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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 85. Die königlichen Missi.
tischer Sprengel (missatica, legationes) eingeteilt, deren jeder mehreren
Missi zugewiesen wurde. Meistens wurden für jeden Reisebezirk
zwei Missi ernannt, ein geistlicher und ein weltlicher. Unter den
geistlichen erscheinen am häufigsten Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte,
unter den weltlichen Grafen und königliche Vassallen. Mitunter
treten in einem Sprengel nur geistliche oder nur weltliche Missi auf 18.
Zahl und Umfang der Reisebezirke wechselten. Ein Kapitular Lud-
wigs I. zählt zehn Missatica auf, die sich den Erzdiözesen anschliessen 19.
Die Stellung der Missi war keine ständige. Meist wurden jährlich
für jeden Reisebezirk neue Missi ernannt. Doch war wiederholte Er-
nennung derselben Persönlichkeiten nicht grundsätzlich ausgeschlossen 20.

Die Vollmacht der Missi wurde bei ihrer Absendung vom Hofe
durch mündliche oder schriftliche Instruktion bestimmt. Im allgemei-
nen lassen sich die zahlreichen Aufgaben der Missi, welche in der
Blütezeit des Institutes mehr und mehr erweitert wurden, in zwei
Hauptgruppen scheiden, jenachdem sie die Kontrolle oder die Ergän-
zung der Provinzialverwaltung zum Zweck haben. Die kontrollierende
Thätigkeit der Missi bezieht sich einerseits auf das Verhalten der
kirchlichen Würdenträger, den Wandel des Klerus, den Zustand der
Klöster und Kirchengüter, andererseits auf das Gebahren der welt-
lichen Beamten, der Grafen und Centenare, der Vögte des Fiskus,
der Kirchen und der weltlichen Immunitätsherren. Ludwig I. be-
stimmte, dass die Missi in ihrem Reisebezirk Mitte Mai eine allgemeine
Versammlung einberufen sollten, welche aus örtlichen Gründen auch
in zwei oder mehrere Versammlungen zerlegt werden durfte 21. Hier
sollen die Bischöfe und Äbte, die Grafen mit ihren Unterbeamten und
etlichen Schöffen, die Vassallen und Vögte des Königs erscheinen 22
und soll Untersuchung geführt werden über etwaige Missbräuche, die

18 Siehe das Verzeichnis wandernder und ständiger Missi bei Krause S. 66.
19 Commemoratio missis data v. J. 825, Cap. I 308. Von deutschen Spren-
geln werden nur Mainz, Trier und Köln genannt. Baiern, Aquitanien und Italien
waren damals Ludwigs Söhnen zur Regierung überwiesen. Wenn in Baiern kaiser-
liche Missi fungierten, so geschah es mit Zustimmung Ludwigs des Deutschen, wie
aus dem Emmeramer Formelfragment Zeumer S. 463 hervorgeht: (cum resedissent)
missi domni imperatoris .. ex permisso ipsius domni Hludovici (regis) ad iusticias
inquirendas. Schon unter Karl dem Grossen sitzen in Italien seine Missi zu Ge-
richt per iussionem domnorum nostrorum Karoli imperatoris vel domni regis
Pippini.
20 Waitz, VG III 461.
21 Commemoratio missis data v. J. 825, c. 2, Cap. I 308. Legationis Capitu-
lum I 309. Capitula de missis instruendis v. J. 829, II 7 f.
22 Legationis Capitulum I 310.

§ 85. Die königlichen Missi.
tischer Sprengel (missatica, legationes) eingeteilt, deren jeder mehreren
Missi zugewiesen wurde. Meistens wurden für jeden Reisebezirk
zwei Missi ernannt, ein geistlicher und ein weltlicher. Unter den
geistlichen erscheinen am häufigsten Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte,
unter den weltlichen Grafen und königliche Vassallen. Mitunter
treten in einem Sprengel nur geistliche oder nur weltliche Missi auf 18.
Zahl und Umfang der Reisebezirke wechselten. Ein Kapitular Lud-
wigs I. zählt zehn Missatica auf, die sich den Erzdiözesen anschlieſsen 19.
Die Stellung der Missi war keine ständige. Meist wurden jährlich
für jeden Reisebezirk neue Missi ernannt. Doch war wiederholte Er-
nennung derselben Persönlichkeiten nicht grundsätzlich ausgeschlossen 20.

Die Vollmacht der Missi wurde bei ihrer Absendung vom Hofe
durch mündliche oder schriftliche Instruktion bestimmt. Im allgemei-
nen lassen sich die zahlreichen Aufgaben der Missi, welche in der
Blütezeit des Institutes mehr und mehr erweitert wurden, in zwei
Hauptgruppen scheiden, jenachdem sie die Kontrolle oder die Ergän-
zung der Provinzialverwaltung zum Zweck haben. Die kontrollierende
Thätigkeit der Missi bezieht sich einerseits auf das Verhalten der
kirchlichen Würdenträger, den Wandel des Klerus, den Zustand der
Klöster und Kirchengüter, andererseits auf das Gebahren der welt-
lichen Beamten, der Grafen und Centenare, der Vögte des Fiskus,
der Kirchen und der weltlichen Immunitätsherren. Ludwig I. be-
stimmte, daſs die Missi in ihrem Reisebezirk Mitte Mai eine allgemeine
Versammlung einberufen sollten, welche aus örtlichen Gründen auch
in zwei oder mehrere Versammlungen zerlegt werden durfte 21. Hier
sollen die Bischöfe und Äbte, die Grafen mit ihren Unterbeamten und
etlichen Schöffen, die Vassallen und Vögte des Königs erscheinen 22
und soll Untersuchung geführt werden über etwaige Miſsbräuche, die

