schlechtweg ein priesterliches Monopol, zumal der Ritus kein Priester- geheimnis war. Volksgenossen, die den handhaften oder geächteten Missethäter ergriffen, mochten ihn ohne Priester in der Form des Menschenopfers justifizieren. Der Friedlose, der dem Verletzten oder dessen Sippe übergeben worden war, der faidosus, den seine Mag- schaft, der schuldige Knecht, den sein Herr ausgeliefert hatte, konnte der Rache nach dem Ritus des Opfertodes verfallen.
Die Annahme des Christentums hatte zur Folge, dass die dem Gemeingefühle und den heidnisch religiösen Vorstellungen entspringen- den Antriebe der popularen Achtvollstreckung abgeschwächt wurden. Hie und da sah sich deshalb die Staatsgewalt veranlasst, auf den Kopf des Friedlosen einen Preis zu setzen 3; anderwärts suchte sie die Verfolgung gewisser Arten von Friedlosen, insbesondere von Dieben und Räubern, durch Versäumnisbussen oder durch eine Haftpflicht der Gemeindegenossen sicherzustellen. Wenn auch in Fällen förmlicher Friedloslegung des flüchtigen Missethäters die Rechtsordnung für den Achtvollzug noch auf die Volksgenossen rechnen musste, wurde dieser doch mehr und mehr Sache des öffentlichen Beamten 4.
Als Abarten oder Abspaltungen der Acht und des Achtvollzugs stellen auch die peinlichen Strafen, insbesondere die sogenannten Todesstrafen der fränkischen Zeit sich dar, wenn wir sie vom Stand- punkte der rechtsgeschichtlichen Konstruktion aus betrachten. Ihr Verhältnis zur Acht klarzustellen, bleibt der Geschichte des Straf- rechtes vorbehalten. Im folgenden haben wir es nur mit den Organen der Strafvollstreckung zu thun und mit dem Zusammenhange, der in dieser Beziehung zwischen Achtvollzug und Todesstrafe obwaltet.
Den Gedanken der durch die Gesamtheit vollstreckbaren Acht spiegeln deutlich jene Todesstrafen, bei welchen die Hinrichtung des Verbrechers mit gesamter Hand erfolgte, eine Rechtssitte, deren zähes Fortleben sich zum Teil daraus erklärt, dass die Beteiligung der Ge- samtheit jeden einzelnen gegen die Rache der Verwandten des Hin- gerichteten schützte. Eine Todesstrafe zu gesamter Hand war ihrer Natur nach die Steinigung 5. Franken und Altsachsen vollzogen sie in der Weise, dass man den Verbrecher vorerst an einen Pfahl band 6.
3 Siehe oben I 166.
4 Siehe unten § 116 über den Achtvollzug bei handhafter That.
5Grimm, RA S. 693. Wilda, Strafrecht S. 505.
6 Greg. Tur. Hist. Franc. III 36: ad colomnam lapidibus obruerunt; IV 49: multos ex eis postea a lapidibus obrui praecipiens; X 10: vinctusque ad stipitem lapidibus est obrutus; vgl. IX 35. Nach der Vita Liudgeri I, c. 26, MG SS II 419, wurde ein Pferdedieb verurteilt, ut in campo ad stipitem ligatus iactatis in eum sudibus acutis et lapidibus necaretur.
§ 114. Acht- und Strafvollzug.
schlechtweg ein priesterliches Monopol, zumal der Ritus kein Priester- geheimnis war. Volksgenossen, die den handhaften oder geächteten Missethäter ergriffen, mochten ihn ohne Priester in der Form des Menschenopfers justifizieren. Der Friedlose, der dem Verletzten oder dessen Sippe übergeben worden war, der faidosus, den seine Mag- schaft, der schuldige Knecht, den sein Herr ausgeliefert hatte, konnte der Rache nach dem Ritus des Opfertodes verfallen.
Die Annahme des Christentums hatte zur Folge, daſs die dem Gemeingefühle und den heidnisch religiösen Vorstellungen entspringen- den Antriebe der popularen Achtvollstreckung abgeschwächt wurden. Hie und da sah sich deshalb die Staatsgewalt veranlaſst, auf den Kopf des Friedlosen einen Preis zu setzen 3; anderwärts suchte sie die Verfolgung gewisser Arten von Friedlosen, insbesondere von Dieben und Räubern, durch Versäumnisbuſsen oder durch eine Haftpflicht der Gemeindegenossen sicherzustellen. Wenn auch in Fällen förmlicher Friedloslegung des flüchtigen Missethäters die Rechtsordnung für den Achtvollzug noch auf die Volksgenossen rechnen muſste, wurde dieser doch mehr und mehr Sache des öffentlichen Beamten 4.
Als Abarten oder Abspaltungen der Acht und des Achtvollzugs stellen auch die peinlichen Strafen, insbesondere die sogenannten Todesstrafen der fränkischen Zeit sich dar, wenn wir sie vom Stand- punkte der rechtsgeschichtlichen Konstruktion aus betrachten. Ihr Verhältnis zur Acht klarzustellen, bleibt der Geschichte des Straf- rechtes vorbehalten. Im folgenden haben wir es nur mit den Organen der Strafvollstreckung zu thun und mit dem Zusammenhange, der in dieser Beziehung zwischen Achtvollzug und Todesstrafe obwaltet.
