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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 110. Die aussergerichtliche Pfandnahme.
sche 10, das bairische 11, vermutlich auch das alamannische 12 und das
friesische Recht 13, das angelsächsische 14 und das dänische Recht 15.

Der Pfandnahme muss allenthalben ein volksrechtlich normierter
Rechtsgang, insbesondere eine gehörige Mahnung und zwar regel-
mässig eine dreimalige Mahnung vorausgehen 16. In der Lex Salica
sind die Voraussetzungen der Pfändung folgendermassen geregelt.
Der Gläubiger, dem eine Schuld gerichtlich oder aussergerichtlich ge-
wettet worden ist, soll zunächst mit Zeugen in des Schuldners Woh-
nung gehen, um die Leistung zu holen. Zahlt der Schuldner nicht,
so verfällt er in die Verzugsbusse von 15 Solidi. Daraufhin manniert
ihn der Gläubiger in den mallus des Thungins 17 und begehrt von diesem
die Anpfändung des Schuldners. Er begehrt sie mit der Formel:
ut nexti (nesti) chantigius gasacio meo 18. Der Thungin spricht das
begehrte nexti chantigio aus, worauf der Gläubiger den Schuldner
auffordert (testat), keinem Dritten Zahlung zu leisten oder Pfand zu

10 Lex Sal. (Hessels) 50, 2.
11 Lex Baiuw. XIII 1. 3. Unbedingt steht dem Herzog das Recht zu, eine
(administrative) Pfändung anzuordnen.
12 Aus Pactus III 7, V 4 und aus den Verboten der Heerdenpfändung folgt,
dass es eine aussergerichtliche Pfändung gab. Vgl. noch Lex Alam. 83, 1.
13 Lex Fris. Add. 8, 2 ergiebt aussergerichtliche Pfändung. Jüngere frie-
sische Rechtsquellen lassen ersehen, dass sie an richterliche Erlaubnis geknüpft
war. Stadtrecht von Staveren v. J. 1290, citiert von Richthofen in LL III 694,
Anm. 59: ne .. aliquis audeat rapinam facere .. nisi pro debito legitime requisito
et obtenta licentia. Brockmerbrief § 57, Rh. Rqu. S. 159. Emsiger Pfenning-
schuldbuch § 70, Rh. Rqu. S. 210, 5. Emsiger Busstaxen § 38, Rh. Rqu.
S. 241, 22.
14 Ine 9. Knut II 19. Leges Henrici primi 51, 3: et nulli sine iudicio vel
licentia namiare liceat alium in suo vel alterius.
15 Skanelagen c. 220. Sunesen 137. Jydske Lov (ed. Thorsen) II 58: aen
aei skal nam takaes vtaen things domae.
16 Dreimalige admonitio nach Lex Burg. 19, 5; 107, 7, dreimaliges rogare
nach Lex Sal. 50, 2, dreimalige contestatio nach Roth. 245. 246, dreimaliges Ver-
langen in der Hundertschaft nach Knut II 19.
17 Dem Gläubiger giebt der gerichtliche Termin Gelegenheit, die Verurteilung
des Schuldners in die Verzugsbusse herbeizuführen (culpabilis iudicetur), dem
Schuldner, die Schuld zu bestreiten und damit die Sache in ein contradiktorisches
Verfahren hinüberzuleiten.
18 Etwa ut vinculo adstringas gasachionem meum. Nexti, nesti bietet die
Wurzel nehst, nest zu nestila, nastila, Nestel dar. Vgl. nasthait oben S. 432,
Anm. 43. Grimm und Müllenhoff bei Waitz, Altes Recht S. 290, Grimm
bei Merkel, Lex Sal. p. LIV, wo chantigio aus ags. hentan als apprehendere er-
klärt wird. Müllenhoff schlägt vor: nisti chanti (mit Band und Hand) thigiu
(expeto). Kern bei Hessels Lex Sal. § 238 liest nextich antygio (i most ur-
gently compel).

