Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 112. Die Fronung.
verfahrens entzogen werden, sofern sie nicht der Wüstung verfielen.
Erst aus der Konfiskation im Achtverfahren hat sich, wie bereits oben
I 279 bemerkt wurde, eine Exekution entwickelt, welche auch die
Liegenschaften ergreift. Wir können sie, dem Sprachgebrauche jün-
gerer Quellen folgend, Fronung nennen 2. In den fränkischen Rechts-
denkmälern begegnet sie als missio in forbannum, in bannum regis,
als proscriptio confiscandi 3 und zwar zuerst in einem sächsischen
Kapitular von vermutlich 782 für den Fall, dass der Schuldner die
Zahlung der Schuld nicht verbürgen kann 4. Ein Capitulare misso-
rum v. J. 802 ordnete sie als Zwangsmassregel an, um die Zahlung
des Sühngeldes und die Leistung kirchlicher Bussen zu erzwingen 5.

Ein Zusatz zur Lex Ribuariorum v. J. 803 schrieb sie vor, falls
der Beklagte vier Ladungen missachtet hatte 6, und setzte damit die
gerichtliche Auspfändung der Fahrhabe, die ja erst nach sieben La-
dungen und auf Gefahr des Klägers Platz griff, thatsächlich ausser
Konkurrenz. Kapitularien Ludwigs I. haben dann die Fronung als
reichsrechtliches Exekutionsmittel in ihren Einzelheiten geregelt und
dem Gerichtsverfahren organisch eingegliedert 7. Erst dadurch wurde
es möglich, dass ein Urteil der Schöffen auf Fronung erkannte 8.

Die missio in bannum regis ist Einziehung des Vermögens, so-
wohl des beweglichen als des unbeweglichen, und wirkt zunächst nur
als provisorische Beschlagnahme. Der Besitzer wird dabei aus dem
Besitz des gefronten Grundstückes gewiesen. Er darf es nicht mehr

Konfiskation von Liegenschaften, die bei gewissen Verbrechen eintritt. Lex Baiuw.
II 1. VII 4. Decreta Dingolf. c. 9, LL III 460. Die Langobarden haben die
aussergerichtliche Pfandnahme auch auf Liegenschaften ausgedehnt. Nani, Studii
II 112.
2 Siehe Grimm, WB IV 1, S. 235.
3 Hincmar, Opera II 317: in bannum, quod ius lingua latina proscriptio
confiscandi
vocatur, est missum. Die regelmässige Anwendung der missio in
bannum hängt mit der Übertragung des Vorbanns auf den Grafen zusammen. Siehe
oben S. 167 und unten § 113.
4 Capitulatio de partibus Saxoniae c. 27, Cap. I 70.
5 Cap. miss. v. J. 802, c. 32. 36. 37. 38, I 97.
6 Cap. legi Rib. add. c. 6, I 118.
7 Cap. legi add. v. J. 816, c. 5, I 268. Cap. legg. add. v. J. 818--819, c. 11,
I 283. Dazu Conventus apud Valentianas v. J. 853, c. 3, Cap. II 75. Conv. Sil-
vac. v. J. 853, c. 7, LL I 425. Syn. Pist. v. J. 862, c. 3, LL I 480. Ed. Pist.
v. J. 864, c. 6, LL I 490. Cap. Carisiac. v. J. 873, c. 1. 3, LL I 519.
8 Ed. Pist. v. J. 864, c. 6, LL I 490: et sic ipsae res illi iudicio scabi-
niorum
in bannum mittantur. Urkunde Arnulfs v. J. 899, Mühlbacher Nr.
1902: et in publico mallo, quia ad placitum venire ... noluerunt, legali populorum
iudicio eis ablata et in regiam potestatem contracta est.

