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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 75. Die Beamten der Domänenverwaltung.
ciis conmorantes war es u. a., die dem Krongut anheimfallenden Güter
zu incorporieren31. Der comes rerum privatarum besass ein officium,
ein Bureau von Subalternbeamten, dessen Chef primicerius hiess32.
Officia hatten auch die Provinzialdomänenverwalter33.

Der princeps officii oder primicerius erhielt in spätrömischer Zeit
bei verschiedenen Magistraturen die Bezeichnung domesticus34. Seine
Stellung wurde ministerium, officium domestici oder domesticatus genannt.
Domesticus hiess nicht nur der Bureauchef des höheren Offiziers und
des princeps der agentes in rebus, sondern auch, wenigstens in der
für die vorliegende Frage massgebenden Zeit, der princeps officii des
Provinzialstatthalters35. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch bei
Beamten der Domänenverwaltung der Bureauchef als domesticus be-
zeichnet wurde.

Die Stellung des domesticus oder primicerius ist bei einzelnen
Ämtern im Laufe der Zeit sehr gestiegen. Einige Primiceriate ver-
wandelten sich in hohe Hofämter. Unter dem Ostgoten Theodahat ist
ein Patrizier domesticus. Auch die burgundischen domestici, deren
Bedeutung im übrigen unbekannt bleibt, hatten hohen Rang.

Der fränkische Hofdomestikus entspricht ungefähr dem römischen
comes rerum privatarum. Die fränkischen Provinzialdomestici haben
etwa die Stellung der in den römischen Provinzen angestellten ratio-
nales, nur dass die Verwaltungsbezirke, wie das im fränkischen Ämter-
wesen durchweg der Fall ist, kleiner sind als im römischen. Der
domesticus am fränkischen Königshofe entlehnte seinen Namen wahr-

31 Cod. Theod. X 9, 1.
32 Cod. Theod. VI 30, 24.
33 Cod. Theod. X 1, 2; VI 30, 4. Adiutores und tabularii der kaiserlichen
Domänenverwalter sind uns vielfach bezeugt.
34 Das hat Mommsen NA XIV 507 f. auf Grund von Cassiod. Var. X 11. 12
ausgeführt, wo es heisst: primiceriatus, qui et domesticatus nominatur. Vgl. a. O.
S. 505. Eine deutliche Bestätigung bietet Cod. Just. I 42, 2, vermutlich von
512, wo der domesticus an der Spitze eines Offiziums steht: monos o tribounos e o
.. bikarios meta tou domestikou kai tou aktouariou kai ton optionon kai tou
noumerariou etoi tou boethou ... In Istrien stehen im achten Jahrhundert unter
dem Tribun, der bereits Militär und Civilgewalt vereinigt, domestici, vicarii und
locoservatores. Placitum von Riziano v. J. 802 bei Waitz, VG III 490.
35 Nach Interpr. zu Brev. Al. Cod. Th. I 11, 2 soll der domesticus dem iudex
durch Wahl der Bürger beigesellt werden. Nach den epitomae soll sich der iudex
den domesticus nicht de alia provincia oder regione nehmen. Auch in Cod. Just.
I 51 (de adsessoribus et domesticis et cancellariis iudicum) c. 3, 4, 9 scheinen mir
die domestici nicht Hausleute, sondern Subalterne des judex zu sein, wogegen die
domestici des comes Gothorum bei Cassiodor, Var. V 14, weil es mehrere sind,
m. E. als dessen Hausleute genommen werden müssen.

§ 75. Die Beamten der Domänenverwaltung.
ciis conmorantes war es u. a., die dem Krongut anheimfallenden Güter
zu incorporieren31. Der comes rerum privatarum besaſs ein officium,
ein Bureau von Subalternbeamten, dessen Chef primicerius hieſs32.
Officia hatten auch die Provinzialdomänenverwalter33.

Der princeps officii oder primicerius erhielt in spätrömischer Zeit
bei verschiedenen Magistraturen die Bezeichnung domesticus34. Seine
Stellung wurde ministerium, officium domestici oder domesticatus genannt.
Domesticus hieſs nicht nur der Bureauchef des höheren Offiziers und
des princeps der agentes in rebus, sondern auch, wenigstens in der
für die vorliegende Frage maſsgebenden Zeit, der princeps officii des
Provinzialstatthalters35. Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs auch bei
Beamten der Domänenverwaltung der Bureauchef als domesticus be-
zeichnet wurde.

Die Stellung des domesticus oder primicerius ist bei einzelnen
Ämtern im Laufe der Zeit sehr gestiegen. Einige Primiceriate ver-
wandelten sich in hohe Hofämter. Unter dem Ostgoten Theodahat ist
ein Patrizier domesticus. Auch die burgundischen domestici, deren
Bedeutung im übrigen unbekannt bleibt, hatten hohen Rang.

