eum non
detenuerit, 60 solidos multetur. Rib. 87 spricht für den Fall, in welchem Lex
Sal. 56 eine Buſse von 15 Solidi setzt (oben Anm. 9), die Buſse von 60 Solidi aus.
Vgl. 58, 2. 13.
13 Sie tritt sofort im Kapitular Pippins von 754/5 auf. Cap. I 31, c. 1. 3. 4.
14 Ansegisus III 66: servus … pro banno disciplinae corporali subiaceat.
15 Cap. miss. v. J. 802 c. 57, I 104: ut bannus, quem per semet ipsum dom-
nus imperator bannivit, 60 sol. solvatur.
16 Pipp. Cap. 800—810 c. 2. 4, I 207 f. Synod. Pist. v. J. 862 LL I 480,
c. 3. In Italien wurde bei Rechtsänderungen das Volk nicht gefragt. Siehe oben
I 375. 388.
17 Cap. legg. add. v. J. 818/9 c. 4. 5, I 281. Über die Buſse wegen Im-
munitätsbruchs, die nicht als Bannbuſse aufzufassen ist, siehe unten § 94.
18 Cap. Saxon. c. 9, I 72: Item placuit, ut quandoquidem voluit domnus rex
propter pacem et propter faidam et propter maiores causas bannum fortiorem sta-
tuere unacum consensu Francorum et fidelium Saxonum, secundum quod
ei placuerit, iuxta quod causa exigit et oportunitas fuerit, solidos sexaginta multi-
plicare in duplum et solidos centum sive usque ad mille conponere faciat, qui eius
mandatum transgressus fuerit.
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[36/0054] § 64. Der Königsbann. Ganz allgemein bestimmt dann ein jüngerer Teil der Lex Ribuaria, welcher wahrscheinlich der Zeit Dagoberts angehört, daſs der Vollfreie 60, der Halbfreie 30 Schillinge für Übertretung des königlichen Be- fehles zu zahlen habe 12. Karolingische Kapitularien gaben der Sechzig- schillingbuſse ausgedehnte Anwendung 13 und führten sie in den ver- schiedenen Gebieten des Reiches als die normale königliche Bannbuſse (bannus dominicus) ein. Bei Unfreien wurde die Bannbuſse durch körperliche Züchtigung ersetzt 14, sofern nicht der Herr für jene haftete. Die fränkische Verfassung schlieſst eine Erhöhung des normalen 15 Königsbannes nicht aus. Doch muſs sie besonders angedroht werden. Und solche Androhung ist in karolingischer Zeit an die Voraussetzungen der Capitula legibus addenda gebunden. So finden wir gelegentlich eine Verdopplung 16 und eine Verdreifachung 17 des einfachen Bannes. In einem Kapitular für Sachsen behielt sich Karl der Groſse aus- drücklich vor, im Bedürfnisfalle mit Zustimmung des Volkes einen höheren Bann zu setzen, die Bannbuſse zu verdoppeln, sie auf 100, ja bis auf 1000 Schillinge zu erhöhen 18. Ludwig I. lieſs sich ermäch- tigen, wegen Miſsachtung seines schriftlichen Befehles im einzelnen Falle eine arbiträre Strafe zu verhängen 19. 11 12 Lex Rib. 65, 1: si quis legibus in utilitatem regis sive in hoste seu in reliquam utilitatem bannitus fuerit et minime adimpleverit, si egritudo eum non detenuerit, 60 solidos multetur. Rib. 87 spricht für den Fall, in welchem Lex Sal. 56 eine Buſse von 15 Solidi setzt (oben Anm. 9), die Buſse von 60 Solidi aus. Vgl. 58, 2. 13. 13 Sie tritt sofort im Kapitular Pippins von 754/5 auf. Cap. I 31, c. 1. 3. 4. 14 Ansegisus III 66: servus … pro banno disciplinae corporali subiaceat. 15 Cap. miss. v. J. 802 c. 57, I 104: ut bannus, quem per semet ipsum dom- nus imperator bannivit, 60 sol. solvatur. 16 Pipp. Cap. 800—810 c. 2. 4, I 207 f. Synod. Pist. v. J. 862 LL I 480, c. 3. In Italien wurde bei Rechtsänderungen das Volk nicht gefragt. Siehe oben I 375. 388. 17 Cap. legg. add. v. J. 818/9 c. 4. 5, I 281. Über die Buſse wegen Im- munitätsbruchs, die nicht als Bannbuſse aufzufassen ist, siehe unten § 94. 18 Cap. Saxon. c. 9, I 72: Item placuit, ut quandoquidem voluit domnus rex propter pacem et propter faidam et propter maiores causas bannum fortiorem sta- tuere unacum consensu Francorum et fidelium Saxonum, secundum quod ei placuerit, iuxta quod causa exigit et oportunitas fuerit, solidos sexaginta multi- plicare in duplum et solidos centum sive usque ad mille conponere faciat, qui eius mandatum transgressus fuerit. 19 Cap. legg. add. v. J. 818/9 c. 16, I 284. 11 factorem adiuvare, 60 sol. omnis modis condempnetur. Da die Stelle den Centenar für das Aufgebot zur Verfolgung des Verbrechers mit dem Königsbann ausstattet, läſst sie auf hohes Alter der Sechzigschillingbuſse im ribuarischen Rechte zurück- schlieſsen.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/54>, abgerufen am 24.11.2024.