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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 105. Der Zeugeneid.

Die Eigenschaften, die das Recht von den Zeugen verlangt, sind
verschieden bei den verschiedenen Arten von Zeugen. Schlechtweg
gilt das Erfordernis der Freiheit 24. Knechte sind ausgeschlossen 25, sofern
ihnen nicht eine privilegierte Zeugnisfähigkeit verliehen ist 26. Frei-
gelassene werden bei den Burgundern nur subsidiär 27, bei den Franken
wenigstens nicht gegen Freie zugelassen 28. Ausgeschlossen sind Weiber
und Unmündige 29, eidesunwürdige 30, bescholtene 31 und rechtlose 32
Personen. Weiter gehen die Erfordernisse bei dem Gemeindezeugnis.
Von den Gemeindezeugen wird Gaugenossenschaft und Nachbarschaft 33
verlangt, ausserdem aber auch der Besitz eines bestimmten Vermögens.
Das Recht der Baiern und der Langobarden fordert den Nachweis
eines der Zeugenbusse entsprechenden Vermögens, zwölf Solidi bei
den Baiern, die Wergeldsumme bei den Langobarden 34. Das fränkische
Reichsrecht lässt den Gemeindezeugen nur zu, wenn er Grundeigentum
hat 35. Jüngere friesische Quellen setzen bei dem Zeugnis über un-

coutume, die nicht mehr gelte, mais le quele soloit courre. Jetzt halte man es
anders, car cil qui furent a le coze fere ou qui l'oirent recorder, sont oy en tes-
mognage. Bei sehr bescheidenem Aufwand, ich will nicht sagen von Gelehrsam-
keit, sondern von Aufmerksamkeit, kann die Stelle nicht anders verstanden wer-
den, als ich sie verstanden habe.
24 Nach langobardischem Rechte erklären die laudatores von den Zeugen:
quod liberi sunt. Placiti forma glossata LL IV 603.
25 Cap. Papiensia in legem data v. J. 855, c. 1, II 89.
26 Wie nach Lex Burg. 60, 3 den Königsknechten.
27 Lex Burg. 60, 2: libertos, si competens ingenuorum numerus defuerit, pati-
mur testimonium perhibere.
28 Benedictus Levita schliesst in VI 159. 352 das Zeugnis der liberti und
ihrer Nachkommen bis zur dritten Generation aus. Die Stelle stammt aus Lex
Wisig. V 7, 12. Doch ist die Ausschliessung der Nachkommen selbständige Zu-
that Benedicts und scheint sie dem fränkischen Rechte zu entsprechen. Vgl. Cap.
legi Rib. add. v. J. 803, c. 9, I 118.
29 Arg. Admon. gen. v. J. 789, c. 64, I 58.
30 Siehe oben S. 390 f., Anm. 89. 90.
31 Lex Burg. 99, 3. Cap. legg. add. v. J. 803, c. 11, I 114. Cap. Papiensia
in legem data v. J. 855, c. 1, II 89.
32 Cap. Aquisgr. v. J. 809, c. 1, I 148. Cap. cit. miss. c. 28, I 151.
33 Cap. miss. Theod. v. J. 805, c. 11, I 124. Lex Sax. 39. Cap. legi add.
v. J. 816, c. 1, I 268. Cap. legibus add. v. J. 818/9, c. 10, I 283.
34 Sohm, Reichs- und Gerichtsverf. S. 356. Cap. Olonn. mund. v. J. 825,
c. 7, I 330. Von den langob. Zeugen müssen die laudatores feststellen, quod ..
widrigeld et proprium habent. Siehe oben Anm. 24.
35 Cap. Worm. pro leg. hab. v. J. 829, c. 6, II 19. Den Hintersassen der
Kirche von Como verlieh Karl der Grosse die Zeugnisfähigkeit durch ein Privileg,
auf welches sich die Urk. Salvioli, Ann. Bologn. App. Ib 35, Nr. 20, v. J. 901
bezieht.
