Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 71. Hof und Hofstaat. Gefolgschaft, Schar. Der Antrustio schwört dem König, wenn er inden Dienst aufgenommen wird, trustem et fidelitatem 13. Hat er so- nach seinen Namen nicht sowohl von der trustis, die er vom König empfängt, als von der trustis, die er ihm zu leisten verpflichtet ist, so ist protector, adiutor die Grundbedeutung des Wortes. Die An- trustionen bildeten eben ursprünglich die königliche Garde, eine be- rittene, militärisch organisierte Gefolgschaft, welche der Person des Königs und seinem Hause zum Schutze diente 14. In Anlehnung an römisch-byzantinischen Sprachgebrauch fassen merowingische Quellen sie als schola, scholares zusammen 15. Die Bezeichnung antrustio scheint im Volksmunde nicht üblich gewesen zu sein, da sie bei den Schrift- stellern und in den Urkunden der merowingischen Zeit nicht gebraucht wird 16. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch hat man die Antrustionen Chilperici c. 8. Dass antrutio eine Nebenform von antrustio, zeigt Lex Sal. 41, 4, Cod. F; 42, 2, Cod. 7. 13 Marculf I 18: veniens ibi in palatio nostro una cum arma sua in manu nostra trustem et fidelitatem nobis visus est coniurasse. Die Fassung des Eides ist aus der Eidesform zu erklären. Die Waffe spielt eine Rolle bei dem Eide. Der Schwörende schwört für sich und seine Waffe (daher coniurasse); er schwört seine Waffe in den Dienst des Königs. Der Eid wird in die Hand des Königs, d. h. mit Berührung derselben, geleistet. Vgl. Pseudo-Egbert c. 34, Wasserschleben, Bussordnungen S. 314: qui periuraverit in manu episcopi ... vel in cruce conse- crata ... Den Eid des Antrustio erwähnt Lex Salica 42, Cod. 6. 5, § 2, Hessels col. 266: si in truste dominica est iuratus. 14 Vgl. den Eid der germanischen Gefolgsgenossen in Tacitus Germ. I 14, oben I 139, Anm. 22 und die Formel: fidelis adiutor ero in den oben S. 61 f. Anm. 22. 33 angeführten Treueiden. 15 So Fortunat VII 4, Auct. antiquissimi S. 156, wo es von dem Majordomus Gogo heisst: cui schola congrediens plaudit amore sequax, so die älteste Vita Aldegundis, Mabillon, Acta SS ord. Bened. saec. II, S. 807: duorum quoque avun- culorum eius Gundelandi et Landrici nomina praefiximus, qui primatum pugnae istius legionis (so ist statt regionis zu lesen) tenuisse memorantur, quos Graeci scholares, nos quoque bellatores vocamus. Z2 f. RG IX 210 ff. Über die römischen scholae, Truppenkörper, die wie die Antrustionen sämtlich beritten waren, siehe Mommsen, Das römische Militärwesen seit Diocletian, Hermes XXIV 221 ff. 16 Die älteste Textform der Lex Salica umschreibt den Antrustio durch die
Wendung: qui in truste dominica est. Wo Cod. 2 und die Handschriften der dritten Familie antrustio haben (42, 2; 41, 3), kehrt die Emendata zur alten Umschreibung zurück. In 63, 2 sagt sie ex statt in truste (dominica). In Recapitulatio A. 30 haben zwei Handschriften in curte domini statt in truste dominica. Wohl eine Anspielung auf die Lex Salica ist es, wenn es Conventus Carisiac. v. J. 877, c. 20, Pertz, LL I 540, heisst: in triplo componat sicut ille qui in truste dominica com- mittit. Die allgemeine Bedeutung Gefolge, Schar hat trustis z. B. in Lex Salica 66. In den lateinisch geschriebenen Quellen begreift das Wort leudes im engeren Sinne auch die Antrustionen in sich. Siehe oben S. 11, Anm. 10. § 71. Hof und Hofstaat. Gefolgschaft, Schar. Der