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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 96. Die Kirche.
so nahmen doch auch die weltlichen Grossen an der Beschlussfassung
teil. Wie jeder Beschluss der Reichsversammlungen, bedürfen die
Synodalbeschlüsse der königlichen Sanktion. Doch ist der König
befugt, ohne Reichstag und Synode kirchliche Normen zu setzen. Die
kirchliche Gesetzgebung ist Königsrecht; ihre wichtigste Quelle bil-
den die capitula ecclesiastica18. Ob und wie weit das kirchliche Recht
die weltlichen Kreise binden soll, hängt von der Anordnung des Königs
ab. Fehlt eine solche Anordnung, so gilt es nur für den Bereich der
Kirche. Vereinzelt sind Vorschriften kirchlichen Inhalts durch die
Aufnahme in die capitula legibus addenda Volksrecht geworden.

Das Recht der Besetzung der Bistümer19, wie sie es als Haus-
meier geübt und bei Durchführung der Kirchenreform mit Zustim-
mung der Kirche gehandhabt hatten20, hielten die Karolinger auch als
Könige fest, indem sie ihm eine noch schärfere Ausprägung gaben.
Die Wahl des Bischofs durch Klerus und Volk bildet die Ausnahme
und greift Platz, wenn die betreffende Kirche ein Wahlprivilegium des
Königs besitzt oder wenn der König für den Einzelfall eine Wahl
gestattet und anordnet. Aber auch diesfalls bestimmt der König die
Wahlkommissäre und ist seine Bestätigung erforderlich. Verweigert
er sie, so tritt sein einseitiges Ernennungsrecht in Kraft. Schon unter
Ludwig dem Deutschen wird es als hergebrachte Übung bezeichnet,
dass der König das Bistum durch Darreichung des Bischofsstabes über-
trägt21, sodass die ersten Anfänge jener Investiturform, die nachmals
den bekannten Investiturstreit veranlasste, bis in die karolingische
Zeit zurückreichen.

Bischöfe und Äbte gelten für königliche Beamte22 und sind in

18 Siehe oben I 377. Dem Gesetzgebungsrechte des Königs thut es natürlich
keinen Eintrag, dass Karl gleich seinen Vorfahren bestrebt war, die kirchlichen
Verhältnisse auf Grund der älteren Canones und im Einklang mit der römischen
Praxis zu regeln. Vgl. Hinschius, Kirchenrecht III 712.
19 Hinschius, Kirchenrecht II 522 ff.
20 Karlmann erklärt in dem Cap. v. J. 742, c. 1, I 25: ordinavimus per civitates
episcopos et constituimus super eos archiepiscopum Bonifatium. Ähnlich Pippin
im Cap. Suession. v. J. 744, c. 3, I 29: constituimus .. et ordinavimus per civitates
legitimos episcopos; idcirco constituemus super eos archiepiscopos Abel et
Ardobertum.
21 Nach dem Tode Anskars i. J. 865 erhielt sein Nachfolger Rimbert das
Bistum Bremen von Ludwig dem Deutschen cum pontificalis baculi iuxta morem com-
mendatione. Vita Rimberti, MG SS II 770, c. 11. Dümmler, Gesch. des ost-
fränk. Reiches II 126.
22 Auch das bischöfliche, überhaupt das geistliche Amt heisst honor. So in
Cap. 802, c. 19, I 95.

§ 96. Die Kirche.
so nahmen doch auch die weltlichen Groſsen an der Beschluſsfassung
teil. Wie jeder Beschluſs der Reichsversammlungen, bedürfen die
Synodalbeschlüsse der königlichen Sanktion. Doch ist der König
befugt, ohne Reichstag und Synode kirchliche Normen zu setzen. Die
kirchliche Gesetzgebung ist Königsrecht; ihre wichtigste Quelle bil-
den die capitula ecclesiastica18. Ob und wie weit das kirchliche Recht
die weltlichen Kreise binden soll, hängt von der Anordnung des Königs
ab. Fehlt eine solche Anordnung, so gilt es nur für den Bereich der
Kirche. Vereinzelt sind Vorschriften kirchlichen Inhalts durch die
Aufnahme in die capitula legibus addenda Volksrecht geworden.

Das Recht der Besetzung der Bistümer19, wie sie es als Haus-
meier geübt und bei Durchführung der Kirchenreform mit Zustim-
mung der Kirche gehandhabt hatten20, hielten die Karolinger auch als
Könige fest, indem sie ihm eine noch schärfere Ausprägung gaben.
Die Wahl des Bischofs durch Klerus und Volk bildet die Ausnahme
und greift Platz, wenn die betreffende Kirche ein Wahlprivilegium des
Königs besitzt oder wenn der König für den Einzelfall eine Wahl
gestattet und anordnet. Aber auch diesfalls bestimmt der König die
Wahlkommissäre und ist seine Bestätigung erforderlich. Verweigert
er sie, so tritt sein einseitiges Ernennungsrecht in Kraft. Schon unter
Ludwig dem Deutschen wird es als hergebrachte Übung bezeichnet,
daſs der König das Bistum durch Darreichung des Bischofsstabes über-
trägt21, sodaſs die ersten Anfänge jener Investiturform, die nachmals
den bekannten Investiturstreit veranlaſste, bis in die karolingische
Zeit zurückreichen.