18 Siehe das Verzeichnis wandernder und ständiger Missi bei Krause S. 66.
19 Commemoratio missis data v. J. 825, Cap. I 308. Von deutschen Spren-
geln werden nur Mainz, Trier und Köln genannt. Baiern, Aquitanien und Italien
waren damals Ludwigs Söhnen zur Regierung überwiesen. Wenn in Baiern kaiser-
liche Missi fungierten, so geschah es mit Zustimmung Ludwigs des Deutschen, wie
aus dem Emmeramer Formelfragment Zeumer S. 463 hervorgeht: (cum resedissent)
missi domni imperatoris .. ex permisso ipsius domni Hludovici (regis) ad iusticias
inquirendas. Schon unter Karl dem Groſsen sitzen in Italien seine Missi zu Ge-
richt per iussionem domnorum nostrorum Karoli imperatoris vel domni regis
Pippini.
20 Waitz, VG III 461.
21 Commemoratio missis data v. J. 825, c. 2, Cap. I 308. Legationis Capitu-
lum I 309. Capitula de missis instruendis v. J. 829, II 7 f.
22 Legationis Capitulum I 310.
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[192/0210] § 85. Die königlichen Missi. tischer Sprengel (missatica, legationes) eingeteilt, deren jeder mehreren Missi zugewiesen wurde. Meistens wurden für jeden Reisebezirk zwei Missi ernannt, ein geistlicher und ein weltlicher. Unter den geistlichen erscheinen am häufigsten Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte, unter den weltlichen Grafen und königliche Vassallen. Mitunter treten in einem Sprengel nur geistliche oder nur weltliche Missi auf 18. Zahl und Umfang der Reisebezirke wechselten. Ein Kapitular Lud- wigs I. zählt zehn Missatica auf, die sich den Erzdiözesen anschlieſsen 19. Die Stellung der Missi war keine ständige. Meist wurden jährlich für jeden Reisebezirk neue Missi ernannt. Doch war wiederholte Er- nennung derselben Persönlichkeiten nicht grundsätzlich ausgeschlossen 20. Die Vollmacht der Missi wurde bei ihrer Absendung vom Hofe durch mündliche oder schriftliche Instruktion bestimmt. Im allgemei- nen lassen sich die zahlreichen Aufgaben der Missi, welche in der Blütezeit des Institutes mehr und mehr erweitert wurden, in zwei Hauptgruppen scheiden, jenachdem sie die Kontrolle oder die Ergän- zung der Provinzialverwaltung zum Zweck haben. Die kontrollierende Thätigkeit der Missi bezieht sich einerseits auf das Verhalten der kirchlichen Würdenträger, den Wandel des Klerus, den Zustand der Klöster und Kirchengüter, andererseits auf das Gebahren der welt- lichen Beamten, der Grafen und Centenare, der Vögte des Fiskus, der Kirchen und der weltlichen Immunitätsherren. Ludwig I. be- stimmte, daſs die Missi in ihrem Reisebezirk Mitte Mai eine allgemeine Versammlung einberufen sollten, welche aus örtlichen Gründen auch in zwei oder mehrere Versammlungen zerlegt werden durfte 21. Hier sollen die Bischöfe und Äbte, die Grafen mit ihren Unterbeamten und etlichen Schöffen, die Vassallen und Vögte des Königs erscheinen 22 und soll Untersuchung geführt werden über etwaige Miſsbräuche, die 18 Siehe das Verzeichnis wandernder und ständiger Missi bei Krause S. 66. 19 Commemoratio missis data v. J. 825, Cap. I 308. Von deutschen Spren- geln werden nur Mainz, Trier und Köln genannt. Baiern, Aquitanien und Italien waren damals Ludwigs Söhnen zur Regierung überwiesen. Wenn in Baiern kaiser- liche Missi fungierten, so geschah es mit Zustimmung Ludwigs des Deutschen, wie aus dem Emmeramer Formelfragment Zeumer S. 463 hervorgeht: (cum resedissent) missi domni imperatoris .. ex permisso ipsius domni Hludovici (regis) ad iusticias inquirendas. Schon unter Karl dem Groſsen sitzen in Italien seine Missi zu Ge- richt per iussionem domnorum nostrorum Karoli imperatoris vel domni regis Pippini. 20 Waitz, VG III 461. 21 Commemoratio missis data v. J. 825, c. 2, Cap. I 308. Legationis Capitu- lum I 309. Capitula de missis instruendis v. J. 829, II 7 f. 22 Legationis Capitulum I 310.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/210>, abgerufen am 24.11.2024.