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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 94. Die Immunität.
zog es eben vor, die 'finanziellen Beziehungen zu seinen Hintersassen
in jeder Hinsicht durch den dem Gutsinteresse dienenden Domänen-
beamten' und nicht durch den öffentlichen Beamten wahrnehmen zu
lassen 18. Allerdings fehlen uns für die merowingische Zeit direkte
Aussprüche der Quellen über die Immunität des Königsgutes. Allein
sie ergiebt sich aus Formeln und Urkunden über Schenkungen könig-
licher Güter, die der König so, wie sie der Fiskus besessen, 'cum
emunitate nostra' oder 'in integra immunitate' oder 'sub emunitatis
nomine' 19 oder in einer Wortfassung zu schenken erklärt, die den
Erwerb der Immunität als Succession in die Rechte des Fiskus er-
scheinen lässt 20. Dazu kommt, dass in karolingischer Zeit die Im-
munität des Königsgutes ausser allem Zweifel steht 21 und die den
Kirchen verliehene Immunität mitunter ausdrücklich als Nachbildung
derjenigen bezeichnet wird, die dem Königsgute eigentümlich ist 22.

Die Immunität blieb nicht auf das Königsgut beschränkt. Ins-
besondere haben sie seit den Tagen Chlodovechs zahlreiche Kirchen
zu erwerben gewusst. Nach fränkischem Reichsrecht waren die Be-

18 Sohm bei Wetzell a. O. S. 361.
19 Pertz, Dipl. M. 21, v. J. 644: hec .. cum emunitate nostra visi fuimus condo-
nasse. M. 71: ipsa silva ad integrum, sicut fiscus noster fuit .. sub aemunetatis
nomene vidiat habire concessum .. M. 75: quicquid .. usque nunc ibidem fiscus
noster tenuit .. iure proprietario sub emunitatis nomene .. visi fuimus concessisse.
In Marculf I 14 schenkt der König eine villa, sicut a fisco nostro fuit possessa.
Der Beschenkte soll daher das Gut in integra emunitate .. besitzen. Schon Con-
cilium Aurelian. v. J. 511 spricht in c. 5 de agris, quos domnus noster rex eccle-
siis suo munere conferre dignatus est ... ipsorum agrorum ... inmunitate concessa.
20 In M. 25 v. J. 661 schenkt Childerich II. dem Bischof Amandus eine villa,
quam usque nunc fiscus noster tenuit ... Ipsam villam .. sicut fiscus noster ibi-
dem tenuit ac possedit .. Amandus ad opus monachorum suorum .. teneat ac
possideat. Sic igitur ... ut iam dictus pontifex de ipsa villa .. habendi, tenendi,
freda exigendi, mansiones faciendi, dandi, commutandi vel quicquid elegerint fa-
ciendi, liberam ac firmissimam per nostram auctoritatem habeat potestatem. Aus
dem Rechte, die freda zu erheben, folgt die Immunität. Jenes Recht wird unter
den übrigen Konsequenzen der Übereignung genannt. Das geschenkte Gut muss
also schon vorher immun gewesen sein. Der Inhalt der Immunität wird hier wie
in den Fällen oben Anm. 19 nicht näher bezeichnet, weil sie für das betreffende
Gut keine Neuerung war.
21 Waitz, VG IV 289. 293, Anm. 1. v. Bethmann-Hollweg, Civilprozess
V 54. Immunitas und fiscus werden in karolingischen Kapitularien einander gleich-
gestellt. Edictum Pistense v. J. 864, c. 18, Pertz, LL I 492: in fiscum nostrum
vel in quamcumque immunitatem.
22 Die Immunität wird als verliehen erklärt, wie sie den in dominio regis
befindlichen Klöstern zusteht. Siehe die Stellen bei Th. Sickel, Beiträge zur
Dipl. V 6, und Waitz, VG IV 292, Anm. 2.

§ 94. Die Immunität.
zog es eben vor, die ‘finanziellen Beziehungen zu seinen Hintersassen
in jeder Hinsicht durch den dem Gutsinteresse dienenden Domänen-
beamten’ und nicht durch den öffentlichen Beamten wahrnehmen zu
lassen 18. Allerdings fehlen uns für die merowingische Zeit direkte
Aussprüche der Quellen über die Immunität des Königsgutes. Allein
sie ergiebt sich aus Formeln und Urkunden über Schenkungen könig-
licher Güter, die der König so, wie sie der Fiskus besessen, ‘cum
emunitate nostra’ oder ‘in integra immunitate’ oder ‘sub emunitatis
nomine’ 19 oder in einer Wortfassung zu schenken erklärt, die den
Erwerb der Immunität als Succession in die Rechte des Fiskus er-
scheinen läſst 20. Dazu kommt, daſs in karolingischer Zeit die Im-
munität des Königsgutes auſser allem Zweifel steht 21 und die den
Kirchen verliehene Immunität mitunter ausdrücklich als Nachbildung
derjenigen bezeichnet wird, die dem Königsgute eigentümlich ist 22.