Bischöfe und Äbte gelten für königliche Beamte22 und sind in

18 Siehe oben I 377. Dem Gesetzgebungsrechte des Königs thut es natürlich
keinen Eintrag, daſs Karl gleich seinen Vorfahren bestrebt war, die kirchlichen
Verhältnisse auf Grund der älteren Canones und im Einklang mit der römischen
Praxis zu regeln. Vgl. Hinschius, Kirchenrecht III 712.
19 Hinschius, Kirchenrecht II 522 ff.
20 Karlmann erklärt in dem Cap. v. J. 742, c. 1, I 25: ordinavimus per civitates
episcopos et constituimus super eos archiepiscopum Bonifatium. Ähnlich Pippin
im Cap. Suession. v. J. 744, c. 3, I 29: constituimus .. et ordinavimus per civitates
legitimos episcopos; idcirco constituemus super eos archiepiscopos Abel et
Ardobertum.
21 Nach dem Tode Anskars i. J. 865 erhielt sein Nachfolger Rimbert das
Bistum Bremen von Ludwig dem Deutschen cum pontificalis baculi iuxta morem com-
mendatione. Vita Rimberti, MG SS II 770, c. 11. Dümmler, Gesch. des ost-
fränk. Reiches II 126.
22 Auch das bischöfliche, überhaupt das geistliche Amt heiſst honor. So in
Cap. 802, c. 19, I 95.
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[318/0336] § 96. Die Kirche. so nahmen doch auch die weltlichen Groſsen an der Beschluſsfassung teil. Wie jeder Beschluſs der Reichsversammlungen, bedürfen die Synodalbeschlüsse der königlichen Sanktion. Doch ist der König befugt, ohne Reichstag und Synode kirchliche Normen zu setzen. Die kirchliche Gesetzgebung ist Königsrecht; ihre wichtigste Quelle bil- den die capitula ecclesiastica 18. Ob und wie weit das kirchliche Recht die weltlichen Kreise binden soll, hängt von der Anordnung des Königs ab. Fehlt eine solche Anordnung, so gilt es nur für den Bereich der Kirche. Vereinzelt sind Vorschriften kirchlichen Inhalts durch die Aufnahme in die capitula legibus addenda Volksrecht geworden. Das Recht der Besetzung der Bistümer 19, wie sie es als Haus- meier geübt und bei Durchführung der Kirchenreform mit Zustim- mung der Kirche gehandhabt hatten 20, hielten die Karolinger auch als Könige fest, indem sie ihm eine noch schärfere Ausprägung gaben. Die Wahl des Bischofs durch Klerus und Volk bildet die Ausnahme und greift Platz, wenn die betreffende Kirche ein Wahlprivilegium des Königs besitzt oder wenn der König für den Einzelfall eine Wahl gestattet und anordnet. Aber auch diesfalls bestimmt der König die Wahlkommissäre und ist seine Bestätigung erforderlich. Verweigert er sie, so tritt sein einseitiges Ernennungsrecht in Kraft. Schon unter Ludwig dem Deutschen wird es als hergebrachte Übung bezeichnet, daſs der König das Bistum durch Darreichung des Bischofsstabes über- trägt 21, sodaſs die ersten Anfänge jener Investiturform, die nachmals den bekannten Investiturstreit veranlaſste, bis in die karolingische Zeit zurückreichen. Bischöfe und Äbte gelten für königliche Beamte 22 und sind in 18 Siehe oben I 377. Dem Gesetzgebungsrechte des Königs thut es natürlich keinen Eintrag, daſs Karl gleich seinen Vorfahren bestrebt war, die kirchlichen Verhältnisse auf Grund der älteren Canones und im Einklang mit der römischen Praxis zu regeln. Vgl. Hinschius, Kirchenrecht III 712. 19 Hinschius, Kirchenrecht II 522 ff. 20 Karlmann erklärt in dem Cap. v. J. 742, c. 1, I 25: ordinavimus per civitates episcopos et constituimus super eos archiepiscopum Bonifatium. Ähnlich Pippin im Cap. Suession. v. J. 744, c. 3, I 29: constituimus .. et ordinavimus per civitates legitimos episcopos; idcirco constituemus super eos archiepiscopos Abel et Ardobertum. 21 Nach dem Tode Anskars i. J. 865 erhielt sein Nachfolger Rimbert das Bistum Bremen von Ludwig dem Deutschen cum pontificalis baculi iuxta morem com- mendatione. Vita Rimberti, MG SS II 770, c. 11. Dümmler, Gesch. des ost- fränk. Reiches II 126. 22 Auch das bischöfliche, überhaupt das geistliche Amt heiſst honor. So in Cap. 802, c. 19, I 95.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/336>, abgerufen am 22.11.2024.