§ 105. Der Zeugeneid.

Die Eigenschaften, die das Recht von den Zeugen verlangt, sind
verschieden bei den verschiedenen Arten von Zeugen. Schlechtweg
gilt das Erfordernis der Freiheit 24. Knechte sind ausgeschlossen 25, sofern
ihnen nicht eine privilegierte Zeugnisfähigkeit verliehen ist 26. Frei-
gelassene werden bei den Burgundern nur subsidiär 27, bei den Franken
wenigstens nicht gegen Freie zugelassen 28. Ausgeschlossen sind Weiber
und Unmündige 29, eidesunwürdige 30, bescholtene 31 und rechtlose 32
Personen. Weiter gehen die Erfordernisse bei dem Gemeindezeugnis.
Von den Gemeindezeugen wird Gaugenossenschaft und Nachbarschaft 33
verlangt, auſserdem aber auch der Besitz eines bestimmten Vermögens.
Das Recht der Baiern und der Langobarden fordert den Nachweis
eines der Zeugenbuſse entsprechenden Vermögens, zwölf Solidi bei
den Baiern, die Wergeldsumme bei den Langobarden 34. Das fränkische
Reichsrecht läſst den Gemeindezeugen nur zu, wenn er Grundeigentum
hat 35. Jüngere friesische Quellen setzen bei dem Zeugnis über un-

coutume, die nicht mehr gelte, mais le quele soloit courre. Jetzt halte man es
anders, car cil qui furent à le coze fere ou qui l’oirent recorder, sont oy en tes-
mognage. Bei sehr bescheidenem Aufwand, ich will nicht sagen von Gelehrsam-
keit, sondern von Aufmerksamkeit, kann die Stelle nicht anders verstanden wer-
den, als ich sie verstanden habe.
24 Nach langobardischem Rechte erklären die laudatores von den Zeugen:
quod liberi sunt. Placiti forma glossata LL IV 603.
25 Cap. Papiensia in legem data v. J. 855, c. 1, II 89.
26 Wie nach Lex Burg. 60, 3 den Königsknechten.
27 Lex Burg. 60, 2: libertos, si competens ingenuorum numerus defuerit, pati-
mur testimonium perhibere.
28 Benedictus Levita schlieſst in VI 159. 352 das Zeugnis der liberti und
ihrer Nachkommen bis zur dritten Generation aus. Die Stelle stammt aus Lex
Wisig. V 7, 12. Doch ist die Ausschlieſsung der Nachkommen selbständige Zu-
that Benedicts und scheint sie dem fränkischen Rechte zu entsprechen. Vgl. Cap.
legi Rib. add. v. J. 803, c. 9, I 118.
29 Arg. Admon. gen. v. J. 789, c. 64, I 58.
30 Siehe oben S. 390 f., Anm. 89. 90.
31 Lex Burg. 99, 3. Cap. legg. add. v. J. 803, c. 11, I 114. Cap. Papiensia
in legem data v. J. 855, c. 1, II 89.
32 Cap. Aquisgr. v. J. 809, c. 1, I 148. Cap. cit. miss. c. 28, I 151.
33 Cap. miss. Theod. v. J. 805, c. 11, I 124. Lex Sax. 39. Cap. legi add.
v. J. 816, c. 1, I 268. Cap. legibus add. v. J. 818/9, c. 10, I 283.
34 Sohm, Reichs- und Gerichtsverf. S. 356. Cap. Olonn. mund. v. J. 825,
c. 7, I 330. Von den langob. Zeugen müssen die laudatores feststellen, quod ..
widrigeld et proprium habent. Siehe oben Anm. 24.
