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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 114. Acht- und Strafvollzug.
viel zu sehr wirkte bis zur Auflösung des Frankenreiches die sakrale
Bedeutung der Todesstrafe nach, als dass auf deren Vollstreckung
durch Laienhand ein Schatten von Unehre hätte fallen können.

Die Art der Todesstrafe wird in den Volksrechten und in den
Kapitularien in aller Regel nicht näher bestimmt. Wo sie die Ver-
wirkung des Lebens androhen, beschränken sie sich fast ausnahmelos
auf Ausdrücke wie: moriatur, occidatur, morte puniatur, vitae culpa-
bilis iudicetur, de vita componat, animae suae incurrat periculum,
eine auffallende Erscheinung, die sich daraus erklärt, dass die Acht,
in der die Todesstrafen dieser Zeit begrifflich enthalten sind, alle
Tötungsarten, formlose und rituelle Tötung, in sich schliesst. Was von
der Satzung gilt, trifft auch für das Urteil zu. Wie oben S. 370 f.
bemerkt wurde, nahm der Wortlaut der Satzung Rücksicht auf den
Wortlaut des Urteils, das auf Grund der Satzung gefällt werden
sollte. Aus den über einzelne Todesurteile überlieferten Nachrichten
ist zu ersehen, dass das Urteil gleich der Satzung schlechtweg auf
Tod lautete, oder den Verbrecher für 'morte dignus' erklärte, ohne
die Art der Todesstrafe auszusprechen 38.

Sofern Urteil oder Satzung die Art der Tötung nicht vorschrieb,
war es Sache des Richters oder der sonstigen Vollstreckungsorgane,
sie zu bestimmen. Die Exekution der Todesstrafe konnte daher durch-
aus formlos sein. Ein bezeichnendes Beispiel liefert die Hinrichtung
des heiligen Leodegar. Zum Tode verurteilt, wurde er zunächst dem
Pfalzgrafen Chrodebert übergeben. Als dann vom Hofe der Befehl
kam, dass Leodegar nicht länger leben dürfe, liess ihn Chrodebert von
vier Dienern in einen Wald führen, wo ihm einer von ihnen das

38 Z. B. Annales Lauriss z. J. 788 (vgl. oben I 30, Anm. 4): visi sunt iudi-
casse se eundem Tassilonem ad mortem. Sed dum omnes una voce adclamarent
capitale eum ferire sententiam ... Vgl. Cap. Bonon. c. 4, I 166. -- Annales Lau-
resham. z. J. 788: Franci iudicaverunt eum morte dignum. A. O. z. J. 792: iudi-
caverunt Franci, ut simul haereditate et vita privarentur. Chron. Moissiac. z. J. 817:
post haec imperator fecit conventum ... Francorum et retulit eis hanc causam,
ut videret, quid iudicarent fideles sui de eo (Bernhard) vel de his, qui consenserunt
... Tunc pariter iudicaverunt eos dignos ad mortem. Ann. Lauriss. z. J. 818:
coniurationis auctores simul et regem iudicio Francorum capitali sententia con-
demnatos ... Einhardi Annales z. J. 820: cumque (Bera) ut reus maiestatis capi-
tali sententia damnaretur ... Annales Bertiniani z. J. 831, recens. Waitz S. 3:
primumque a filiis suis (Ludwigs I) ac deinde a cuncto qui aderat populo iudicatum
est, ut capitalem subirent sententiam. A. O. z. J. 840, S. 30: maiestatis reus Fran-
corum iudicio iussu Karoli in Aquitania capitalem sententiam subiit. Annales Ful-
denses z. J. 870: eumque Francorum iudicio et Baiuwariorum necnon Sclavorum ...
morte damnatum luminibus tantum oculorum privari praecepit.

§ 114. Acht- und Strafvollzug.
viel zu sehr wirkte bis zur Auflösung des Frankenreiches die sakrale
Bedeutung der Todesstrafe nach, als daſs auf deren Vollstreckung
durch Laienhand ein Schatten von Unehre hätte fallen können.

Die Art der Todesstrafe wird in den Volksrechten und in den
Kapitularien in aller Regel nicht näher bestimmt. Wo sie die Ver-
wirkung des Lebens androhen, beschränken sie sich fast ausnahmelos
auf Ausdrücke wie: moriatur, occidatur, morte puniatur, vitae culpa-
bilis iudicetur, de vita componat, animae suae incurrat periculum,
eine auffallende Erscheinung, die sich daraus erklärt, daſs die Acht,
in der die Todesstrafen dieser Zeit begrifflich enthalten sind, alle
Tötungsarten, formlose und rituelle Tötung, in sich schlieſst. Was von
der Satzung gilt, trifft auch für das Urteil zu. Wie oben S. 370 f.
bemerkt wurde, nahm der Wortlaut der Satzung Rücksicht auf den
Wortlaut des Urteils, das auf Grund der Satzung gefällt werden
sollte. Aus den über einzelne Todesurteile überlieferten Nachrichten
ist zu ersehen, daſs das Urteil gleich der Satzung schlechtweg auf
Tod lautete, oder den Verbrecher für ‘morte dignus’ erklärte, ohne
die Art der Todesstrafe auszusprechen 38.