§ 112. Die Fronung.
verfahrens entzogen werden, sofern sie nicht der Wüstung verfielen.
Erst aus der Konfiskation im Achtverfahren hat sich, wie bereits oben
I 279 bemerkt wurde, eine Exekution entwickelt, welche auch die
Liegenschaften ergreift. Wir können sie, dem Sprachgebrauche jün-
gerer Quellen folgend, Fronung nennen 2. In den fränkischen Rechts-
denkmälern begegnet sie als missio in forbannum, in bannum regis,
als proscriptio confiscandi 3 und zwar zuerst in einem sächsischen
Kapitular von vermutlich 782 für den Fall, daſs der Schuldner die
Zahlung der Schuld nicht verbürgen kann 4. Ein Capitulare misso-
rum v. J. 802 ordnete sie als Zwangsmaſsregel an, um die Zahlung
des Sühngeldes und die Leistung kirchlicher Buſsen zu erzwingen 5.

Ein Zusatz zur Lex Ribuariorum v. J. 803 schrieb sie vor, falls
der Beklagte vier Ladungen miſsachtet hatte 6, und setzte damit die
gerichtliche Auspfändung der Fahrhabe, die ja erst nach sieben La-
dungen und auf Gefahr des Klägers Platz griff, thatsächlich auſser
Konkurrenz. Kapitularien Ludwigs I. haben dann die Fronung als
reichsrechtliches Exekutionsmittel in ihren Einzelheiten geregelt und
dem Gerichtsverfahren organisch eingegliedert 7. Erst dadurch wurde
es möglich, daſs ein Urteil der Schöffen auf Fronung erkannte 8.

Die missio in bannum regis ist Einziehung des Vermögens, so-
wohl des beweglichen als des unbeweglichen, und wirkt zunächst nur
als provisorische Beschlagnahme. Der Besitzer wird dabei aus dem
Besitz des gefronten Grundstückes gewiesen. Er darf es nicht mehr

