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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.
höheren militärischen Befehlshaber bestimmte der König. Wie die
Leute der Senioren der Einteilung des Heeres eingegliedert wurden,
hing wohl von der Stärke der Mannschaft ab, die der einzelne Senior
stellte. Kleinere Senioren fochten samt ihren Leuten sicherlich unter
dem Befehle des Grafen, während grössere Senioren, die eine dem
gräflichen Aufgebot überlegene oder ebenbürtige Mannschaft lieferten,
diese selbständig führten. Aus einem Kapitular Karls II. von 865
ist zu ersehen, dass die von den Bischöfen und Abteien gestellten
Streitkräfte besondere Bannerträger, guntfanonarii, hatten43.

Wer die vom König angeordnete Heerfahrt versäumte, wettete die
Bannbusse von sechzig Schillingen. Karl der Grosse sah sich ver-
anlasst, die Eintreibung der Heerbannbussen wiederholt einzuschärfen;
jedoch schwanken seine Vorschriften zwischen dem Bestreben, durch
strenge Handhabung des Bannstrafrechtes die Erfüllung der Heer-
pflicht sicherzustellen, und der Absicht, die Dienstfähigkeit der Heer-
pflichtigen dadurch nicht vollends zu vernichten. Während er einer-
seits dem Säumigen, der die Bannbusse nicht zahlen kann, fiskalische
Schuldknechtschaft androht44, wird andererseits den Armen gelegent-
lich die Bannbusse völlig erlassen45 und von den Minderbemittelten
nur ein Bruchteil erhoben, damit sie im Stande bleiben, sich für den
nächsten Feldzug auszurüsten46, und wird der Fall der Insolvenz der
persönlichen Entscheidung des Königs vorbehalten47. Ein langobar-
disches Kapitular Lothars I. v. J. 825 unterscheidet den ersten, zweiten
und dritten Fall der Versäumnis48. Das erste Ausbleiben soll nach
langobardischem Volksrecht (mit zwanzig Schillingen49), das zweite
mit der fränkischen Bannbusse, das dritte (als Infidelität) mit Verlust
des gesamten Vermögens oder Verbannung bestraft werden50.

Die Eintreibung der Heerbannbussen wurde von Karl dem Grossen
dem Grafen, welchem sie früher zugestanden hatte, entzogen und den

43 Cap. Tusiac. miss. v. J. 865, c. 13, LL I 502. Über gundfano siehe oben
S. 17, Anm. 19. Davon gundfanari, der Bannerträger.
44 Cap. Bonon. v. J. 811, c. 1, I 166.
45 Cap. miss. gen. v. J. 802, c. 29, I 96.
46 Cap. Theod. v. J. 805, c. 19, I 125. Wiederholt 864 von Karl II. im Ed.
Pist. c. 27, LL I 495.
47 Cap. Aquisgr. v. J. 810, c. 12, I 153. Die Heerbannschuld geht niemals
auf die Erben über. Cap. Bonon. v. J. 811, c. 1, I 166.
48 Cap. Olonn. mundan. c. 1, I 329.
49 Vgl. Rothari 21, Ratchis, Notitia c. 4.
50 Einziehung des Vermögens setzt auf Versäumnis des Aufgebots die Consti-
tutio de exped. Benev. Ludwigs II. v. J. 866, c. 2, Cap. II 95.

§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.
höheren militärischen Befehlshaber bestimmte der König. Wie die
Leute der Senioren der Einteilung des Heeres eingegliedert wurden,
hing wohl von der Stärke der Mannschaft ab, die der einzelne Senior
stellte. Kleinere Senioren fochten samt ihren Leuten sicherlich unter
dem Befehle des Grafen, während gröſsere Senioren, die eine dem
gräflichen Aufgebot überlegene oder ebenbürtige Mannschaft lieferten,
diese selbständig führten. Aus einem Kapitular Karls II. von 865
ist zu ersehen, daſs die von den Bischöfen und Abteien gestellten
Streitkräfte besondere Bannerträger, guntfanonarii, hatten43.

Wer die vom König angeordnete Heerfahrt versäumte, wettete die
Bannbuſse von sechzig Schillingen. Karl der Groſse sah sich ver-
anlaſst, die Eintreibung der Heerbannbuſsen wiederholt einzuschärfen;
jedoch schwanken seine Vorschriften zwischen dem Bestreben, durch
strenge Handhabung des Bannstrafrechtes die Erfüllung der Heer-
pflicht sicherzustellen, und der Absicht, die Dienstfähigkeit der Heer-
pflichtigen dadurch nicht vollends zu vernichten. Während er einer-
seits dem Säumigen, der die Bannbuſse nicht zahlen kann, fiskalische
Schuldknechtschaft androht44, wird andererseits den Armen gelegent-
lich die Bannbuſse völlig erlassen45 und von den Minderbemittelten
nur ein Bruchteil erhoben, damit sie im Stande bleiben, sich für den
nächsten Feldzug auszurüsten46, und wird der Fall der Insolvenz der
persönlichen Entscheidung des Königs vorbehalten47. Ein langobar-
disches Kapitular Lothars I. v. J. 825 unterscheidet den ersten, zweiten
und dritten Fall der Versäumnis48. Das erste Ausbleiben soll nach
langobardischem Volksrecht (mit zwanzig Schillingen49), das zweite
mit der fränkischen Bannbuſse, das dritte (als Infidelität) mit Verlust
des gesamten Vermögens oder Verbannung bestraft werden50.