Sofern Urteil oder Satzung die Art der Tötung nicht vorschrieb,
war es Sache des Richters oder der sonstigen Vollstreckungsorgane,
sie zu bestimmen. Die Exekution der Todesstrafe konnte daher durch-
aus formlos sein. Ein bezeichnendes Beispiel liefert die Hinrichtung
des heiligen Leodegar. Zum Tode verurteilt, wurde er zunächst dem
Pfalzgrafen Chrodebert übergeben. Als dann vom Hofe der Befehl
kam, daſs Leodegar nicht länger leben dürfe, lieſs ihn Chrodebert von
vier Dienern in einen Wald führen, wo ihm einer von ihnen das

38 Z. B. Annales Lauriss z. J. 788 (vgl. oben I 30, Anm. 4): visi sunt iudi-
casse se eundem Tassilonem ad mortem. Sed dum omnes una voce adclamarent
capitale eum ferire sententiam … Vgl. Cap. Bonon. c. 4, I 166. — Annales Lau-
resham. z. J. 788: Franci iudicaverunt eum morte dignum. A. O. z. J. 792: iudi-
caverunt Franci, ut simul haereditate et vita privarentur. Chron. Moissiac. z. J. 817:
post haec imperator fecit conventum … Francorum et retulit eis hanc causam,
ut videret, quid iudicarent fideles sui de eo (Bernhard) vel de his, qui consenserunt
… Tunc pariter iudicaverunt eos dignos ad mortem. Ann. Lauriss. z. J. 818:
coniurationis auctores simul et regem iudicio Francorum capitali sententia con-
demnatos … Einhardi Annales z. J. 820: cumque (Bera) ut reus maiestatis capi-
tali sententia damnaretur … Annales Bertiniani z. J. 831, recens. Waitz S. 3:
primumque a filiis suis (Ludwigs I) ac deinde a cuncto qui aderat populo iudicatum
est, ut capitalem subirent sententiam. A. O. z. J. 840, S. 30: maiestatis reus Fran-
corum iudicio iussu Karoli in Aquitania capitalem sententiam subiit. Annales Ful-
denses z. J. 870: eumque Francorum iudicio et Baiuwariorum necnon Sclavorum …
morte damnatum luminibus tantum oculorum privari praecepit.
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[474/0492] § 114. Acht- und Strafvollzug. viel zu sehr wirkte bis zur Auflösung des Frankenreiches die sakrale Bedeutung der Todesstrafe nach, als daſs auf deren Vollstreckung durch Laienhand ein Schatten von Unehre hätte fallen können. Die Art der Todesstrafe wird in den Volksrechten und in den Kapitularien in aller Regel nicht näher bestimmt. Wo sie die Ver- wirkung des Lebens androhen, beschränken sie sich fast ausnahmelos auf Ausdrücke wie: moriatur, occidatur, morte puniatur, vitae culpa- bilis iudicetur, de vita componat, animae suae incurrat periculum, eine auffallende Erscheinung, die sich daraus erklärt, daſs die Acht, in der die Todesstrafen dieser Zeit begrifflich enthalten sind, alle Tötungsarten, formlose und rituelle Tötung, in sich schlieſst. Was von der Satzung gilt, trifft auch für das Urteil zu. Wie oben S. 370 f. bemerkt wurde, nahm der Wortlaut der Satzung Rücksicht auf den Wortlaut des Urteils, das auf Grund der Satzung gefällt werden sollte. Aus den über einzelne Todesurteile überlieferten Nachrichten ist zu ersehen, daſs das Urteil gleich der Satzung schlechtweg auf Tod lautete, oder den Verbrecher für ‘morte dignus’ erklärte, ohne die Art der Todesstrafe auszusprechen 38. Sofern Urteil oder Satzung die Art der Tötung nicht vorschrieb, war es Sache des Richters oder der sonstigen Vollstreckungsorgane, sie zu bestimmen. Die Exekution der Todesstrafe konnte daher durch- aus formlos sein. Ein bezeichnendes Beispiel liefert die Hinrichtung des heiligen Leodegar. Zum Tode verurteilt, wurde er zunächst dem Pfalzgrafen Chrodebert übergeben. Als dann vom Hofe der Befehl kam, daſs Leodegar nicht länger leben dürfe, lieſs ihn Chrodebert von vier Dienern in einen Wald führen, wo ihm einer von ihnen das 38 Z. B. Annales Lauriss z. J. 788 (vgl. oben I 30, Anm. 4): visi sunt iudi- casse se eundem Tassilonem ad mortem. Sed dum omnes una voce adclamarent capitale eum ferire sententiam … Vgl. Cap. Bonon. c. 4, I 166. — Annales Lau- resham. z. J. 788: Franci iudicaverunt eum morte dignum. A. O. z. J. 792: iudi- caverunt Franci, ut simul haereditate et vita privarentur. Chron. Moissiac. z. J. 817: post haec imperator fecit conventum … Francorum et retulit eis hanc causam, ut videret, quid iudicarent fideles sui de eo (Bernhard) vel de his, qui consenserunt … Tunc pariter iudicaverunt eos dignos ad mortem. Ann. Lauriss. z. J. 818: coniurationis auctores simul et regem iudicio Francorum capitali sententia con- demnatos … Einhardi Annales z. J. 820: cumque (Bera) ut reus maiestatis capi- tali sententia damnaretur … Annales Bertiniani z. J. 831, recens. Waitz S. 3: primumque a filiis suis (Ludwigs I) ac deinde a cuncto qui aderat populo iudicatum est, ut capitalem subirent sententiam. A. O. z. J. 840, S. 30: maiestatis reus Fran- corum iudicio iussu Karoli in Aquitania capitalem sententiam subiit. Annales Ful- denses z. J. 870: eumque Francorum iudicio et Baiuwariorum necnon Sclavorum … morte damnatum luminibus tantum oculorum privari praecepit.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/492>, abgerufen am 25.11.2024.