Antrustio schwört dem König, wenn er inden Dienst aufgenommen wird, trustem et fidelitatem 13. Hat er so- nach seinen Namen nicht sowohl von der trustis, die er vom König empfängt, als von der trustis, die er ihm zu leisten verpflichtet ist, so ist protector, adiutor die Grundbedeutung des Wortes. Die An- trustionen bildeten eben ursprünglich die königliche Garde, eine be- rittene, militärisch organisierte Gefolgschaft, welche der Person des Königs und seinem Hause zum Schutze diente 14. In Anlehnung an römisch-byzantinischen Sprachgebrauch fassen merowingische Quellen sie als schola, scholares zusammen 15. Die Bezeichnung antrustio scheint im Volksmunde nicht üblich gewesen zu sein, da sie bei den Schrift- stellern und in den Urkunden der merowingischen Zeit nicht gebraucht wird 16. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch hat man die Antrustionen Chilperici c. 8. Daſs antrutio eine Nebenform von antrustio, zeigt Lex Sal. 41, 4, Cod. F; 42, 2, Cod. 7. 13 Marculf I 18: veniens ibi in palatio nostro una cum arma sua in manu nostra trustem et fidelitatem nobis visus est coniurasse. Die Fassung des Eides ist aus der Eidesform zu erklären. Die Waffe spielt eine Rolle bei dem Eide. Der Schwörende schwört für sich und seine Waffe (daher coniurasse); er schwört seine Waffe in den Dienst des Königs. Der Eid wird in die Hand des Königs, d. h. mit Berührung derselben, geleistet. Vgl. Pseudo-Egbert c. 34, Wasserschleben, Buſsordnungen S. 314: qui periuraverit in manu episcopi … vel in cruce conse- crata … Den Eid des Antrustio erwähnt Lex Salica 42, Cod. 6. 5, § 2, Hessels col. 266: si in truste dominica est iuratus. 14 Vgl. den Eid der germanischen Gefolgsgenossen in Tacitus Germ. I 14, oben I 139, Anm. 22 und die Formel: fidelis adiutor ero in den oben S. 61 f. Anm. 22. 33 angeführten Treueiden. 15 So Fortunat VII 4, Auct. antiquissimi S. 156, wo es von dem Majordomus Gogo heiſst: cui schola congrediens plaudit amore sequax, so die älteste Vita Aldegundis, Mabillon, Acta SS ord. Bened. saec. II, S. 807: duorum quoque avun- culorum eius Gundelandi et Landrici nomina praefiximus, qui primatum pugnae istius legionis (so ist statt regionis zu lesen) tenuisse memorantur, quos Graeci scholares, nos quoque bellatores vocamus. Z2 f. RG IX 210 ff. Über die römischen scholae, Truppenkörper, die wie die Antrustionen sämtlich beritten waren, siehe Mommsen, Das römische Militärwesen seit Diocletian, Hermes XXIV 221 ff. 16 Die älteste Textform der Lex Salica umschreibt den Antrustio durch die
Wendung: qui in truste dominica est. Wo Cod. 2 und die Handschriften der dritten Familie antrustio haben (42, 2; 41, 3), kehrt die Emendata zur alten Umschreibung zurück. In 63, 2 sagt sie ex statt in truste (dominica). In Recapitulatio A. 30 haben zwei Handschriften in curte domini statt in truste dominica. Wohl eine Anspielung auf die Lex Salica ist es, wenn es Conventus Carisiac. v. J. 877, c. 20, Pertz, LL I 540, heiſst: in triplo componat sicut ille qui in truste dominica com- mittit. Die allgemeine Bedeutung Gefolge, Schar hat trustis z. B. in Lex Salica 66. In den lateinisch geschriebenen Quellen begreift das Wort leudes im engeren Sinne auch die Antrustionen in sich. Siehe oben S. 11, Anm. 10. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0116" n="98"/><fw place="top" type="header">§ 71. Hof und Hofstaat.