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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 106. Die Gottesurteile.
gänzungsband II 493 ff. Derselbe, Erbenfolge der ostgermanischen Rechte 1891,
S. 163. 167. Brandt, Forelaesninger II 271. Hertzberg, Grundtraekkene
S. 269 f. v. Amira, Altnorweg. Vollstreckungsverfahren S. 290 ff. Steenstrup
Normannerne IV 218 (1882). Pappenheim, Die altdänischen Schutzgilden 1885,
S. 22 ff. Proost, Recherches sur la legislation des jugements de Dieu, principale-
ment en Belgique 1864. Hildenbrand, Die purgatio canonica und vulgaris 1841.
Müllenhoff, Über altdeutsche Loosung und Weissagung 1852. Baist, Der ge-
richtliche Zweikampf nach seinem Ursprung und im Rolandslied 1890. Barret,
L'epreuve de l'eau froide en Normandie, Alencon 1886.

Die Gottesurteile, deren Gebrauch sich für die fränkische Zeit
entweder quellenmässig nachweisen oder durch Rückschlüsse aus den
Rechtszuständen der folgenden Periode feststellen lässt, sind die in
der Befragung der Elemente bestehenden Feuer- und Wasserordalien,
das Bahrrecht, der Probebissen, das Loosordal, der Zweikampf und
die Kreuzprobe. Man kann sie in einseitige und zweiseitige Ordalien
einteilen, je nachdem nur der Beweisführer oder aber die beiden
gegnerischen Parteien die massgebende Ordalhandlung vornehmen.
Zweiseitig sind ihrem Wesen nach der Zweikampf und die Kreuzprobe,
einseitig die übrigen, von welchen nur das Loosordal neben der ein-
seitigen auch eine zweiseitige Anwendung duldet 1.

Auf arischer Grundlage erwachsen, waren die Gottesurteile einst
eine gemeingermanische Institution 2. Nichtsdestoweniger weisen die
Rechte der fränkischen und der nachfränkischen Zeit hinsichtlich der
Ordalien weitgehende Verschiedenheiten auf. Man glaubt deshalb
ihren germanischen Ursprung bestreiten oder bezweifeln zu müssen 3.
Mit Unrecht. Denn die Verschiedenheiten erklären sich zum grossen

1 Zweiseitigen Charakter hat das Los bei der Verlosung der Kämpen nach
altbairischem Rechte. Siehe unten § 108.
2 Siehe oben I 182. Der geschichtliche Zusammenhang mit den Ordalien
anderer arischer Völker ist inzwischen von Kaegi a. O. klargestellt worden. Die
Verwandtschaft, welche einzelne Ordalien, so insbesondere das Tragen des glühenden
Eisens, die Wasserprobe, die Probe des geweihten Bissens, der Kesselfang und
die indische Probe mit dem heissen Goldstück, im germanischen Rechte und bei
den Indern aufweisen, ist eine so auffallende, dass an einem uralten gemeinsamen
Ausgangspunkte religiöser Natur nicht gezweifelt werden kann. Der arische Ur-
sprung der germanischen Ordalien schliesst selbstverständlich nicht aus, dass an-
dere Völker, unabhängig von den Ariern, Gottesurteile ausgebildet haben.
3 So insbesondere v. Amira, Recht S. 197. Wenn dieser meint, dass den
Germanen die Voraussetzungen des Ordalglaubens fehlten, weil ihre Götter weder
für allwissend noch für wahrhaftig galten, so träfe dieser Einwand auch die Orakel
insgemein und die Ordalien der Griechen, deren Götter den germanischen in Lug
und Trug überlegen sind. Übrigens gestattet die teilweise entartete nordische
Mythologie keinen sicheren Rückschluss auf die altgermanische.

§ 106. Die Gottesurteile.
gänzungsband II 493 ff. Derselbe, Erbenfolge der ostgermanischen Rechte 1891,
S. 163. 167. Brandt, Forelæsninger II 271. Hertzberg, Grundtrækkene
S. 269 f. v. Amira, Altnorweg. Vollstreckungsverfahren S. 290 ff. Steenstrup
Normannerne IV 218 (1882). Pappenheim, Die altdänischen Schutzgilden 1885,
S. 22 ff. Proost, Recherches sur la législation des jugements de Dieu, principale-
ment en Belgique 1864. Hildenbrand, Die purgatio canonica und vulgaris 1841.
Müllenhoff, Über altdeutsche Loosung und Weissagung 1852. Baist, Der ge-
richtliche Zweikampf nach seinem Ursprung und im Rolandslied 1890. Barret,
L’épreuve de l’eau froide en Normandie, Alençon 1886.

Die Gottesurteile, deren Gebrauch sich für die fränkische Zeit
entweder quellenmäſsig nachweisen oder durch Rückschlüsse aus den
Rechtszuständen der folgenden Periode feststellen läſst, sind die in
der Befragung der Elemente bestehenden Feuer- und Wasserordalien,
das Bahrrecht, der Probebissen, das Loosordal, der Zweikampf und
die Kreuzprobe. Man kann sie in einseitige und zweiseitige Ordalien
einteilen, je nachdem nur der Beweisführer oder aber die beiden
gegnerischen Parteien die maſsgebende Ordalhandlung vornehmen.
Zweiseitig sind ihrem Wesen nach der Zweikampf und die Kreuzprobe,
einseitig die übrigen, von welchen nur das Loosordal neben der ein-
seitigen auch eine zweiseitige Anwendung duldet 1.