Konfiskation von Liegenschaften, die bei gewissen Verbrechen eintritt. Lex Baiuw.
II 1. VII 4. Decreta Dingolf. c. 9, LL III 460. Die Langobarden haben die
auſsergerichtliche Pfandnahme auch auf Liegenschaften ausgedehnt. Nani, Studii
II 112.
2 Siehe Grimm, WB IV 1, S. 235.
3 Hincmar, Opera II 317: in bannum, quod ius lingua latina proscriptio
confiscandi
vocatur, est missum. Die regelmäſsige Anwendung der missio in
bannum hängt mit der Übertragung des Vorbanns auf den Grafen zusammen. Siehe
oben S. 167 und unten § 113.
4 Capitulatio de partibus Saxoniae c. 27, Cap. I 70.
5 Cap. miss. v. J. 802, c. 32. 36. 37. 38, I 97.
6 Cap. legi Rib. add. c. 6, I 118.
7 Cap. legi add. v. J. 816, c. 5, I 268. Cap. legg. add. v. J. 818—819, c. 11,
I 283. Dazu Conventus apud Valentianas v. J. 853, c. 3, Cap. II 75. Conv. Sil-
vac. v. J. 853, c. 7, LL I 425. Syn. Pist. v. J. 862, c. 3, LL I 480. Ed. Pist.
v. J. 864, c. 6, LL I 490. Cap. Carisiac. v. J. 873, c. 1. 3, LL I 519.
8 Ed. Pist. v. J. 864, c. 6, LL I 490: et sic ipsae res illi iudicio scabi-
niorum
in bannum mittantur. Urkunde Arnulfs v. J. 899, Mühlbacher Nr.
1902: et in publico mallo, quia ad placitum venire … noluerunt, legali populorum
iudicio eis ablata et in regiam potestatem contracta est.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0476" n="458"/><fw place="top" type="header">§ 112. Die Fronung.</fw><lb/>
verfahrens entzogen werden, sofern sie nicht der Wüstung verfielen.<lb/>
Erst aus der Konfiskation im Achtverfahren hat sich, wie bereits oben<lb/>
I 279 bemerkt wurde, eine Exekution entwickelt, welche auch die<lb/>
Liegenschaften ergreift. Wir können sie, dem Sprachgebrauche jün-<lb/>
gerer Quellen folgend, Fronung nennen <note place="foot" n="2">Siehe <hi rendition="#g">Grimm,</hi> WB IV 1, S. 235.</note>. In den fränkischen Rechts-<lb/>
denkmälern begegnet sie als missio in forbannum, in bannum regis,<lb/>
als proscriptio confiscandi <note place="foot" n="3">Hincmar, Opera II 317: in bannum, quod ius lingua latina <hi rendition="#g">proscriptio<lb/>
confiscandi</hi> vocatur, est missum. Die regelmä&#x017F;sige Anwendung der missio in<lb/>
bannum hängt mit der Übertragung des Vorbanns auf den Grafen zusammen. Siehe<lb/>
oben S. 167 und unten § 113.</note> und zwar zuerst in einem sächsischen<lb/>
Kapitular von vermutlich 782 für den Fall, da&#x017F;s der Schuldner die<lb/>
Zahlung der Schuld nicht verbürgen kann <note place="foot" n="4">Capitulatio de partibus Saxoniae c. 27, Cap. I 70.</note>. Ein Capitulare misso-<lb/>
rum v. J. 802 ordnete sie als Zwangsma&#x017F;sregel an, um die Zahlung<lb/>
des Sühngeldes und die Leistung kirchlicher Bu&#x017F;sen zu erzwingen <note place="foot" n="5">Cap. miss. v. J. 802, c. 32. 36. 37. 38, I 97.</note>.</p><lb/>
              <p>Ein Zusatz zur Lex Ribuariorum v. J. 803 schrieb sie vor, falls<lb/>
der Beklagte vier Ladungen mi&#x017F;sachtet hatte <note place="foot" n="6">Cap. legi Rib. add. c. 6, I 118.</note>, und setzte damit die<lb/>
gerichtliche Auspfändung der Fahrhabe, die ja erst nach sieben La-<lb/>
dungen und auf Gefahr des Klägers Platz griff, thatsächlich au&#x017F;ser<lb/>
Konkurrenz. Kapitularien Ludwigs I. haben dann die Fronung als<lb/>
reichsrechtliches Exekutionsmittel in ihren Einzelheiten geregelt und<lb/>
dem Gerichtsverfahren organisch eingegliedert <note place="foot" n="7">Cap. legi add. v. J. 816, c. 5, I 268. Cap. legg. add. v. J. 818&#x2014;819, c. 11,<lb/>
I 283. Dazu Conventus apud Valentianas v. J. 853, c. 3, Cap. II 75. Conv. Sil-<lb/>
vac. v. J. 853, c. 7, LL I 425. Syn. Pist. v. J. 862, c. 3, LL I 480. Ed. Pist.<lb/>
v. J. 864, c. 6, LL I 490. Cap. Carisiac. v. J. 873, c. 1. 3, LL I 519.</note>. Erst dadurch wurde<lb/>
es möglich, da&#x017F;s ein Urteil der Schöffen auf Fronung erkannte <note place="foot" n="8">Ed. Pist. v. J. 864, c. 6, LL I 490: et sic ipsae res illi <hi rendition="#g">iudicio scabi-<lb/>
