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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 77. Das Königsgericht.

Verfassungsmässig war der König nicht verpflichtet, die Grossen
auf den Reichstagen um ihren Rat zu fragen. Er mochte ohne, er
mochte gegen ihren Rat seine Entscheidung treffen. Doch war es
feststehende Sitte, sie zur Beratung heranzuziehen. Selbst Karl der
Grosse wich davon nicht ab. Ludwig I. ging bereits soweit, dass er
den Grossen versprach, nichts ohne ihren Rat thun zu wollen 37. Auf
dem Tage zu Meersen von 851 versicherten die Söhne Ludwigs I.,
dass sie dem gemeinsamen Rate ihrer Getreuen ihre Zustimmung
nicht vorenthalten würden 38. Ludwig der Deutsche und Karl der
Kahle bekannten sich 865 zu dem Grundsatz, dass der König Kirche
und Reich mit dem Rate und mit der Hülfe seiner Getreuen zu
regieren habe 39. In den Verhandlungen des Wormser Reichstages
vom Jahre 829 musste der König davon abstehen, eine Konzession
zu Gunsten der Kirchen durchzusetzen, die er kurz vorher bereits
provisorisch bewilligt hatte 40. So mehren sich seit Ludwig I. die
Anzeichen, dass die Sitte, die Grossen zum Beirate zu versammeln,
bereits angefangen hatte, sich zu einer rechtlichen Beschränkung des
Königtums zu verdichten.

§ 77. Das Königsgericht.

Waitz, VG II 2, S. 183 ff. IV 472 ff. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung
I 166 f. v. Bethmann-Hollweg, Civilprozess IV 435 ff. V 18. 28. H. Brun-
ner
, Zeugen- und Inquisitionsbeweis S. 49 f. Derselbe, Entstehung der Schwur-
gerichte S. 70 ff. Derselbe, Die absichtslose Missethat im altdeutschen Straf-
rechte, Berliner Sitzungsberichte 1890, XXXV 819 ff. Barchewitz, Das Königs-
gericht zur Zeit der Merowinger und Karolinger 1882. Beauchet, Historie de
l'organisation judiciaire en France, epoque franque 1886, S. 47. 327 ff. Esmein,
La chose jugee dans le droit de la monarchie franque, Nouvelle Revue histor. de
droit francais XI 545 ff. (1887).

Waren von den militärischen und politischen Funktionen der ger-
manischen Landesgemeinde wenigstens einzelne Reste auf das frän-

tharii penitus taceretur. Dagegen verkündigte Karl II. eine kürzere Erklärung in
ipsa casa, ubi relectae sunt praecedentes adnuntiationes, in quam pauci alii intra-
verunt, quam qui antea fuerunt, quoniam fere plena de ipsis erat. Vgl. Dümm-
ler
, Gesch. des ostfränk. Reichs II2 44.
37 Vita Walae II 10, MG SS II 555: porro deinceps nihil tale, nihil sine
vestro consilio me acturum ulterius profiteor.
38 Cap. II 73, c. 6.
39 Pactum Tusiacense c. 5, Cap. II 166: ut communes fideles nostri, quorum
consilio et auxilio sanctam Dei ecclesiam et regnum nobis commissum gubernare
debemus, debitum honorem et salvamentum habeant.
40 Vgl. oben S. 53, Anm. 29.
§ 77. Das Königsgericht.

Verfassungsmäſsig war der König nicht verpflichtet, die Groſsen
auf den Reichstagen um ihren Rat zu fragen. Er mochte ohne, er
mochte gegen ihren Rat seine Entscheidung treffen. Doch war es
feststehende Sitte, sie zur Beratung heranzuziehen. Selbst Karl der
Groſse wich davon nicht ab. Ludwig I. ging bereits soweit, daſs er
den Groſsen versprach, nichts ohne ihren Rat thun zu wollen 37. Auf
dem Tage zu Meersen von 851 versicherten die Söhne Ludwigs I.,
daſs sie dem gemeinsamen Rate ihrer Getreuen ihre Zustimmung
nicht vorenthalten würden 38. Ludwig der Deutsche und Karl der
Kahle bekannten sich 865 zu dem Grundsatz, daſs der König Kirche
und Reich mit dem Rate und mit der Hülfe seiner Getreuen zu
regieren habe 39. In den Verhandlungen des Wormser Reichstages
vom Jahre 829 muſste der König davon abstehen, eine Konzession
zu Gunsten der Kirchen durchzusetzen, die er kurz vorher bereits
provisorisch bewilligt hatte 40. So mehren sich seit Ludwig I. die
Anzeichen, daſs die Sitte, die Groſsen zum Beirate zu versammeln,
bereits angefangen hatte, sich zu einer rechtlichen Beschränkung des
Königtums zu verdichten.

§ 77. Das Königsgericht.