§ 110. Die auſsergerichtliche Pfandnahme.
sche 10, das bairische 11, vermutlich auch das alamannische 12 und das
friesische Recht 13, das angelsächsische 14 und das dänische Recht 15.

Der Pfandnahme muſs allenthalben ein volksrechtlich normierter
Rechtsgang, insbesondere eine gehörige Mahnung und zwar regel-
mäſsig eine dreimalige Mahnung vorausgehen 16. In der Lex Salica
sind die Voraussetzungen der Pfändung folgendermaſsen geregelt.
Der Gläubiger, dem eine Schuld gerichtlich oder auſsergerichtlich ge-
wettet worden ist, soll zunächst mit Zeugen in des Schuldners Woh-
nung gehen, um die Leistung zu holen. Zahlt der Schuldner nicht,
so verfällt er in die Verzugsbuſse von 15 Solidi. Daraufhin manniert
ihn der Gläubiger in den mallus des Thungins 17 und begehrt von diesem
die Anpfändung des Schuldners. Er begehrt sie mit der Formel:
ut nexti (nesti) chantigius gasacio meo 18. Der Thungin spricht das
begehrte nexti chantigio aus, worauf der Gläubiger den Schuldner
auffordert (testat), keinem Dritten Zahlung zu leisten oder Pfand zu

