Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 109. Die gutwillige Befriedigung.
von Baiern, dass die Verlosung der Kämpen erst stattfinden solle,
wenn sie zum Kampfe bereit sind 101.

4. Verfahren bei dem Urkundenbeweise.

Beruft sich einer der beiden Streitteile auf eine Urkunde, so
kann er sie sofort im Anschluss an die Klage oder an die Einrede
producieren. Hat der Beklagte die Urkunde in Händen, so ist er
nach fränkischem Rechte von dem Formalismus der Antwort befreit.
Ohne dass ihn der Kläger tanganieren darf, mag er auf die Klage
erwidern, dass er auf Grund der Urkunde besitze. Hat sich eine der
beiden Parteien auf eine Urkunde berufen, ohne sie sofort vorzulegen,
so wird durch Beweisurteil auf Produktion des Dokumentes erkannt
und diese in den Rechtsformen des Beweisgelöbnisses zum Beweis-
termin versprochen 102.

Die producierte Urkunde wird vor Gericht verlesen. Der Gegner
mag dann eine der bereits oben S. 421 f. besprochenen Arten der
Urkundenschelte einbringen. Producieren beide Teile Urkunden, die
das Streitobjekt betreffen, so wird die ältere als massgebend aner-
kannt 103. Das fränkische Königsgericht half sich, wenn Urkunden
beider Teile vorlagen und Zweifel offen blieben, durch Anordnung
eines Ordals 104 oder durch Aufnahme einer Inquisitio 105.

4. Das Befriedigungs-, Zwangs- und Vollstreckungsverfahren.
§ 109. Die gutwillige Befriedigung.

Siegel, Gerichtsverfahren S. 240. Korn, De obnoxiatione et wadio antiquissimi
iuris germanici 1863. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 550. Die Bemer-
kungen bei Mommsen, Festgabe für Beseler S. 266 f. H. Brunner in Z2 f.
RG XI 97 f.

Hatte der Beklagte die Befriedigung des Klägers rechtsförmlich

101 Decr. Niuh. c. 4, LL III 465.
102 Urk. Sigiberts v. J. 648, NA XIII 157. Pertz, Dipl. M. 59 v. J. 691.
Form. Emmer. 3.
103 Registrum Farfense Nr. 30, II 40, v. J. 747: ut cuius praeceptum esset
anterior, pars ipsa haberet ipsum casalem. H. 520 v. J. 948.
104 Mühlbacher Nr. 187 v. J. 775: iubemus emanare iudicium, ut dum per
ipsis strumentis de utrasque partis certamen non declaratur, ut recto tramite ad
Dei iudicium ad crucem eorum homenis .. stare deberint. Mühlbacher Nr. 196
v. J. 775: de hac causa ad utrasque partes nihil certi cognovimus, unde ad divina
mysteria .., sicut longa consuetudo exposcit et ipsi voluntarii consenserunt, iube-
mus emanare iudicium, ut dum per ipsa instrumenta de utraque parte certamen
non declaratur, ut .. ad Dei iudicium ad crucem .. stare deberent.
105 H. Brunner, Zeugen- und Inquisitionsbeweis S. 112.

§ 109. Die gutwillige Befriedigung.
von Baiern, daſs die Verlosung der Kämpen erst stattfinden solle,
wenn sie zum Kampfe bereit sind 101.

4. Verfahren bei dem Urkundenbeweise.

Beruft sich einer der beiden Streitteile auf eine Urkunde, so
kann er sie sofort im Anschluſs an die Klage oder an die Einrede
producieren. Hat der Beklagte die Urkunde in Händen, so ist er
nach fränkischem Rechte von dem Formalismus der Antwort befreit.
Ohne daſs ihn der Kläger tanganieren darf, mag er auf die Klage
erwidern, daſs er auf Grund der Urkunde besitze. Hat sich eine der
beiden Parteien auf eine Urkunde berufen, ohne sie sofort vorzulegen,
so wird durch Beweisurteil auf Produktion des Dokumentes erkannt
und diese in den Rechtsformen des Beweisgelöbnisses zum Beweis-
termin versprochen 102.

Die producierte Urkunde wird vor Gericht verlesen. Der Gegner
mag dann eine der bereits oben S. 421 f. besprochenen Arten der
Urkundenschelte einbringen. Producieren beide Teile Urkunden, die
das Streitobjekt betreffen, so wird die ältere als maſsgebend aner-
kannt 103. Das fränkische Königsgericht half sich, wenn Urkunden
beider Teile vorlagen und Zweifel offen blieben, durch Anordnung
eines Ordals 104 oder durch Aufnahme einer Inquisitio 105.