Waitz, VG II 2, S. 183 ff. IV 472 ff. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung
I 166 f. v. Bethmann-Hollweg, Civilprozess IV 435 ff. V 18. 28. H. Brun-
ner
, Zeugen- und Inquisitionsbeweis S. 49 f. Derselbe, Entstehung der Schwur-
gerichte S. 70 ff. Derselbe, Die absichtslose Missethat im altdeutschen Straf-
rechte, Berliner Sitzungsberichte 1890, XXXV 819 ff. Barchewitz, Das Königs-
gericht zur Zeit der Merowinger und Karolinger 1882. Beauchet, Historie de
l’organisation judiciaire en France, époque franque 1886, S. 47. 327 ff. Esmein,
La chose jugée dans le droit de la monarchie franque, Nouvelle Revue histor. de
droit français XI 545 ff. (1887).

Waren von den militärischen und politischen Funktionen der ger-
manischen Landesgemeinde wenigstens einzelne Reste auf das frän-

tharii penitus taceretur. Dagegen verkündigte Karl II. eine kürzere Erklärung in
ipsa casa, ubi relectae sunt praecedentes adnuntiationes, in quam pauci alii intra-
verunt, quam qui antea fuerunt, quoniam fere plena de ipsis erat. Vgl. Dümm-
ler
, Gesch. des ostfränk. Reichs II2 44.
37 Vita Walae II 10, MG SS II 555: porro deinceps nihil tale, nihil sine
vestro consilio me acturum ulterius profiteor.
38 Cap. II 73, c. 6.
39 Pactum Tusiacense c. 5, Cap. II 166: ut communes fideles nostri, quorum
consilio et auxilio sanctam Dei ecclesiam et regnum nobis commissum gubernare
debemus, debitum honorem et salvamentum habeant.
40 Vgl. oben S. 53, Anm. 29.
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[133/0151] § 77. Das Königsgericht. Verfassungsmäſsig war der König nicht verpflichtet, die Groſsen auf den Reichstagen um ihren Rat zu fragen. Er mochte ohne, er mochte gegen ihren Rat seine Entscheidung treffen. Doch war es feststehende Sitte, sie zur Beratung heranzuziehen. Selbst Karl der Groſse wich davon nicht ab. Ludwig I. ging bereits soweit, daſs er den Groſsen versprach, nichts ohne ihren Rat thun zu wollen 37. Auf dem Tage zu Meersen von 851 versicherten die Söhne Ludwigs I., daſs sie dem gemeinsamen Rate ihrer Getreuen ihre Zustimmung nicht vorenthalten würden 38. Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle bekannten sich 865 zu dem Grundsatz, daſs der König Kirche und Reich mit dem Rate und mit der Hülfe seiner Getreuen zu regieren habe 39. In den Verhandlungen des Wormser Reichstages vom Jahre 829 muſste der König davon abstehen, eine Konzession zu Gunsten der Kirchen durchzusetzen, die er kurz vorher bereits provisorisch bewilligt hatte 40. So mehren sich seit Ludwig I. die Anzeichen, daſs die Sitte, die Groſsen zum Beirate zu versammeln, bereits angefangen hatte, sich zu einer rechtlichen Beschränkung des Königtums zu verdichten. § 77. Das Königsgericht. Waitz, VG II 2, S. 183 ff. IV 472 ff. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 166 f. v. Bethmann-Hollweg, Civilprozess IV 435 ff. V 18. 28. H. Brun- ner, Zeugen- und Inquisitionsbeweis S. 49 f. Derselbe, Entstehung der Schwur- gerichte S. 70 ff. Derselbe, Die absichtslose Missethat im altdeutschen Straf- rechte, Berliner Sitzungsberichte 1890, XXXV 819 ff. Barchewitz, Das Königs- gericht zur Zeit der Merowinger und Karolinger 1882. Beauchet, Historie de l’organisation judiciaire en France, époque franque 1886, S. 47. 327 ff. Esmein, La chose jugée dans le droit de la monarchie franque, Nouvelle Revue histor. de droit français XI 545 ff. (1887). Waren von den militärischen und politischen Funktionen der ger- manischen Landesgemeinde wenigstens einzelne Reste auf das frän- 36 37 Vita Walae II 10, MG SS II 555: porro deinceps nihil tale, nihil sine vestro consilio me acturum ulterius profiteor. 38 Cap. II 73, c. 6. 39 Pactum Tusiacense c. 5, Cap. II 166: ut communes fideles nostri, quorum consilio et auxilio sanctam Dei ecclesiam et regnum nobis commissum gubernare debemus, debitum honorem et salvamentum habeant. 40 Vgl. oben S. 53, Anm. 29. 36 tharii penitus taceretur. Dagegen verkündigte Karl II. eine kürzere Erklärung in ipsa casa, ubi relectae sunt praecedentes adnuntiationes, in quam pauci alii intra- verunt, quam qui antea fuerunt, quoniam fere plena de ipsis erat. Vgl. Dümm- ler, Gesch. des ostfränk. Reichs II2 44.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/151>, abgerufen am 28.11.2024.