Den Gedanken der durch die Gesamtheit vollstreckbaren Acht spiegeln deutlich jene Todesstrafen, bei welchen die Hinrichtung des Verbrechers mit gesamter Hand erfolgte, eine Rechtssitte, deren zähes Fortleben sich zum Teil daraus erklärt, daſs die Beteiligung der Ge- samtheit jeden einzelnen gegen die Rache der Verwandten des Hin- gerichteten schützte. Eine Todesstrafe zu gesamter Hand war ihrer Natur nach die Steinigung 5. Franken und Altsachsen vollzogen sie in der Weise, daſs man den Verbrecher vorerst an einen Pfahl band 6.
3 Siehe oben I 166.
4 Siehe unten § 116 über den Achtvollzug bei handhafter That.
5Grimm, RA S. 693. Wilda, Strafrecht S. 505.
6 Greg. Tur. Hist. Franc. III 36: ad colomnam lapidibus obruerunt; IV 49: multos ex eis postea a lapidibus obrui praecipiens; X 10: vinctusque ad stipitem lapidibus est obrutus; vgl. IX 35. Nach der Vita Liudgeri I, c. 26, MG SS II 419, wurde ein Pferdedieb verurteilt, ut in campo ad stipitem ligatus iactatis in eum sudibus acutis et lapidibus necaretur.
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schlechtweg ein priesterliches Monopol, zumal der Ritus kein Priester-
geheimnis war. Volksgenossen, die den handhaften oder geächteten
Missethäter ergriffen, mochten ihn ohne Priester in der Form des
Menschenopfers justifizieren. Der Friedlose, der dem Verletzten oder
dessen Sippe übergeben worden war, der faidosus, den seine Mag-
schaft, der schuldige Knecht, den sein Herr ausgeliefert hatte, konnte
der Rache nach dem Ritus des Opfertodes verfallen.
Die Annahme des Christentums hatte zur Folge, daſs die dem
Gemeingefühle und den heidnisch religiösen Vorstellungen entspringen-
den Antriebe der popularen Achtvollstreckung abgeschwächt wurden.
Hie und da sah sich deshalb die Staatsgewalt veranlaſst, auf den
Kopf des Friedlosen einen Preis zu setzen 3; anderwärts suchte sie die
Verfolgung gewisser Arten von Friedlosen, insbesondere von Dieben
und Räubern, durch Versäumnisbuſsen oder durch eine Haftpflicht der
Gemeindegenossen sicherzustellen. Wenn auch in Fällen förmlicher
Friedloslegung des flüchtigen Missethäters die Rechtsordnung für den
Achtvollzug noch auf die Volksgenossen rechnen muſste, wurde dieser
doch mehr und mehr Sache des öffentlichen Beamten 4.
Als Abarten oder Abspaltungen der Acht und des Achtvollzugs
stellen auch die peinlichen Strafen, insbesondere die sogenannten
Todesstrafen der fränkischen Zeit sich dar, wenn wir sie vom Stand-
punkte der rechtsgeschichtlichen Konstruktion aus betrachten. Ihr
Verhältnis zur Acht klarzustellen, bleibt der Geschichte des Straf-
rechtes vorbehalten. Im folgenden haben wir es nur mit den Organen
der Strafvollstreckung zu thun und mit dem Zusammenhange, der in
dieser Beziehung zwischen Achtvollzug und Todesstrafe obwaltet.
Den Gedanken der durch die Gesamtheit vollstreckbaren Acht
spiegeln deutlich jene Todesstrafen, bei welchen die Hinrichtung des
Verbrechers mit gesamter Hand erfolgte, eine Rechtssitte, deren zähes
Fortleben sich zum Teil daraus erklärt, daſs die Beteiligung der Ge-
samtheit jeden einzelnen gegen die Rache der Verwandten des Hin-
gerichteten schützte. Eine Todesstrafe zu gesamter Hand war ihrer
Natur nach die Steinigung 5. Franken und Altsachsen vollzogen sie
in der Weise, daſs man den Verbrecher vorerst an einen Pfahl band 6.
3 Siehe oben I 166.
4 Siehe unten § 116 über den Achtvollzug bei handhafter That.
5 Grimm, RA S. 693. Wilda, Strafrecht S. 505.
6 Greg. Tur. Hist. Franc. III 36: ad colomnam lapidibus obruerunt; IV 49:
multos ex eis postea a lapidibus obrui praecipiens; X 10: vinctusque ad stipitem
lapidibus est obrutus; vgl. IX 35. Nach der Vita Liudgeri I, c. 26, MG SS II
419, wurde ein Pferdedieb verurteilt, ut in campo ad stipitem ligatus iactatis in
eum sudibus acutis et lapidibus necaretur.
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/487>, abgerufen am 25.11.2024.
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