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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 88. Dingpflicht und Gerichtswesen.
Dinges durch das Erfordernis der entgegengesetzten Mondphase aus-
geschlossen. Als Anfangstag des echten Dinges pflegte man bei den
Salfranken den Montag oder den Donnerstag zu wählen 10.

Wenn der Richter des Gaues, ursprünglich der Thungin, dann
der Graf alle 6 Wochen sein echtes Ding abhielt, so entfielen auf den
ganzen Gau acht bis neun echte Dinge im Jahre 11. Das echte Ding
nahm nur die allgemeine Dingpflicht einer Hundertschaft in Anspruch,
war aber für Streitigkeiten aus dem ganzen Gau kompetent. Die in
dem Mallus einer Hundertschaft begonnene Verhandlung konnte in
dem Mallus jeder anderen Hundertschaft desselben Gaues fortgesetzt
und erledigt werden.

Neben dem echten Ding gab es bei den Franken gebotene Dinge,
die vom Thungin, bezw. vom Grafen oder vom Centenar, berufen wer-
den konnten. Der Besuch des gebotenen Dinges war nur für die-
jenigen Pflicht, die der Richter dazu bannte. Wahrscheinlich kam es
schon in merowingischer Zeit vor, dass der Richter nicht sämtliche
Gerichtspflichtigen, sondern nur eine ausreichende Anzahl in das ge-
botene Ding berief.

Unbekannt war der Gegensatz der echten und der gebotenen
Dinge dem alamannischen und dem bairischen Rechte. Ebenso war ihnen
das After- oder Nachding fremd, welches wir nachmals bei Friesen
und Sachsen finden. Bei den Saliern ersetzte die dreitägige Dauer
des echten Dinges die Ansetzung besonderer Nachdinge.

Nach dem Volksrechte der Alamannen sollte in jeder Hundert-
schaft gemäss alter Gewohnheit alle vierzehn Tage, wenn der Friede
schwach war im Lande, alle acht Tage, und zwar regelmässig Sonn-

10 Ed. Pist. v. J. 864, c. 32. Vgl. die Urkunde H. 279. Durch den Wechsel
von Montag und Donnerstag konnte man die sechswöchentliche Frist dem Mond-
cyklus angleichen. Auf demselben Bestreben scheint die sächsische Frist von
sechs Wochen und drei Tagen zu beruhen.
11 Hatte der Gau drei oder vier Hundertschaften, so wurde die einzelne
Hundertschaft etwa drei oder zweimal für das echte Ding in Anspruch genommen.
Sohm, der den Thungin mit dem Centenar identificiert, nimmt an, dass zur Zeit
der Lex Salica in jeder Hundertschaft alle sechs Wochen echtes Ding abgehalten
wurde. In merowingischer Zeit sei dann die jährliche Zahl der Dinge von acht bis
neun auf zwei herabgedrückt worden. Die ganze Schwierigkeit fällt hinweg, wenn
man Thungin und Centenar auseinanderhält. Der Rechtszustand, den Sohm
S. 332 für die Zeit der Lex Salica aus Lex Salica 47: in illo mallo, ubi ille est
gemallus ..., folgert, müsste jedenfalls noch zur Zeit der Lex Ribuaria gegolten
haben (mit Rücksicht auf Lex Rib. 33: ad eum locum, ubi amallus est, vgl. Sohm,
LL V 226, Anm. 51), also unter Verhältnissen, da der Graf längst ordentlicher
Richter geworden war.

§ 88. Dingpflicht und Gerichtswesen.
Dinges durch das Erfordernis der entgegengesetzten Mondphase aus-
geschlossen. Als Anfangstag des echten Dinges pflegte man bei den
Salfranken den Montag oder den Donnerstag zu wählen 10.

Wenn der Richter des Gaues, ursprünglich der Thungin, dann
der Graf alle 6 Wochen sein echtes Ding abhielt, so entfielen auf den
ganzen Gau acht bis neun echte Dinge im Jahre 11. Das echte Ding
nahm nur die allgemeine Dingpflicht einer Hundertschaft in Anspruch,
war aber für Streitigkeiten aus dem ganzen Gau kompetent. Die in
dem Mallus einer Hundertschaft begonnene Verhandlung konnte in
dem Mallus jeder anderen Hundertschaft desselben Gaues fortgesetzt
und erledigt werden.

Neben dem echten Ding gab es bei den Franken gebotene Dinge,
die vom Thungin, bezw. vom Grafen oder vom Centenar, berufen wer-
den konnten. Der Besuch des gebotenen Dinges war nur für die-
jenigen Pflicht, die der Richter dazu bannte. Wahrscheinlich kam es
schon in merowingischer Zeit vor, daſs der Richter nicht sämtliche
Gerichtspflichtigen, sondern nur eine ausreichende Anzahl in das ge-
botene Ding berief.

Unbekannt war der Gegensatz der echten und der gebotenen
Dinge dem alamannischen und dem bairischen Rechte. Ebenso war ihnen
das After- oder Nachding fremd, welches wir nachmals bei Friesen
und Sachsen finden. Bei den Saliern ersetzte die dreitägige Dauer
des echten Dinges die Ansetzung besonderer Nachdinge.

