Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 92. Gefolgschaft und Vassallität. Ministerium hat, wird zweimal so hoch gebüsst als der gewöhnlicheFreie36. Wie der bischöfliche, muss auch der königliche Vassall ein höheres Wergeld gehabt haben. Dafür spricht u. a. die Identifizie- rung der königlichen Vassallen mit den königlichen Gasinden Italiens, deren höheres Wergeld ausser Zweifel steht. Wahrscheinlich war das Wergeld der fränkischen Königsvassallen, wie einst das der Antrustio- nen, das dreifache ihres Geburtswergeldes37. Eine Konsequenz des Schutzverhältnisses ist es, dass der Herr Zu einer besonderen Gerichtsbarkeit des Herrn über den Vas- 36 Cap. Remedii c. 3. Die Sätze sind 120 Solidi bei Inhabern höherer Ämter, 90 Solidi bei dem vassallus de casa sine ministerio aut iunior in ministerio, si ingenuus fuit, 60 Solidi bei solchem Vassallen, der servus ist. Dagegen hat der in- genuus de patrianos ein Wergeld von 60, der servus, der nicht Vassall ist, von 30 Solidi. 37 Ein solches mag aus dem Rechtsfall bei Muratori SS IIb 942 erschlossen werden, wo ein Franke 600 Solidi als sein Wergeld verwirkt. 38 H. Brunner, Mithio und Sperantes in der Festgabe für Beseler S. 9 f. 39 Nach Ratchis 11 konnte der Herr die Sache des Gasinden führen, wenn dieser vor dem Richter sein Recht nicht erlangte. 40 Roth, Feudal. S. 224. Waitz, VG IV 462. Beaudouin, La recomman- dation S. 9 ff. Im nordischen Rechte erlangte der Gefolgsherr eine Privatgerichts- barkeit, und zwar selbst krimineller Art, über die Gefolgsleute. von Amira, Recht § 50. 41 Cap. Mantuanum c. 30, I 191: de vassis nostris, de iustitiis illorum, ut ante comitem suum suscipiant et reddant. Wenn in Cap. Mant. c. 5, I 196 die Lehnsbesitzer in ausdrücklichen Gegensatz zu den Hintersassen gestellt werden, die der Herr stellen oder vertreten muss, sind unter den ersteren die belehnten Vassallen inbegriffen. 42 Cap. ital. 801--810, c. 10, I 210: ut vassi et austaldi nostri ..., si prae- sentes esse non possunt, suos advocatos habeant, qui eorum res ante comitem de- fendere possint et quicquid eis queritur iustitiam faciant. 43 Cap. Karlomanni v. J. 884, c. 11, Pertz, LL I 553. Siehe oben S. 138.
§ 92. Gefolgschaft und Vassallität. Ministerium hat, wird zweimal so hoch gebüſst als der gewöhnlicheFreie36. Wie der bischöfliche, muſs auch der königliche Vassall ein höheres Wergeld gehabt haben. Dafür spricht u. a. die Identifizie- rung der königlichen Vassallen mit den königlichen Gasinden Italiens, deren höheres Wergeld auſser Zweifel steht. Wahrscheinlich war das Wergeld der fränkischen Königsvassallen, wie einst das der Antrustio- nen, das dreifache ihres Geburtswergeldes37. Eine Konsequenz des Schutzverhältnisses ist es, daſs der Herr Zu einer besonderen Gerichtsbarkeit des Herrn über den Vas- 36 Cap. Remedii c. 3. Die Sätze sind 120 Solidi bei Inhabern höherer Ämter, 90 Solidi bei dem vassallus de casa sine ministerio aut iunior in ministerio, si ingenuus fuit, 60 Solidi bei solchem Vassallen, der servus ist. Dagegen hat der in- genuus de patrianos ein Wergeld von 60, der servus, der nicht Vassall ist, von 30 Solidi. 37 Ein solches mag aus dem Rechtsfall bei Muratori SS IIb 942 erschlossen werden, wo ein Franke 600 Solidi als sein Wergeld verwirkt. 38 H. Brunner, Mithio und Sperantes in der Festgabe für Beseler S. 9 f. 39 Nach Ratchis 11 konnte der Herr die Sache des Gasinden führen, wenn dieser vor dem Richter sein Recht nicht erlangte. 40 Roth, Feudal. S. 224. Waitz, VG IV 462. Beaudouin, La recomman- dation S. 9 ff. Im nordischen Rechte erlangte der Gefolgsherr eine Privatgerichts- barkeit, und zwar selbst krimineller Art, über die Gefolgsleute. von Amira, Recht § 50. 41 Cap. Mantuanum c. 30, I 191: de vassis nostris, de iustitiis illorum, ut ante comitem suum suscipiant et reddant. Wenn in Cap. Mant. c. 5, I 196 die Lehnsbesitzer in ausdrücklichen Gegensatz zu den Hintersassen gestellt werden, die der Herr stellen oder vertreten muſs, sind unter den ersteren die belehnten Vassallen inbegriffen. 42 Cap. ital. 801—810, c. 10, I 210: ut vassi et austaldi nostri …, si prae- sentes esse non possunt, suos advocatos habeant, qui eorum res ante comitem de- fendere possint et quicquid eis queritur iustitiam faciant. 43 Cap. Karlomanni v. J. 884, c. 11, Pertz, LL I 553. Siehe oben S. 138.
