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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 108. Das Beweisverfahren.
bei den Friesen lade, lede, Leite oder ledeth, die Reinigung ags.
ladian48.

Für die Ablegung des Eides bestand strenger Formenzwang. Ein
Fehler im Worte, eine unrichtige Bewegung, z. B. vorzeitiges Senken
oder Wegziehen der Schwurhand, machte beweisfällig. Der Eid war
dann kein idoneum sacramentum, wie die Partei es dem Gegner
schuldete. Der misslungene Eid machte nach älterem Rechte den
Hauptmann und die Eidhelfer bussfällig gleich dem Meineid49.

Die Form der Eideshilfe bringt die Gemeinschaft und Solidarität
des Eides zu deutlichem Ausdruck. Die Eidhelfer sind mit dem Haupt-
mann durch Handreichung oder Handberührung verbunden. Althoch-
deutsche Glossen übersetzen coniuratio durch hantreichida, con-
iurare durch gahantreichan50. Nach einem Zusatz zur Lex Alaman-
norum legen die Helfer insgesamt die Schwurhände auf die Reliquien,
während der Schwörende seine Hand auf ihre Hände legt51. In Hol-
stein müssen noch im siebzehnten Jahrhundert bei dem selbzwölft ge-
schworenen Waffeneide der Hauptmann und sämtliche Helfer die
Finger auf das Schwert legen52.

Haben die Schwörenden die erforderliche Haltung und Stellung
eingenommen, so findet die Eidstabung statt. Zuerst schwört der
Hauptmann. Dann leisten die Eidhelfer den Folgeeid. Sie leisten ihn
nach älterem Rechte mit gesamtem Munde, indem sie gemeinsam die
Formel des Folgeeides sprechen, deren Schlusswort: sie Deus nos ad-
juvet, sie als Gesamtheit zusammenfasst. Die in den Quellen der
fränkischen Zeit überlieferten Formeln des Folgeeides stellen sich als

48 Schmid, Ges. der Ags. S. 620. Rh. WB S. 887 ff. Vgl. das hochdeutsche
Anleite, Haltaus, Gloss. S. 34.
49 Lex Rib. 66, 1: quod si verbis non dixerint (al. direxerint) omne repeti-
cione cum legis beneficium studiat reformare et unusquisque de iuratoribus 15 sol.
culp. iud. Lex Rib. 68, 3: aut si non dixerit (direxerit verbum), tam ipse quam
coniuratores sui, qui iurare coeperint, cum 15 sol. restituant. Dieselbe Be-
deutung wie verbum dirigere oder dicere hat wohl die sprachlich nicht erklärte
Formel der Urk. Pertz, Dipl. M. Nr. 49 v. J. 679: tam ipse quam et hamediae (ha-
medja, der Eidhelfer) suae diliguas eorum derexsissint, der Cartae Senon. 17. 21.
22: et delinguas eorum legibus direxerant.
50 Siegel, GV S. 230.
51 Lex Alam. B. 6, 4: ut illi coniuratores manus suas super capsam ponant
et ille solus, cui causa requiritur, verba tantum dicat et super omnium manus
manum suam ponat, ut sic illi Deus adiuvet vel illae reliquiae ad illas manus quas
comprehensas habet ...
52 Der Eidstaber gebietet: tredet herby gy kerls und holdet de finger op das
schwerd unde holdet se nicht dar wedder aff, eher idt juw geheten werd. See-
stern-Pauly
, Die Neumünsterschen Kirchspielsgebräuche 1824, S. 32.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 28

§ 108. Das Beweisverfahren.
bei den Friesen lâde, lêde, Leite oder lêdêth, die Reinigung ags.
ládian48.

Für die Ablegung des Eides bestand strenger Formenzwang. Ein
Fehler im Worte, eine unrichtige Bewegung, z. B. vorzeitiges Senken
oder Wegziehen der Schwurhand, machte beweisfällig. Der Eid war
dann kein idoneum sacramentum, wie die Partei es dem Gegner
schuldete. Der miſslungene Eid machte nach älterem Rechte den
Hauptmann und die Eidhelfer buſsfällig gleich dem Meineid49.

Die Form der Eideshilfe bringt die Gemeinschaft und Solidarität
des Eides zu deutlichem Ausdruck. Die Eidhelfer sind mit dem Haupt-
mann durch Handreichung oder Handberührung verbunden. Althoch-
deutsche Glossen übersetzen coniuratio durch hantreichida, con-
iurare durch gahantreichan50. Nach einem Zusatz zur Lex Alaman-
norum legen die Helfer insgesamt die Schwurhände auf die Reliquien,
während der Schwörende seine Hand auf ihre Hände legt51. In Hol-
stein müssen noch im siebzehnten Jahrhundert bei dem selbzwölft ge-
schworenen Waffeneide der Hauptmann und sämtliche Helfer die
Finger auf das Schwert legen52.