Die Eintreibung der Heerbannbuſsen wurde von Karl dem Groſsen
dem Grafen, welchem sie früher zugestanden hatte, entzogen und den

43 Cap. Tusiac. miss. v. J. 865, c. 13, LL I 502. Über gundfano siehe oben
S. 17, Anm. 19. Davon gundfanari, der Bannerträger.
44 Cap. Bonon. v. J. 811, c. 1, I 166.
45 Cap. miss. gen. v. J. 802, c. 29, I 96.
46 Cap. Theod. v. J. 805, c. 19, I 125. Wiederholt 864 von Karl II. im Ed.
Pist. c. 27, LL I 495.
47 Cap. Aquisgr. v. J. 810, c. 12, I 153. Die Heerbannschuld geht niemals
auf die Erben über. Cap. Bonon. v. J. 811, c. 1, I 166.
48 Cap. Olonn. mundan. c. 1, I 329.
49 Vgl. Rothari 21, Ratchis, Notitia c. 4.
50 Einziehung des Vermögens setzt auf Versäumnis des Aufgebots die Consti-
tutio de exped. Benev. Ludwigs II. v. J. 866, c. 2, Cap. II 95.
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[213/0231] § 87. Wehrpflicht und Heerwesen. höheren militärischen Befehlshaber bestimmte der König. Wie die Leute der Senioren der Einteilung des Heeres eingegliedert wurden, hing wohl von der Stärke der Mannschaft ab, die der einzelne Senior stellte. Kleinere Senioren fochten samt ihren Leuten sicherlich unter dem Befehle des Grafen, während gröſsere Senioren, die eine dem gräflichen Aufgebot überlegene oder ebenbürtige Mannschaft lieferten, diese selbständig führten. Aus einem Kapitular Karls II. von 865 ist zu ersehen, daſs die von den Bischöfen und Abteien gestellten Streitkräfte besondere Bannerträger, guntfanonarii, hatten 43. Wer die vom König angeordnete Heerfahrt versäumte, wettete die Bannbuſse von sechzig Schillingen. Karl der Groſse sah sich ver- anlaſst, die Eintreibung der Heerbannbuſsen wiederholt einzuschärfen; jedoch schwanken seine Vorschriften zwischen dem Bestreben, durch strenge Handhabung des Bannstrafrechtes die Erfüllung der Heer- pflicht sicherzustellen, und der Absicht, die Dienstfähigkeit der Heer- pflichtigen dadurch nicht vollends zu vernichten. Während er einer- seits dem Säumigen, der die Bannbuſse nicht zahlen kann, fiskalische Schuldknechtschaft androht 44, wird andererseits den Armen gelegent- lich die Bannbuſse völlig erlassen 45 und von den Minderbemittelten nur ein Bruchteil erhoben, damit sie im Stande bleiben, sich für den nächsten Feldzug auszurüsten 46, und wird der Fall der Insolvenz der persönlichen Entscheidung des Königs vorbehalten 47. Ein langobar- disches Kapitular Lothars I. v. J. 825 unterscheidet den ersten, zweiten und dritten Fall der Versäumnis 48. Das erste Ausbleiben soll nach langobardischem Volksrecht (mit zwanzig Schillingen 49), das zweite mit der fränkischen Bannbuſse, das dritte (als Infidelität) mit Verlust des gesamten Vermögens oder Verbannung bestraft werden 50. Die Eintreibung der Heerbannbuſsen wurde von Karl dem Groſsen dem Grafen, welchem sie früher zugestanden hatte, entzogen und den 43 Cap. Tusiac. miss. v. J. 865, c. 13, LL I 502. Über gundfano siehe oben S. 17, Anm. 19. Davon gundfanari, der Bannerträger. 44 Cap. Bonon. v. J. 811, c. 1, I 166. 45 Cap. miss. gen. v. J. 802, c. 29, I 96. 46 Cap. Theod. v. J. 805, c. 19, I 125. Wiederholt 864 von Karl II. im Ed. Pist. c. 27, LL I 495. 47 Cap. Aquisgr. v. J. 810, c. 12, I 153. Die Heerbannschuld geht niemals auf die Erben über. Cap. Bonon. v. J. 811, c. 1, I 166. 48 Cap. Olonn. mundan. c. 1, I 329. 49 Vgl. Rothari 21, Ratchis, Notitia c. 4. 50 Einziehung des Vermögens setzt auf Versäumnis des Aufgebots die Consti- tutio de exped. Benev. Ludwigs II. v. J. 866, c. 2, Cap. II 95.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/231>, abgerufen am 22.11.2024.