Nach dem Volksrechte der Alamannen sollte in jeder Hundert-
schaft gemäſs alter Gewohnheit alle vierzehn Tage, wenn der Friede
schwach war im Lande, alle acht Tage, und zwar regelmäſsig Sonn-

10 Ed. Pist. v. J. 864, c. 32. Vgl. die Urkunde H. 279. Durch den Wechsel
von Montag und Donnerstag konnte man die sechswöchentliche Frist dem Mond-
cyklus angleichen. Auf demselben Bestreben scheint die sächsische Frist von
sechs Wochen und drei Tagen zu beruhen.
11 Hatte der Gau drei oder vier Hundertschaften, so wurde die einzelne
Hundertschaft etwa drei oder zweimal für das echte Ding in Anspruch genommen.
Sohm, der den Thungin mit dem Centenar identificiert, nimmt an, daſs zur Zeit
der Lex Salica in jeder Hundertschaft alle sechs Wochen echtes Ding abgehalten
wurde. In merowingischer Zeit sei dann die jährliche Zahl der Dinge von acht bis
neun auf zwei herabgedrückt worden. Die ganze Schwierigkeit fällt hinweg, wenn
man Thungin und Centenar auseinanderhält. Der Rechtszustand, den Sohm
S. 332 für die Zeit der Lex Salica aus Lex Salica 47: in illo mallo, ubi ille est
gemallus …, folgert, müſste jedenfalls noch zur Zeit der Lex Ribuaria gegolten
haben (mit Rücksicht auf Lex Rib. 33: ad eum locum, ubi amallus est, vgl. Sohm,
LL V 226, Anm. 51), also unter Verhältnissen, da der Graf längst ordentlicher
Richter geworden war.
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[219/0237] § 88. Dingpflicht und Gerichtswesen. Dinges durch das Erfordernis der entgegengesetzten Mondphase aus- geschlossen. Als Anfangstag des echten Dinges pflegte man bei den Salfranken den Montag oder den Donnerstag zu wählen 10. Wenn der Richter des Gaues, ursprünglich der Thungin, dann der Graf alle 6 Wochen sein echtes Ding abhielt, so entfielen auf den ganzen Gau acht bis neun echte Dinge im Jahre 11. Das echte Ding nahm nur die allgemeine Dingpflicht einer Hundertschaft in Anspruch, war aber für Streitigkeiten aus dem ganzen Gau kompetent. Die in dem Mallus einer Hundertschaft begonnene Verhandlung konnte in dem Mallus jeder anderen Hundertschaft desselben Gaues fortgesetzt und erledigt werden. Neben dem echten Ding gab es bei den Franken gebotene Dinge, die vom Thungin, bezw. vom Grafen oder vom Centenar, berufen wer- den konnten. Der Besuch des gebotenen Dinges war nur für die- jenigen Pflicht, die der Richter dazu bannte. Wahrscheinlich kam es schon in merowingischer Zeit vor, daſs der Richter nicht sämtliche Gerichtspflichtigen, sondern nur eine ausreichende Anzahl in das ge- botene Ding berief. Unbekannt war der Gegensatz der echten und der gebotenen Dinge dem alamannischen und dem bairischen Rechte. Ebenso war ihnen das After- oder Nachding fremd, welches wir nachmals bei Friesen und Sachsen finden. Bei den Saliern ersetzte die dreitägige Dauer des echten Dinges die Ansetzung besonderer Nachdinge. Nach dem Volksrechte der Alamannen sollte in jeder Hundert- schaft gemäſs alter Gewohnheit alle vierzehn Tage, wenn der Friede schwach war im Lande, alle acht Tage, und zwar regelmäſsig Sonn- 10 Ed. Pist. v. J. 864, c. 32. Vgl. die Urkunde H. 279. Durch den Wechsel von Montag und Donnerstag konnte man die sechswöchentliche Frist dem Mond- cyklus angleichen. Auf demselben Bestreben scheint die sächsische Frist von sechs Wochen und drei Tagen zu beruhen. 11 Hatte der Gau drei oder vier Hundertschaften, so wurde die einzelne Hundertschaft etwa drei oder zweimal für das echte Ding in Anspruch genommen. Sohm, der den Thungin mit dem Centenar identificiert, nimmt an, daſs zur Zeit der Lex Salica in jeder Hundertschaft alle sechs Wochen echtes Ding abgehalten wurde. In merowingischer Zeit sei dann die jährliche Zahl der Dinge von acht bis neun auf zwei herabgedrückt worden. Die ganze Schwierigkeit fällt hinweg, wenn man Thungin und Centenar auseinanderhält. Der Rechtszustand, den Sohm S. 332 für die Zeit der Lex Salica aus Lex Salica 47: in illo mallo, ubi ille est gemallus …, folgert, müſste jedenfalls noch zur Zeit der Lex Ribuaria gegolten haben (mit Rücksicht auf Lex Rib. 33: ad eum locum, ubi amallus est, vgl. Sohm, LL V 226, Anm. 51), also unter Verhältnissen, da der Graf längst ordentlicher Richter geworden war.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/237>, abgerufen am 22.11.2024.