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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 90. Das Finanzwesen.
fiehlt 864 den Grafen und Vikaren, Veräusserungen zinspflichtigen
Landes an die Kirche nicht zu genehmigen und sie bei Bannstrafe zu
untersagen 28. Vergleichen wir mit diesen Beschränkungen die zahl-
losen Traditionsurkunden, in welchen den Kirchen, insbesondere sol-
chen, die für ihr gegenwärtiges und zukünftiges Besitztum die Im-
munität und damit die Steuerfreiheit erworben hatten, Eigengüter
übertragen werden, ohne dass eine Zustimmung des Königs oder seiner
Beamten erwähnt wird, vergleichen wir damit die Bestimmungen der
Kapitularien, welche die Vergabungen an Kirchen normieren, ohne
jener Vorbehalte zu gedenken 29, so ist die Folgerung nicht abzuweisen,
dass die grosse Masse des freien Besitztums einem Königszinse nicht
unterworfen war.

Während das römische Steuerwesen unter der Herrschaft der
Franken entartete und abstarb, hat das Zollwesen 30, wie es in Gal-
lien zur Zeit der Eroberung bestand, seine Lebensfähigkeit bewahrt,
aber in Einzelheiten eine eigenartige Umwandlung und Fortbildung
erfahren. Die Anlegung öffentlicher Zollstätten und die Erhebung
öffentlicher Zölle war ein Recht des Königs. Die Zölle waren ent-
weder Durchgangszölle oder Marktzölle. Durchgangszölle, transiturae,
trasturae, wurden nicht bloss an den Reichsgrenzen, sondern auch
innerhalb des Reiches an allen bedeutenden Durchgangspunkten des
Verkehrs erhoben. Sie finden sich als Wasserzölle und als Landzölle,
wurden nach Schiffs- oder Wagenladungen oder nach Saumlasten be-
rechnet und gewöhnlich nicht in Geld, sondern in Waren, meist in
einer Quote der verzollbaren Waren, mitunter in fixem Betrage er-
hoben. Nur Handelswaren galten für zollpflichtig; der eigene Kon-
sum war frei 31. Für die einzelnen Arten von Zöllen begegnet uns
eine grosse Mannigfaltigkeit technischer Bezeichnungen, an welchen
namentlich die gefälschten oder verunechteten Zollprivilegien reich

28 Ed. Pistense v. J. 864, c. 28, Pertz, LL I 495. Dazu Wartmann I 49,
Nr. 49 v. J. 766, wo eine Vergabung mit Zustimmung des Grafen erneuert wird.
Eine Veräusserung mit licentia atque permissu centenarii (imperatoris) in Meichel-
beck Nr. 404. Vgl. H. Brunner, Landschenkungen in Berl. SB 1885, S. 1183,
und oben S. 184, Anm. 31.
29 Z. B. Ansegisus I 135. 137; II 32; IV 18.
30 Zoll, ahd. zol, alts. und ags. tol, altnord. tollr, scheint, obwohl im Gotischen
nicht nachweisbar, ein germanisches Wort zu sein und auf Zählen zurückzugehen.
Kluge, Etymol. WB S. 387.
31 Pipp. Cap. 754--755, c. 4, I 32. Cap. Theod. v. J. 805, c. 13, I 124.
Cap. de functionibus publicis v. J. 820, c. 1. 2, I 294. Zollordnung von Raffel-
stetten LL III 480, § 2: si aliquis de Bawaris sal suum ad propriam domum suam
transmittere voluerit, gubernatores navis .. nichil solvant, sed securiter transeant.

§ 90. Das Finanzwesen.
fiehlt 864 den Grafen und Vikaren, Veräuſserungen zinspflichtigen
Landes an die Kirche nicht zu genehmigen und sie bei Bannstrafe zu
untersagen 28. Vergleichen wir mit diesen Beschränkungen die zahl-
losen Traditionsurkunden, in welchen den Kirchen, insbesondere sol-
chen, die für ihr gegenwärtiges und zukünftiges Besitztum die Im-
munität und damit die Steuerfreiheit erworben hatten, Eigengüter
übertragen werden, ohne daſs eine Zustimmung des Königs oder seiner
Beamten erwähnt wird, vergleichen wir damit die Bestimmungen der
Kapitularien, welche die Vergabungen an Kirchen normieren, ohne
jener Vorbehalte zu gedenken 29, so ist die Folgerung nicht abzuweisen,
daſs die groſse Masse des freien Besitztums einem Königszinse nicht
unterworfen war.

Während das römische Steuerwesen unter der Herrschaft der
Franken entartete und abstarb, hat das Zollwesen 30, wie es in Gal-
lien zur Zeit der Eroberung bestand, seine Lebensfähigkeit bewahrt,
aber in Einzelheiten eine eigenartige Umwandlung und Fortbildung
erfahren. Die Anlegung öffentlicher Zollstätten und die Erhebung
öffentlicher Zölle war ein Recht des Königs. Die Zölle waren ent-
weder Durchgangszölle oder Marktzölle. Durchgangszölle, transiturae,
trasturae, wurden nicht bloſs an den Reichsgrenzen, sondern auch
innerhalb des Reiches an allen bedeutenden Durchgangspunkten des
Verkehrs erhoben. Sie finden sich als Wasserzölle und als Landzölle,
wurden nach Schiffs- oder Wagenladungen oder nach Saumlasten be-
rechnet und gewöhnlich nicht in Geld, sondern in Waren, meist in
einer Quote der verzollbaren Waren, mitunter in fixem Betrage er-
hoben. Nur Handelswaren galten für zollpflichtig; der eigene Kon-
sum war frei 31. Für die einzelnen Arten von Zöllen begegnet uns
eine groſse Mannigfaltigkeit technischer Bezeichnungen, an welchen
namentlich die gefälschten oder verunechteten Zollprivilegien reich