Haben die Schwörenden die erforderliche Haltung und Stellung
eingenommen, so findet die Eidstabung statt. Zuerst schwört der
Hauptmann. Dann leisten die Eidhelfer den Folgeeid. Sie leisten ihn
nach älterem Rechte mit gesamtem Munde, indem sie gemeinsam die
Formel des Folgeeides sprechen, deren Schluſswort: sie Deus nos ad-
juvet, sie als Gesamtheit zusammenfaſst. Die in den Quellen der
fränkischen Zeit überlieferten Formeln des Folgeeides stellen sich als

48 Schmid, Ges. der Ags. S. 620. Rh. WB S. 887 ff. Vgl. das hochdeutsche
Anleite, Haltaus, Gloss. S. 34.
49 Lex Rib. 66, 1: quod si verbis non dixerint (al. direxerint) omne repeti-
cione cum legis beneficium studiat reformare et unusquisque de iuratoribus 15 sol.
culp. iud. Lex Rib. 68, 3: aut si non dixerit (direxerit verbum), tam ipse quam
coniuratores sui, qui iurare coeperint, cum 15 sol. restituant. Dieselbe Be-
deutung wie verbum dirigere oder dicere hat wohl die sprachlich nicht erklärte
Formel der Urk. Pertz, Dipl. M. Nr. 49 v. J. 679: tam ipse quam et hamediae (ha-
mêdja, der Eidhelfer) suae diliguas eorum derexsissint, der Cartae Senon. 17. 21.
22: et delinguas eorum legibus direxerant.
50 Siegel, GV S. 230.
51 Lex Alam. B. 6, 4: ut illi coniuratores manus suas super capsam ponant
et ille solus, cui causa requiritur, verba tantum dicat et super omnium manus
manum suam ponat, ut sic illi Deus adiuvet vel illae reliquiae ad illas manus quas
comprehensas habet …
52 Der Eidstaber gebietet: tredet herby gy kerls und holdet de finger op das
schwerd unde holdet se nicht dar wedder aff, eher idt juw geheten werd. See-
stern-Pauly
, Die Neumünsterschen Kirchspielsgebräuche 1824, S. 32.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 28
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[433/0451] § 108. Das Beweisverfahren. bei den Friesen lâde, lêde, Leite oder lêdêth, die Reinigung ags. ládian 48. Für die Ablegung des Eides bestand strenger Formenzwang. Ein Fehler im Worte, eine unrichtige Bewegung, z. B. vorzeitiges Senken oder Wegziehen der Schwurhand, machte beweisfällig. Der Eid war dann kein idoneum sacramentum, wie die Partei es dem Gegner schuldete. Der miſslungene Eid machte nach älterem Rechte den Hauptmann und die Eidhelfer buſsfällig gleich dem Meineid 49. Die Form der Eideshilfe bringt die Gemeinschaft und Solidarität des Eides zu deutlichem Ausdruck. Die Eidhelfer sind mit dem Haupt- mann durch Handreichung oder Handberührung verbunden. Althoch- deutsche Glossen übersetzen coniuratio durch hantreichida, con- iurare durch gahantreichan 50. Nach einem Zusatz zur Lex Alaman- norum legen die Helfer insgesamt die Schwurhände auf die Reliquien, während der Schwörende seine Hand auf ihre Hände legt 51. In Hol- stein müssen noch im siebzehnten Jahrhundert bei dem selbzwölft ge- schworenen Waffeneide der Hauptmann und sämtliche Helfer die Finger auf das Schwert legen 52. Haben die Schwörenden die erforderliche Haltung und Stellung eingenommen, so findet die Eidstabung statt. Zuerst schwört der Hauptmann. Dann leisten die Eidhelfer den Folgeeid. Sie leisten ihn nach älterem Rechte mit gesamtem Munde, indem sie gemeinsam die Formel des Folgeeides sprechen, deren Schluſswort: sie Deus nos ad- juvet, sie als Gesamtheit zusammenfaſst. Die in den Quellen der fränkischen Zeit überlieferten Formeln des Folgeeides stellen sich als 48 Schmid, Ges. der Ags. S. 620. Rh. WB S. 887 ff. Vgl. das hochdeutsche Anleite, Haltaus, Gloss. S. 34. 49 Lex Rib. 66, 1: quod si verbis non dixerint (al. direxerint) omne repeti- cione cum legis beneficium studiat reformare et unusquisque de iuratoribus 15 sol. culp. iud. Lex Rib. 68, 3: aut si non dixerit (direxerit verbum), tam ipse quam coniuratores sui, qui iurare coeperint, cum 15 sol. restituant. Dieselbe Be- deutung wie verbum dirigere oder dicere hat wohl die sprachlich nicht erklärte Formel der Urk. Pertz, Dipl. M. Nr. 49 v. J. 679: tam ipse quam et hamediae (ha- mêdja, der Eidhelfer) suae diliguas eorum derexsissint, der Cartae Senon. 17. 21. 22: et delinguas eorum legibus direxerant. 50 Siegel, GV S. 230. 51 Lex Alam. B. 6, 4: ut illi coniuratores manus suas super capsam ponant et ille solus, cui causa requiritur, verba tantum dicat et super omnium manus manum suam ponat, ut sic illi Deus adiuvet vel illae reliquiae ad illas manus quas comprehensas habet … 52 Der Eidstaber gebietet: tredet herby gy kerls und holdet de finger op das schwerd unde holdet se nicht dar wedder aff, eher idt juw geheten werd. See- stern-Pauly, Die Neumünsterschen Kirchspielsgebräuche 1824, S. 32. Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 28

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/451>, abgerufen am 22.11.2024.