4. Das Befríedigungs-, Zwangs- und Vollstreckungsverfahren.
§ 109. Die gutwillige Befriedigung.

Siegel, Gerichtsverfahren S. 240. Korn, De obnoxiatione et wadio antiquissimi
iuris germanici 1863. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 550. Die Bemer-
kungen bei Mommsen, Festgabe für Beseler S. 266 f. H. Brunner in Z2 f.
RG XI 97 f.

Hatte der Beklagte die Befriedigung des Klägers rechtsförmlich

101 Decr. Niuh. c. 4, LL III 465.
102 Urk. Sigiberts v. J. 648, NA XIII 157. Pertz, Dipl. M. 59 v. J. 691.
Form. Emmer. 3.
103 Registrum Farfense Nr. 30, II 40, v. J. 747: ut cuius praeceptum esset
anterior, pars ipsa haberet ipsum casalem. H. 520 v. J. 948.
104 Mühlbacher Nr. 187 v. J. 775: iubemus emanare iudicium, ut dum per
ipsis strumentis de utrasque partis certamen non declaratur, ut recto tramite ad
Dei iudicium ad crucem eorum homenis .. stare deberint. Mühlbacher Nr. 196
v. J. 775: de hac causa ad utrasque partes nihil certi cognovimus, unde ad divina
mysteria .., sicut longa consuetudo exposcit et ipsi voluntarii consenserunt, iube-
mus emanare iudicium, ut dum per ipsa instrumenta de utraque parte certamen
non declaratur, ut .. ad Dei iudicium ad crucem .. stare deberent.
105 H. Brunner, Zeugen- und Inquisitionsbeweis S. 112.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0459" n="441"/><fw place="top" type="header">§ 109. Die gutwillige Befriedigung.</fw><lb/>
von Baiern, da&#x017F;s die Verlosung der Kämpen erst stattfinden solle,<lb/>
wenn sie zum Kampfe bereit sind <note place="foot" n="101">Decr. Niuh. c. 4, LL III 465.</note>.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>4. <hi rendition="#g">Verfahren bei dem Urkundenbeweise</hi>.</head><lb/>
                <p>Beruft sich einer der beiden Streitteile auf eine Urkunde, so<lb/>
kann er sie sofort im Anschlu&#x017F;s an die Klage oder an die Einrede<lb/>
producieren. Hat der Beklagte die Urkunde in Händen, so ist er<lb/>
nach fränkischem Rechte von dem Formalismus der Antwort befreit.<lb/>
Ohne da&#x017F;s ihn der Kläger tanganieren darf, mag er auf die Klage<lb/>
erwidern, da&#x017F;s er auf Grund der Urkunde besitze. Hat sich eine der<lb/>
beiden Parteien auf eine Urkunde berufen, ohne sie sofort vorzulegen,<lb/>
so wird durch Beweisurteil auf Produktion des Dokumentes erkannt<lb/>
und diese in den Rechtsformen des Beweisgelöbnisses zum Beweis-<lb/>
termin versprochen <note place="foot" n="102">Urk. Sigiberts v. J. 648, NA XIII 157. Pertz, Dipl. M. 59 v. J. 691.<lb/>
Form. Emmer. 3.</note>.</p><lb/>
                <p>Die producierte Urkunde wird vor Gericht verlesen. Der Gegner<lb/>
mag dann eine der bereits oben S. 421 f. besprochenen Arten der<lb/>
Urkundenschelte einbringen. Producieren beide Teile Urkunden, die<lb/>
das Streitobjekt betreffen, so wird die ältere als ma&#x017F;sgebend aner-<lb/>
kannt <note place="foot" n="103">Registrum Farfense Nr. 30, II 40, v. J. 747: ut cuius praeceptum esset<lb/>
anterior, pars ipsa haberet ipsum casalem. H. 520 v. J. 948.</note>. Das fränkische Königsgericht half sich, wenn Urkunden<lb/>
beider Teile vorlagen und Zweifel offen blieben, durch Anordnung<lb/>
eines Ordals <note place="foot" n="104"><hi rendition="#g">Mühlbacher</hi> Nr. 187 v. J. 775: iubemus emanare iudicium, ut dum per<lb/>
ipsis strumentis de utrasque partis certamen non declaratur, ut recto tramite ad<lb/>
Dei iudicium ad crucem eorum homenis .. stare deberint. <hi rendition="#g">Mühlbacher</hi> Nr. 196<lb/>
v. J. 775: de hac causa ad utrasque partes nihil certi cognovimus, unde ad divina<lb/>
mysteria .., sicut longa consuetudo exposcit et ipsi voluntarii consenserunt, iube-<lb/>
mus emanare iudicium, ut dum per ipsa instrumenta de utraque parte certamen<lb/>