28 Ed. Pistense v. J. 864, c. 28, Pertz, LL I 495. Dazu Wartmann I 49,
Nr. 49 v. J. 766, wo eine Vergabung mit Zustimmung des Grafen erneuert wird.
Eine Veräuſserung mit licentia atque permissu centenarii (imperatoris) in Meichel-
beck Nr. 404. Vgl. H. Brunner, Landschenkungen in Berl. SB 1885, S. 1183,
und oben S. 184, Anm. 31.
29 Z. B. Ansegisus I 135. 137; II 32; IV 18.
30 Zoll, ahd. zol, alts. und ags. tol, altnord. tollr, scheint, obwohl im Gotischen
nicht nachweisbar, ein germanisches Wort zu sein und auf Zählen zurückzugehen.
Kluge, Etymol. WB S. 387.
31 Pipp. Cap. 754—755, c. 4, I 32. Cap. Theod. v. J. 805, c. 13, I 124.
Cap. de functionibus publicis v. J. 820, c. 1. 2, I 294. Zollordnung von Raffel-
stetten LL III 480, § 2: si aliquis de Bawaris sal suum ad propriam domum suam
transmittere voluerit, gubernatores navis .. nichil solvant, sed securiter transeant.
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[238/0256] § 90. Das Finanzwesen. fiehlt 864 den Grafen und Vikaren, Veräuſserungen zinspflichtigen Landes an die Kirche nicht zu genehmigen und sie bei Bannstrafe zu untersagen 28. Vergleichen wir mit diesen Beschränkungen die zahl- losen Traditionsurkunden, in welchen den Kirchen, insbesondere sol- chen, die für ihr gegenwärtiges und zukünftiges Besitztum die Im- munität und damit die Steuerfreiheit erworben hatten, Eigengüter übertragen werden, ohne daſs eine Zustimmung des Königs oder seiner Beamten erwähnt wird, vergleichen wir damit die Bestimmungen der Kapitularien, welche die Vergabungen an Kirchen normieren, ohne jener Vorbehalte zu gedenken 29, so ist die Folgerung nicht abzuweisen, daſs die groſse Masse des freien Besitztums einem Königszinse nicht unterworfen war. Während das römische Steuerwesen unter der Herrschaft der Franken entartete und abstarb, hat das Zollwesen 30, wie es in Gal- lien zur Zeit der Eroberung bestand, seine Lebensfähigkeit bewahrt, aber in Einzelheiten eine eigenartige Umwandlung und Fortbildung erfahren. Die Anlegung öffentlicher Zollstätten und die Erhebung öffentlicher Zölle war ein Recht des Königs. Die Zölle waren ent- weder Durchgangszölle oder Marktzölle. Durchgangszölle, transiturae, trasturae, wurden nicht bloſs an den Reichsgrenzen, sondern auch innerhalb des Reiches an allen bedeutenden Durchgangspunkten des Verkehrs erhoben. Sie finden sich als Wasserzölle und als Landzölle, wurden nach Schiffs- oder Wagenladungen oder nach Saumlasten be- rechnet und gewöhnlich nicht in Geld, sondern in Waren, meist in einer Quote der verzollbaren Waren, mitunter in fixem Betrage er- hoben. Nur Handelswaren galten für zollpflichtig; der eigene Kon- sum war frei 31. Für die einzelnen Arten von Zöllen begegnet uns eine groſse Mannigfaltigkeit technischer Bezeichnungen, an welchen namentlich die gefälschten oder verunechteten Zollprivilegien reich 28 Ed. Pistense v. J. 864, c. 28, Pertz, LL I 495. Dazu Wartmann I 49, Nr. 49 v. J. 766, wo eine Vergabung mit Zustimmung des Grafen erneuert wird. Eine Veräuſserung mit licentia atque permissu centenarii (imperatoris) in Meichel- beck Nr. 404. Vgl. H. Brunner, Landschenkungen in Berl. SB 1885, S. 1183, und oben S. 184, Anm. 31. 29 Z. B. Ansegisus I 135. 137; II 32; IV 18. 30 Zoll, ahd. zol, alts. und ags. tol, altnord. tollr, scheint, obwohl im Gotischen nicht nachweisbar, ein germanisches Wort zu sein und auf Zählen zurückzugehen. Kluge, Etymol. WB S. 387. 31 Pipp. Cap. 754—755, c. 4, I 32. Cap. Theod. v. J. 805, c. 13, I 124. Cap. de functionibus publicis v. J. 820, c. 1. 2, I 294. Zollordnung von Raffel- stetten LL III 480, § 2: si aliquis de Bawaris sal suum ad propriam domum suam transmittere voluerit, gubernatores navis .. nichil solvant, sed securiter transeant.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/256>, abgerufen am 22.11.2024.