Die Immunität blieb nicht auf das Königsgut beschränkt. Ins-
besondere haben sie seit den Tagen Chlodovechs zahlreiche Kirchen
zu erwerben gewuſst. Nach fränkischem Reichsrecht waren die Be-

18 Sohm bei Wetzell a. O. S. 361.
19 Pertz, Dipl. M. 21, v. J. 644: hec .. cum emunitate nostra visi fuimus condo-
nasse. M. 71: ipsa silva ad integrum, sicut fiscus noster fuit .. sub aemunetatis
nomene vidiat habire concessum .. M. 75: quicquid .. usque nunc ibidem fiscus
noster tenuit .. iure proprietario sub emunitatis nomene .. visi fuimus concessisse.
In Marculf I 14 schenkt der König eine villa, sicut a fisco nostro fuit possessa.
Der Beschenkte soll daher das Gut in integra emunitate .. besitzen. Schon Con-
cilium Aurelian. v. J. 511 spricht in c. 5 de agris, quos domnus noster rex eccle-
siis suo munere conferre dignatus est … ipsorum agrorum … inmunitate concessa.
20 In M. 25 v. J. 661 schenkt Childerich II. dem Bischof Amandus eine villa,
quam usque nunc fiscus noster tenuit … Ipsam villam .. sicut fiscus noster ibi-
dem tenuit ac possedit .. Amandus ad opus monachorum suorum .. teneat ac
possideat. Sic igitur … ut iam dictus pontifex de ipsa villa .. habendi, tenendi,
freda exigendi, mansiones faciendi, dandi, commutandi vel quicquid elegerint fa-
ciendi, liberam ac firmissimam per nostram auctoritatem habeat potestatem. Aus
dem Rechte, die freda zu erheben, folgt die Immunität. Jenes Recht wird unter
den übrigen Konsequenzen der Übereignung genannt. Das geschenkte Gut muſs
also schon vorher immun gewesen sein. Der Inhalt der Immunität wird hier wie
in den Fällen oben Anm. 19 nicht näher bezeichnet, weil sie für das betreffende
Gut keine Neuerung war.
21 Waitz, VG IV 289. 293, Anm. 1. v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeſs
V 54. Immunitas und fiscus werden in karolingischen Kapitularien einander gleich-
gestellt. Edictum Pistense v. J. 864, c. 18, Pertz, LL I 492: in fiscum nostrum
vel in quamcumque immunitatem.
22 Die Immunität wird als verliehen erklärt, wie sie den in dominio regis
befindlichen Klöstern zusteht. Siehe die Stellen bei Th. Sickel, Beiträge zur
Dipl. V 6, und Waitz, VG IV 292, Anm. 2.
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[290/0308] § 94. Die Immunität. zog es eben vor, die ‘finanziellen Beziehungen zu seinen Hintersassen in jeder Hinsicht durch den dem Gutsinteresse dienenden Domänen- beamten’ und nicht durch den öffentlichen Beamten wahrnehmen zu lassen 18. Allerdings fehlen uns für die merowingische Zeit direkte Aussprüche der Quellen über die Immunität des Königsgutes. Allein sie ergiebt sich aus Formeln und Urkunden über Schenkungen könig- licher Güter, die der König so, wie sie der Fiskus besessen, ‘cum emunitate nostra’ oder ‘in integra immunitate’ oder ‘sub emunitatis nomine’ 19 oder in einer Wortfassung zu schenken erklärt, die den Erwerb der Immunität als Succession in die Rechte des Fiskus er- scheinen läſst 20. Dazu kommt, daſs in karolingischer Zeit die Im- munität des Königsgutes auſser allem Zweifel steht 21 und die den Kirchen verliehene Immunität mitunter ausdrücklich als Nachbildung derjenigen bezeichnet wird, die dem Königsgute eigentümlich ist 22. Die Immunität blieb nicht auf das Königsgut beschränkt. Ins- besondere haben sie seit den Tagen Chlodovechs zahlreiche Kirchen zu erwerben gewuſst. Nach fränkischem Reichsrecht waren die Be- 18 Sohm bei Wetzell a. O. S. 361. 19 Pertz, Dipl. M. 21, v. J. 644: hec .. cum emunitate nostra visi fuimus condo- nasse. M. 71: ipsa silva ad integrum, sicut fiscus noster fuit .. sub aemunetatis nomene vidiat habire concessum .. M. 75: quicquid .. usque nunc ibidem fiscus noster tenuit .. iure proprietario sub emunitatis nomene .. visi fuimus concessisse. In Marculf I 14 schenkt der König eine villa, sicut a fisco nostro fuit possessa. Der Beschenkte soll daher das Gut in integra emunitate .. besitzen. Schon Con- cilium Aurelian. v. J. 511 spricht in c. 5 de agris, quos domnus noster rex eccle- siis suo munere conferre dignatus est … ipsorum agrorum … inmunitate concessa. 20 In M. 25 v. J. 661 schenkt Childerich II. dem Bischof Amandus eine villa, quam usque nunc fiscus noster tenuit … Ipsam villam .. sicut fiscus noster ibi- dem tenuit ac possedit .. Amandus ad opus monachorum suorum .. teneat ac possideat. Sic igitur … ut iam dictus pontifex de ipsa villa .. habendi, tenendi, freda exigendi, mansiones faciendi, dandi, commutandi vel quicquid elegerint fa- ciendi, liberam ac firmissimam per nostram auctoritatem habeat potestatem. Aus dem Rechte, die freda zu erheben, folgt die Immunität. Jenes Recht wird unter den übrigen Konsequenzen der Übereignung genannt. Das geschenkte Gut muſs also schon vorher immun gewesen sein. Der Inhalt der Immunität wird hier wie in den Fällen oben Anm. 19 nicht näher bezeichnet, weil sie für das betreffende Gut keine Neuerung war. 21 Waitz, VG IV 289. 293, Anm. 1. v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeſs V 54. Immunitas und fiscus werden in karolingischen Kapitularien einander gleich- gestellt. Edictum Pistense v. J. 864, c. 18, Pertz, LL I 492: in fiscum nostrum vel in quamcumque immunitatem. 22 Die Immunität wird als verliehen erklärt, wie sie den in dominio regis befindlichen Klöstern zusteht. Siehe die Stellen bei Th. Sickel, Beiträge zur Dipl. V 6, und Waitz, VG IV 292, Anm. 2.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/308>, abgerufen am 25.11.2024.