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§ 92. Gefolgschaft und Vassallität.
Ministerium hat, wird zweimal so hoch gebüſst als der gewöhnliche
Freie 36. Wie der bischöfliche, muſs auch der königliche Vassall ein
höheres Wergeld gehabt haben. Dafür spricht u. a. die Identifizie-
rung der königlichen Vassallen mit den königlichen Gasinden Italiens,
deren höheres Wergeld auſser Zweifel steht. Wahrscheinlich war das
Wergeld der fränkischen Königsvassallen, wie einst das der Antrustio-
nen, das dreifache ihres Geburtswergeldes 37.
Eine Konsequenz des Schutzverhältnisses ist es, daſs der Herr
das Wergeld des getöteten Vassallen einklagt, daſs er im Wege der
Fehde Vergeltung übt für die Tötung des Vassallen 38, daſs er den
Vassallen in Rechtssachen vertreten kann 39.
Zu einer besonderen Gerichtsbarkeit des Herrn über den Vas-
sallen hat sich das Schutzverhältnis im allgemeinen nicht ausgebildet.
Die Vassallität begründete keinen besonderen Gerichtsstand des Vas-
sallen 40, an dessen öffentlichen Pflichten sie überhaupt nichts änderte.
Freie Vassallen, auch die des Königs, hatten vor dem Grafen Recht
zu nehmen und sich zu verantworten 41. Doch genossen königliche
Vassallen gewisse Prozeſsvorrechte. Sie waren befugt, sich im Verhinde-
rungsfalle vertreten zu lassen 42; sie hatten das Reklamationsrecht 43;
sie erhielten das Privilegium, daſs sie Eide nicht persönlich aus-
zuschwören brauchten, sondern durch die angesehensten ihrer eigenen
36 Cap. Remedii c. 3. Die Sätze sind 120 Solidi bei Inhabern höherer Ämter,
90 Solidi bei dem vassallus de casa sine ministerio aut iunior in ministerio, si
ingenuus fuit, 60 Solidi bei solchem Vassallen, der servus ist. Dagegen hat der in-
genuus de patrianos ein Wergeld von 60, der servus, der nicht Vassall ist, von
30 Solidi.
37 Ein solches mag aus dem Rechtsfall bei Muratori SS IIb 942 erschlossen
werden, wo ein Franke 600 Solidi als sein Wergeld verwirkt.
38 H. Brunner, Mithio und Sperantes in der Festgabe für Beseler S. 9 f.
39 Nach Ratchis 11 konnte der Herr die Sache des Gasinden führen, wenn
dieser vor dem Richter sein Recht nicht erlangte.
40 Roth, Feudal. S. 224. Waitz, VG IV 462. Beaudouin, La recomman-
dation S. 9 ff. Im nordischen Rechte erlangte der Gefolgsherr eine Privatgerichts-
barkeit, und zwar selbst krimineller Art, über die Gefolgsleute. von Amira,
Recht § 50.
41 Cap. Mantuanum c. 30, I 191: de vassis nostris, de iustitiis illorum, ut
ante comitem suum suscipiant et reddant. Wenn in Cap. Mant. c. 5, I 196 die
Lehnsbesitzer in ausdrücklichen Gegensatz zu den Hintersassen gestellt werden,
die der Herr stellen oder vertreten muſs, sind unter den ersteren die belehnten
Vassallen inbegriffen.
42 Cap. ital. 801—810, c. 10, I 210: ut vassi et austaldi nostri …, si prae-
sentes esse non possunt, suos advocatos habeant, qui eorum res ante comitem de-
fendere possint et quicquid eis queritur iustitiam faciant.
43 Cap. Karlomanni v. J. 884, c. 11, Pertz, LL I 553. Siehe oben S. 138.
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