niorum</hi> in bannum mittantur. Urkunde Arnulfs v. J. 899, <hi rendition="#g">Mühlbacher</hi> Nr.<lb/>
1902: et in publico mallo, quia ad placitum venire &#x2026; noluerunt, legali populorum<lb/>
iudicio eis ablata et in regiam potestatem contracta est.</note>.</p><lb/>
              <p>Die missio in bannum regis ist Einziehung des Vermögens, so-<lb/>
wohl des beweglichen als des unbeweglichen, und wirkt zunächst nur<lb/>
als provisorische Beschlagnahme. Der Besitzer wird dabei aus dem<lb/>
Besitz des gefronten Grundstückes gewiesen. Er darf es nicht mehr<lb/><note xml:id="seg2pn_120_2" prev="#seg2pn_120_1" place="foot" n="1">Konfiskation von Liegenschaften, die bei gewissen Verbrechen eintritt. Lex Baiuw.<lb/>
II 1. VII 4. Decreta Dingolf. c. 9, LL III 460. Die Langobarden haben die<lb/>
au&#x017F;sergerichtliche Pfandnahme auch auf Liegenschaften ausgedehnt. <hi rendition="#g">Nani,</hi> Studii<lb/>
II 112.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0476] § 112. Die Fronung. verfahrens entzogen werden, sofern sie nicht der Wüstung verfielen. Erst aus der Konfiskation im Achtverfahren hat sich, wie bereits oben I 279 bemerkt wurde, eine Exekution entwickelt, welche auch die Liegenschaften ergreift. Wir können sie, dem Sprachgebrauche jün- gerer Quellen folgend, Fronung nennen 2. In den fränkischen Rechts- denkmälern begegnet sie als missio in forbannum, in bannum regis, als proscriptio confiscandi 3 und zwar zuerst in einem sächsischen Kapitular von vermutlich 782 für den Fall, daſs der Schuldner die Zahlung der Schuld nicht verbürgen kann 4. Ein Capitulare misso- rum v. J. 802 ordnete sie als Zwangsmaſsregel an, um die Zahlung des Sühngeldes und die Leistung kirchlicher Buſsen zu erzwingen 5. Ein Zusatz zur Lex Ribuariorum v. J. 803 schrieb sie vor, falls der Beklagte vier Ladungen miſsachtet hatte 6, und setzte damit die gerichtliche Auspfändung der Fahrhabe, die ja erst nach sieben La- dungen und auf Gefahr des Klägers Platz griff, thatsächlich auſser Konkurrenz. Kapitularien Ludwigs I. haben dann die Fronung als reichsrechtliches Exekutionsmittel in ihren Einzelheiten geregelt und dem Gerichtsverfahren organisch eingegliedert 7. Erst dadurch wurde es möglich, daſs ein Urteil der Schöffen auf Fronung erkannte 8. Die missio in bannum regis ist Einziehung des Vermögens, so- wohl des beweglichen als des unbeweglichen, und wirkt zunächst nur als provisorische Beschlagnahme. Der Besitzer wird dabei aus dem Besitz des gefronten Grundstückes gewiesen. Er darf es nicht mehr 1 2 Siehe Grimm, WB IV 1, S. 235. 3 Hincmar, Opera II 317: in bannum, quod ius lingua latina proscriptio confiscandi vocatur, est missum. Die regelmäſsige Anwendung der missio in bannum hängt mit der Übertragung des Vorbanns auf den Grafen zusammen. Siehe oben S. 167 und unten § 113. 4 Capitulatio de partibus Saxoniae c. 27, Cap. I 70. 5 Cap. miss. v. J. 802, c. 32. 36. 37. 38, I 97. 6 Cap. legi Rib. add. c. 6, I 118. 7 Cap. legi add. v. J. 816, c. 5, I 268. Cap. legg. add. v. J. 818—819, c. 11, I 283. Dazu Conventus apud Valentianas v. J. 853, c. 3, Cap. II 75. Conv. Sil- vac. v. J. 853, c. 7, LL I 425. Syn. Pist. v. J. 862, c. 3, LL I 480. Ed. Pist. v. J. 864, c. 6, LL I 490. Cap. Carisiac. v. J. 873, c. 1. 3, LL I 519. 8 Ed. Pist. v. J. 864, c. 6, LL I 490: et sic ipsae res illi iudicio scabi- niorum in bannum mittantur. Urkunde Arnulfs v. J. 899, Mühlbacher Nr. 1902: et in publico mallo, quia ad placitum venire … noluerunt, legali populorum iudicio eis ablata et in regiam potestatem contracta est. 1 Konfiskation von Liegenschaften, die bei gewissen Verbrechen eintritt. Lex Baiuw. II 1. VII 4. Decreta Dingolf. c. 9, LL III 460. Die Langobarden haben die auſsergerichtliche Pfandnahme auch auf Liegenschaften ausgedehnt. Nani, Studii II 112.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/476
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/476>, abgerufen am 25.11.2024.