Der fränkische Hofdomestikus entspricht ungefähr dem römischen
comes rerum privatarum. Die fränkischen Provinzialdomestici haben
etwa die Stellung der in den römischen Provinzen angestellten ratio-
nales, nur daſs die Verwaltungsbezirke, wie das im fränkischen Ämter-
wesen durchweg der Fall ist, kleiner sind als im römischen. Der
domesticus am fränkischen Königshofe entlehnte seinen Namen wahr-

31 Cod. Theod. X 9, 1.
32 Cod. Theod. VI 30, 24.
33 Cod. Theod. X 1, 2; VI 30, 4. Adiutores und tabularii der kaiserlichen
Domänenverwalter sind uns vielfach bezeugt.
34 Das hat Mommsen NA XIV 507 f. auf Grund von Cassiod. Var. X 11. 12
ausgeführt, wo es heiſst: primiceriatus, qui et domesticatus nominatur. Vgl. a. O.
S. 505. Eine deutliche Bestätigung bietet Cod. Just. I 42, 2, vermutlich von
512, wo der domesticus an der Spitze eines Offiziums steht: μόνος ὁ τϱιβοῦνος ἢ ὁ
.. βικάϱιος μετὰ τοῦ δομεστίκου καὶ τοῦ ἀκτουαϱίου καὶ τῶν ὀπτιώνων καὶ τοῦ
νουμεϱαϱίου ἤτοι τοῦ βοηϑοῦ … In Istrien stehen im achten Jahrhundert unter
dem Tribun, der bereits Militär und Civilgewalt vereinigt, domestici, vicarii und
locoservatores. Placitum von Riziano v. J. 802 bei Waitz, VG III 490.
35 Nach Interpr. zu Brev. Al. Cod. Th. I 11, 2 soll der domesticus dem iudex
durch Wahl der Bürger beigesellt werden. Nach den epitomae soll sich der iudex
den domesticus nicht de alia provincia oder regione nehmen. Auch in Cod. Just.
I 51 (de adsessoribus et domesticis et cancellariis iudicum) c. 3, 4, 9 scheinen mir
die domestici nicht Hausleute, sondern Subalterne des judex zu sein, wogegen die
domestici des comes Gothorum bei Cassiodor, Var. V 14, weil es mehrere sind,
m. E. als dessen Hausleute genommen werden müssen.
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[122/0140] § 75. Die Beamten der Domänenverwaltung. ciis conmorantes war es u. a., die dem Krongut anheimfallenden Güter zu incorporieren 31. Der comes rerum privatarum besaſs ein officium, ein Bureau von Subalternbeamten, dessen Chef primicerius hieſs 32. Officia hatten auch die Provinzialdomänenverwalter 33. Der princeps officii oder primicerius erhielt in spätrömischer Zeit bei verschiedenen Magistraturen die Bezeichnung domesticus 34. Seine Stellung wurde ministerium, officium domestici oder domesticatus genannt. Domesticus hieſs nicht nur der Bureauchef des höheren Offiziers und des princeps der agentes in rebus, sondern auch, wenigstens in der für die vorliegende Frage maſsgebenden Zeit, der princeps officii des Provinzialstatthalters 35. Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs auch bei Beamten der Domänenverwaltung der Bureauchef als domesticus be- zeichnet wurde. Die Stellung des domesticus oder primicerius ist bei einzelnen Ämtern im Laufe der Zeit sehr gestiegen. Einige Primiceriate ver- wandelten sich in hohe Hofämter. Unter dem Ostgoten Theodahat ist ein Patrizier domesticus. Auch die burgundischen domestici, deren Bedeutung im übrigen unbekannt bleibt, hatten hohen Rang. Der fränkische Hofdomestikus entspricht ungefähr dem römischen comes rerum privatarum. Die fränkischen Provinzialdomestici haben etwa die Stellung der in den römischen Provinzen angestellten ratio- nales, nur daſs die Verwaltungsbezirke, wie das im fränkischen Ämter- wesen durchweg der Fall ist, kleiner sind als im römischen. Der domesticus am fränkischen Königshofe entlehnte seinen Namen wahr- 31 Cod. Theod. X 9, 1. 32 Cod. Theod. VI 30, 24. 33 Cod. Theod. X 1, 2; VI 30, 4. Adiutores und tabularii der kaiserlichen Domänenverwalter sind uns vielfach bezeugt. 34 Das hat Mommsen NA XIV 507 f. auf Grund von Cassiod. Var. X 11. 12 ausgeführt, wo es heiſst: primiceriatus, qui et domesticatus nominatur. Vgl. a. O. S. 505. Eine deutliche Bestätigung bietet Cod. Just. I 42, 2, vermutlich von 512, wo der domesticus an der Spitze eines Offiziums steht: μόνος ὁ τϱιβοῦνος ἢ ὁ .. βικάϱιος μετὰ τοῦ δομεστίκου καὶ τοῦ ἀκτουαϱίου καὶ τῶν ὀπτιώνων καὶ τοῦ νουμεϱαϱίου ἤτοι τοῦ βοηϑοῦ … In Istrien stehen im achten Jahrhundert unter dem Tribun, der bereits Militär und Civilgewalt vereinigt, domestici, vicarii und locoservatores. Placitum von Riziano v. J. 802 bei Waitz, VG III 490. 35 Nach Interpr. zu Brev. Al. Cod. Th. I 11, 2 soll der domesticus dem iudex durch Wahl der Bürger beigesellt werden. Nach den epitomae soll sich der iudex den domesticus nicht de alia provincia oder regione nehmen. Auch in Cod. Just. I 51 (de adsessoribus et domesticis et cancellariis iudicum) c. 3, 4, 9 scheinen mir die domestici nicht Hausleute, sondern Subalterne des judex zu sein, wogegen die domestici des comes Gothorum bei Cassiodor, Var. V 14, weil es mehrere sind, m. E. als dessen Hausleute genommen werden müssen.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/140>, abgerufen am 24.11.2024.