Auf arischer Grundlage erwachsen, waren die Gottesurteile einst
eine gemeingermanische Institution 2. Nichtsdestoweniger weisen die
Rechte der fränkischen und der nachfränkischen Zeit hinsichtlich der
Ordalien weitgehende Verschiedenheiten auf. Man glaubt deshalb
ihren germanischen Ursprung bestreiten oder bezweifeln zu müssen 3.
Mit Unrecht. Denn die Verschiedenheiten erklären sich zum groſsen

1 Zweiseitigen Charakter hat das Los bei der Verlosung der Kämpen nach
altbairischem Rechte. Siehe unten § 108.
2 Siehe oben I 182. Der geschichtliche Zusammenhang mit den Ordalien
anderer arischer Völker ist inzwischen von Kaegi a. O. klargestellt worden. Die
Verwandtschaft, welche einzelne Ordalien, so insbesondere das Tragen des glühenden
Eisens, die Wasserprobe, die Probe des geweihten Bissens, der Kesselfang und
die indische Probe mit dem heiſsen Goldstück, im germanischen Rechte und bei
den Indern aufweisen, ist eine so auffallende, daſs an einem uralten gemeinsamen
Ausgangspunkte religiöser Natur nicht gezweifelt werden kann. Der arische Ur-
sprung der germanischen Ordalien schlieſst selbstverständlich nicht aus, daſs an-
dere Völker, unabhängig von den Ariern, Gottesurteile ausgebildet haben.
3 So insbesondere v. Amira, Recht S. 197. Wenn dieser meint, daſs den
Germanen die Voraussetzungen des Ordalglaubens fehlten, weil ihre Götter weder
für allwissend noch für wahrhaftig galten, so träfe dieser Einwand auch die Orakel
insgemein und die Ordalien der Griechen, deren Götter den germanischen in Lug
und Trug überlegen sind. Übrigens gestattet die teilweise entartete nordische
Mythologie keinen sicheren Rückschluſs auf die altgermanische.
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[400/0418] § 106. Die Gottesurteile. gänzungsband II 493 ff. Derselbe, Erbenfolge der ostgermanischen Rechte 1891, S. 163. 167. Brandt, Forelæsninger II 271. Hertzberg, Grundtrækkene S. 269 f. v. Amira, Altnorweg. Vollstreckungsverfahren S. 290 ff. Steenstrup Normannerne IV 218 (1882). Pappenheim, Die altdänischen Schutzgilden 1885, S. 22 ff. Proost, Recherches sur la législation des jugements de Dieu, principale- ment en Belgique 1864. Hildenbrand, Die purgatio canonica und vulgaris 1841. Müllenhoff, Über altdeutsche Loosung und Weissagung 1852. Baist, Der ge- richtliche Zweikampf nach seinem Ursprung und im Rolandslied 1890. Barret, L’épreuve de l’eau froide en Normandie, Alençon 1886. Die Gottesurteile, deren Gebrauch sich für die fränkische Zeit entweder quellenmäſsig nachweisen oder durch Rückschlüsse aus den Rechtszuständen der folgenden Periode feststellen läſst, sind die in der Befragung der Elemente bestehenden Feuer- und Wasserordalien, das Bahrrecht, der Probebissen, das Loosordal, der Zweikampf und die Kreuzprobe. Man kann sie in einseitige und zweiseitige Ordalien einteilen, je nachdem nur der Beweisführer oder aber die beiden gegnerischen Parteien die maſsgebende Ordalhandlung vornehmen. Zweiseitig sind ihrem Wesen nach der Zweikampf und die Kreuzprobe, einseitig die übrigen, von welchen nur das Loosordal neben der ein- seitigen auch eine zweiseitige Anwendung duldet 1. Auf arischer Grundlage erwachsen, waren die Gottesurteile einst eine gemeingermanische Institution 2. Nichtsdestoweniger weisen die Rechte der fränkischen und der nachfränkischen Zeit hinsichtlich der Ordalien weitgehende Verschiedenheiten auf. Man glaubt deshalb ihren germanischen Ursprung bestreiten oder bezweifeln zu müssen 3. Mit Unrecht. Denn die Verschiedenheiten erklären sich zum groſsen 1 Zweiseitigen Charakter hat das Los bei der Verlosung der Kämpen nach altbairischem Rechte. Siehe unten § 108. 2 Siehe oben I 182. Der geschichtliche Zusammenhang mit den Ordalien anderer arischer Völker ist inzwischen von Kaegi a. O. klargestellt worden. Die Verwandtschaft, welche einzelne Ordalien, so insbesondere das Tragen des glühenden Eisens, die Wasserprobe, die Probe des geweihten Bissens, der Kesselfang und die indische Probe mit dem heiſsen Goldstück, im germanischen Rechte und bei den Indern aufweisen, ist eine so auffallende, daſs an einem uralten gemeinsamen Ausgangspunkte religiöser Natur nicht gezweifelt werden kann. Der arische Ur- sprung der germanischen Ordalien schlieſst selbstverständlich nicht aus, daſs an- dere Völker, unabhängig von den Ariern, Gottesurteile ausgebildet haben. 3 So insbesondere v. Amira, Recht S. 197. Wenn dieser meint, daſs den Germanen die Voraussetzungen des Ordalglaubens fehlten, weil ihre Götter weder für allwissend noch für wahrhaftig galten, so träfe dieser Einwand auch die Orakel insgemein und die Ordalien der Griechen, deren Götter den germanischen in Lug und Trug überlegen sind. Übrigens gestattet die teilweise entartete nordische Mythologie keinen sicheren Rückschluſs auf die altgermanische.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/418>, abgerufen am 25.11.2024.