35 Cap. Worm. pro leg. hab. v. J. 829, c. 6, II 19. Den Hintersassen der
Kirche von Como verlieh Karl der Groſse die Zeugnisfähigkeit durch ein Privileg,
auf welches sich die Urk. Salvioli, Ann. Bologn. App. Ib 35, Nr. 20, v. J. 901
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[396/0414] § 105. Der Zeugeneid. Die Eigenschaften, die das Recht von den Zeugen verlangt, sind verschieden bei den verschiedenen Arten von Zeugen. Schlechtweg gilt das Erfordernis der Freiheit 24. Knechte sind ausgeschlossen 25, sofern ihnen nicht eine privilegierte Zeugnisfähigkeit verliehen ist 26. Frei- gelassene werden bei den Burgundern nur subsidiär 27, bei den Franken wenigstens nicht gegen Freie zugelassen 28. Ausgeschlossen sind Weiber und Unmündige 29, eidesunwürdige 30, bescholtene 31 und rechtlose 32 Personen. Weiter gehen die Erfordernisse bei dem Gemeindezeugnis. Von den Gemeindezeugen wird Gaugenossenschaft und Nachbarschaft 33 verlangt, auſserdem aber auch der Besitz eines bestimmten Vermögens. Das Recht der Baiern und der Langobarden fordert den Nachweis eines der Zeugenbuſse entsprechenden Vermögens, zwölf Solidi bei den Baiern, die Wergeldsumme bei den Langobarden 34. Das fränkische Reichsrecht läſst den Gemeindezeugen nur zu, wenn er Grundeigentum hat 35. Jüngere friesische Quellen setzen bei dem Zeugnis über un- 23 24 Nach langobardischem Rechte erklären die laudatores von den Zeugen: quod liberi sunt. Placiti forma glossata LL IV 603. 25 Cap. Papiensia in legem data v. J. 855, c. 1, II 89. 26 Wie nach Lex Burg. 60, 3 den Königsknechten. 27 Lex Burg. 60, 2: libertos, si competens ingenuorum numerus defuerit, pati- mur testimonium perhibere. 28 Benedictus Levita schlieſst in VI 159. 352 das Zeugnis der liberti und ihrer Nachkommen bis zur dritten Generation aus. Die Stelle stammt aus Lex Wisig. V 7, 12. Doch ist die Ausschlieſsung der Nachkommen selbständige Zu- that Benedicts und scheint sie dem fränkischen Rechte zu entsprechen. Vgl. Cap. legi Rib. add. v. J. 803, c. 9, I 118. 29 Arg. Admon. gen. v. J. 789, c. 64, I 58. 30 Siehe oben S. 390 f., Anm. 89. 90. 31 Lex Burg. 99, 3. Cap. legg. add. v. J. 803, c. 11, I 114. Cap. Papiensia in legem data v. J. 855, c. 1, II 89. 32 Cap. Aquisgr. v. J. 809, c. 1, I 148. Cap. cit. miss. c. 28, I 151. 33 Cap. miss. Theod. v. J. 805, c. 11, I 124. Lex Sax. 39. Cap. legi add. v. J. 816, c. 1, I 268. Cap. legibus add. v. J. 818/9, c. 10, I 283. 34 Sohm, Reichs- und Gerichtsverf. S. 356. Cap. Olonn. mund. v. J. 825, c. 7, I 330. Von den langob. Zeugen müssen die laudatores feststellen, quod .. widrigeld et proprium habent. Siehe oben Anm. 24. 35 Cap. Worm. pro leg. hab. v. J. 829, c. 6, II 19. Den Hintersassen der Kirche von Como verlieh Karl der Groſse die Zeugnisfähigkeit durch ein Privileg, auf welches sich die Urk. Salvioli, Ann. Bologn. App. Ib 35, Nr. 20, v. J. 901 bezieht. 23 coutume, die nicht mehr gelte, mais le quele soloit courre. Jetzt halte man es anders, car cil qui furent à le coze fere ou qui l’oirent recorder, sont oy en tes- mognage. Bei sehr bescheidenem Aufwand, ich will nicht sagen von Gelehrsam- keit, sondern von Aufmerksamkeit, kann die Stelle nicht anders verstanden wer- den, als ich sie verstanden habe.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/414>, abgerufen am 22.11.2024.