10 Lex Sal. (Hessels) 50, 2.
11 Lex Baiuw. XIII 1. 3. Unbedingt steht dem Herzog das Recht zu, eine
(administrative) Pfändung anzuordnen.
12 Aus Pactus III 7, V 4 und aus den Verboten der Heerdenpfändung folgt,
daſs es eine auſsergerichtliche Pfändung gab. Vgl. noch Lex Alam. 83, 1.
13 Lex Fris. Add. 8, 2 ergiebt auſsergerichtliche Pfändung. Jüngere frie-
sische Rechtsquellen lassen ersehen, daſs sie an richterliche Erlaubnis geknüpft
war. Stadtrecht von Staveren v. J. 1290, citiert von Richthofen in LL III 694,
Anm. 59: ne .. aliquis audeat rapinam facere .. nisi pro debito legitime requisito
et obtenta licentia. Brockmerbrief § 57, Rh. Rqu. S. 159. Emsiger Pfenning-
schuldbuch § 70, Rh. Rqu. S. 210, 5. Emsiger Buſstaxen § 38, Rh. Rqu.
S. 241, 22.
14 Ine 9. Knut II 19. Leges Henrici primi 51, 3: et nulli sine iudicio vel
licentia namiare liceat alium in suo vel alterius.
15 Skanelagen c. 220. Sunesen 137. Jydske Lov (ed. Thorsen) II 58: æn
æi skal nam takæs vtæn things domæ.
16 Dreimalige admonitio nach Lex Burg. 19, 5; 107, 7, dreimaliges rogare
nach Lex Sal. 50, 2, dreimalige contestatio nach Roth. 245. 246, dreimaliges Ver-
langen in der Hundertschaft nach Knut II 19.
17 Dem Gläubiger giebt der gerichtliche Termin Gelegenheit, die Verurteilung
des Schuldners in die Verzugsbuſse herbeizuführen (culpabilis iudicetur), dem
Schuldner, die Schuld zu bestreiten und damit die Sache in ein contradiktorisches
Verfahren hinüberzuleiten.
18 Etwa ut vinculo adstringas gasachionem meum. Nexti, nesti bietet die
Wurzel nehst, nest zu nestila, nastila, Nestel dar. Vgl. nasthait oben S. 432,
Anm. 43. Grimm und Müllenhoff bei Waitz, Altes Recht S. 290, Grimm
bei Merkel, Lex Sal. p. LIV, wo chantigio aus ags. hentan als apprehendere er-
klärt wird. Müllenhoff schlägt vor: nisti chanti (mit Band und Hand) thigiu
(expeto). Kern bei Hessels Lex Sal. § 238 liest nextich antygio (i most ur-
gently compel).
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[447/0465] § 110. Die auſsergerichtliche Pfandnahme. sche 10, das bairische 11, vermutlich auch das alamannische 12 und das friesische Recht 13, das angelsächsische 14 und das dänische Recht 15. Der Pfandnahme muſs allenthalben ein volksrechtlich normierter Rechtsgang, insbesondere eine gehörige Mahnung und zwar regel- mäſsig eine dreimalige Mahnung vorausgehen 16. In der Lex Salica sind die Voraussetzungen der Pfändung folgendermaſsen geregelt. Der Gläubiger, dem eine Schuld gerichtlich oder auſsergerichtlich ge- wettet worden ist, soll zunächst mit Zeugen in des Schuldners Woh- nung gehen, um die Leistung zu holen. Zahlt der Schuldner nicht, so verfällt er in die Verzugsbuſse von 15 Solidi. Daraufhin manniert ihn der Gläubiger in den mallus des Thungins 17 und begehrt von diesem die Anpfändung des Schuldners. Er begehrt sie mit der Formel: ut nexti (nesti) chantigius gasacio meo 18. Der Thungin spricht das begehrte nexti chantigio aus, worauf der Gläubiger den Schuldner auffordert (testat), keinem Dritten Zahlung zu leisten oder Pfand zu 10 Lex Sal. (Hessels) 50, 2. 11 Lex Baiuw. XIII 1. 3. Unbedingt steht dem Herzog das Recht zu, eine (administrative) Pfändung anzuordnen. 12 Aus Pactus III 7, V 4 und aus den Verboten der Heerdenpfändung folgt, daſs es eine auſsergerichtliche Pfändung gab. Vgl. noch Lex Alam. 83, 1. 13 Lex Fris. Add. 8, 2 ergiebt auſsergerichtliche Pfändung. Jüngere frie- sische Rechtsquellen lassen ersehen, daſs sie an richterliche Erlaubnis geknüpft war. Stadtrecht von Staveren v. J. 1290, citiert von Richthofen in LL III 694, Anm. 59: ne .. aliquis audeat rapinam facere .. nisi pro debito legitime requisito et obtenta licentia. Brockmerbrief § 57, Rh. Rqu. S. 159. Emsiger Pfenning- schuldbuch § 70, Rh. Rqu. S. 210, 5. Emsiger Buſstaxen § 38, Rh. Rqu. S. 241, 22. 14 Ine 9. Knut II 19. Leges Henrici primi 51, 3: et nulli sine iudicio vel licentia namiare liceat alium in suo vel alterius. 15 Skanelagen c. 220. Sunesen 137. Jydske Lov (ed. Thorsen) II 58: æn æi skal nam takæs vtæn things domæ. 16 Dreimalige admonitio nach Lex Burg. 19, 5; 107, 7, dreimaliges rogare nach Lex Sal. 50, 2, dreimalige contestatio nach Roth. 245. 246, dreimaliges Ver- langen in der Hundertschaft nach Knut II 19. 17 Dem Gläubiger giebt der gerichtliche Termin Gelegenheit, die Verurteilung des Schuldners in die Verzugsbuſse herbeizuführen (culpabilis iudicetur), dem Schuldner, die Schuld zu bestreiten und damit die Sache in ein contradiktorisches Verfahren hinüberzuleiten. 18 Etwa ut vinculo adstringas gasachionem meum. Nexti, nesti bietet die Wurzel nehst, nest zu nestila, nastila, Nestel dar. Vgl. nasthait oben S. 432, Anm. 43. Grimm und Müllenhoff bei Waitz, Altes Recht S. 290, Grimm bei Merkel, Lex Sal. p. LIV, wo chantigio aus ags. hentan als apprehendere er- klärt wird. Müllenhoff schlägt vor: nisti chanti (mit Band und Hand) thigiu (expeto). Kern bei Hessels Lex Sal. § 238 liest nextich antygio (i most ur- gently compel).

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/465>, abgerufen am 22.11.2024.