non declaratur, ut .. ad Dei iudicium ad crucem .. stare deberent.</note> oder durch Aufnahme einer Inquisitio <note place="foot" n="105">H. <hi rendition="#g">Brunner</hi>, Zeugen- und Inquisitionsbeweis S. 112.</note>.</p>
              </div>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">4. Das Befríedigungs-, Zwangs- und Vollstreckungsverfahren.</hi> </head><lb/>
            <div n="4">
              <head>§ 109. <hi rendition="#g">Die gutwillige Befriedigung</hi>.</head><lb/>
              <p>
                <bibl><hi rendition="#g">Siegel</hi>, Gerichtsverfahren S. 240. <hi rendition="#g">Korn</hi>, De obnoxiatione et wadio antiquissimi<lb/>
iuris germanici 1863. <hi rendition="#g">Sohm</hi>, Reichs- und Gerichtsverfassung I 550. Die Bemer-<lb/>
kungen bei <hi rendition="#g">Mommsen</hi>, Festgabe für Beseler S. 266 f. H. <hi rendition="#g">Brunner</hi> in Z<hi rendition="#sup">2</hi> f.<lb/><hi rendition="#c">RG XI 97 f.</hi></bibl>
              </p><lb/>
              <p>Hatte der Beklagte die Befriedigung des Klägers rechtsförmlich<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[441/0459] § 109. Die gutwillige Befriedigung. von Baiern, daſs die Verlosung der Kämpen erst stattfinden solle, wenn sie zum Kampfe bereit sind 101. 4. Verfahren bei dem Urkundenbeweise. Beruft sich einer der beiden Streitteile auf eine Urkunde, so kann er sie sofort im Anschluſs an die Klage oder an die Einrede producieren. Hat der Beklagte die Urkunde in Händen, so ist er nach fränkischem Rechte von dem Formalismus der Antwort befreit. Ohne daſs ihn der Kläger tanganieren darf, mag er auf die Klage erwidern, daſs er auf Grund der Urkunde besitze. Hat sich eine der beiden Parteien auf eine Urkunde berufen, ohne sie sofort vorzulegen, so wird durch Beweisurteil auf Produktion des Dokumentes erkannt und diese in den Rechtsformen des Beweisgelöbnisses zum Beweis- termin versprochen 102. Die producierte Urkunde wird vor Gericht verlesen. Der Gegner mag dann eine der bereits oben S. 421 f. besprochenen Arten der Urkundenschelte einbringen. Producieren beide Teile Urkunden, die das Streitobjekt betreffen, so wird die ältere als maſsgebend aner- kannt 103. Das fränkische Königsgericht half sich, wenn Urkunden beider Teile vorlagen und Zweifel offen blieben, durch Anordnung eines Ordals 104 oder durch Aufnahme einer Inquisitio 105. 4. Das Befríedigungs-, Zwangs- und Vollstreckungsverfahren. § 109. Die gutwillige Befriedigung. Siegel, Gerichtsverfahren S. 240. Korn, De obnoxiatione et wadio antiquissimi iuris germanici 1863. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 550. Die Bemer- kungen bei Mommsen, Festgabe für Beseler S. 266 f. H. Brunner in Z2 f. RG XI 97 f. Hatte der Beklagte die Befriedigung des Klägers rechtsförmlich 101 Decr. Niuh. c. 4, LL III 465. 102 Urk. Sigiberts v. J. 648, NA XIII 157. Pertz, Dipl. M. 59 v. J. 691. Form. Emmer. 3. 103 Registrum Farfense Nr. 30, II 40, v. J. 747: ut cuius praeceptum esset anterior, pars ipsa haberet ipsum casalem. H. 520 v. J. 948. 104 Mühlbacher Nr. 187 v. J. 775: iubemus emanare iudicium, ut dum per ipsis strumentis de utrasque partis certamen non declaratur, ut recto tramite ad Dei iudicium ad crucem eorum homenis .. stare deberint. Mühlbacher Nr. 196 v. J. 775: de hac causa ad utrasque partes nihil certi cognovimus, unde ad divina mysteria .., sicut longa consuetudo exposcit et ipsi voluntarii consenserunt, iube- mus emanare iudicium, ut dum per ipsa instrumenta de utraque parte certamen non declaratur, ut .. ad Dei iudicium ad crucem .. stare deberent. 105 H. Brunner, Zeugen- und Inquisitionsbeweis S. 112.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/459
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/459>, abgerufen am 03.12.2024.