</fw><lb/> Gefolgschaft, Schar. Der Antrustio schwört dem König, wenn er in<lb/> den Dienst aufgenommen wird, trustem et fidelitatem <note place="foot" n="13">Marculf I 18: veniens ibi in palatio nostro una cum arma sua in manu<lb/> nostra trustem et fidelitatem nobis visus est coniurasse. Die Fassung des Eides<lb/> ist aus der Eidesform zu erklären. Die Waffe spielt eine Rolle bei dem Eide.<lb/> Der Schwörende schwört für sich und seine Waffe (daher coniurasse); er schwört<lb/> seine Waffe in den Dienst des Königs. Der Eid wird in die Hand des Königs,<lb/> d. h. mit Berührung derselben, geleistet. Vgl. Pseudo-Egbert c. 34, Wasserschleben,<lb/> Buſsordnungen S. 314: qui periuraverit in manu episcopi … vel in cruce conse-<lb/> crata … Den Eid des Antrustio erwähnt Lex Salica 42, Cod. 6. 5, § 2, Hessels<lb/> col. 266: si in truste dominica est iuratus.</note>. Hat er so-<lb/> nach seinen Namen nicht sowohl von der trustis, die er vom König<lb/> empfängt, als von der trustis, die er ihm zu leisten verpflichtet ist,<lb/> so ist protector, adiutor die Grundbedeutung des Wortes. Die An-<lb/> trustionen bildeten eben ursprünglich die königliche Garde, eine be-<lb/> rittene, militärisch organisierte Gefolgschaft, welche der Person des<lb/> Königs und seinem Hause zum Schutze diente <note place="foot" n="14">Vgl. den Eid der germanischen Gefolgsgenossen in Tacitus Germ. I 14,<lb/> oben I 139, Anm. 22 und die Formel: fidelis adiutor ero in den oben S. 61 f.<lb/> Anm. 22. 33 angeführten Treueiden.</note>. In Anlehnung an<lb/> römisch-byzantinischen Sprachgebrauch fassen merowingische Quellen<lb/> sie als schola, scholares zusammen <note place="foot" n="15">So Fortunat VII 4, Auct. antiquissimi S. 156, wo es von dem Majordomus<lb/> Gogo heiſst: cui schola congrediens plaudit amore sequax, so die älteste Vita<lb/> Aldegundis, Mabillon, Acta SS ord. Bened. saec. II, S. 807: duorum quoque avun-<lb/> culorum eius Gundelandi et Landrici nomina praefiximus, qui primatum pugnae<lb/> istius legionis (so ist statt regionis zu lesen) tenuisse memorantur, quos Graeci<lb/> scholares, nos quoque bellatores vocamus. Z<hi rendition="#sup">2</hi> f. RG IX 210 ff. Über die römischen<lb/> scholae, Truppenkörper, die wie die Antrustionen sämtlich beritten waren, siehe<lb/><hi rendition="#g">Mommsen</hi>, Das römische Militärwesen seit Diocletian, Hermes XXIV 221 ff.</note>. Die Bezeichnung antrustio scheint<lb/> im Volksmunde nicht üblich gewesen zu sein, da sie bei den Schrift-<lb/> stellern und in den Urkunden der merowingischen Zeit nicht gebraucht<lb/> wird <note place="foot" n="16">Die älteste Textform der Lex Salica umschreibt den Antrustio durch die<lb/> Wendung: qui in truste dominica est. Wo Cod. 2 und die Handschriften der dritten<lb/> Familie antrustio haben (42, 2; 41, 3), kehrt die Emendata zur alten Umschreibung<lb/> zurück. In 63, 2 sagt sie ex statt in truste (dominica). In Recapitulatio A. 30<lb/> haben zwei Handschriften in curte domini statt in truste dominica. Wohl eine<lb/> Anspielung auf die Lex Salica ist es, wenn es Conventus Carisiac. v. J. 877, c. 20,<lb/> Pertz, LL I 540, heiſst: in triplo componat sicut ille qui in truste dominica com-<lb/> mittit. Die allgemeine Bedeutung Gefolge, Schar hat trustis z. B. in Lex<lb/> Salica 66. In den lateinisch geschriebenen Quellen begreift das Wort leudes im<lb/> engeren Sinne auch die Antrustionen in sich. Siehe oben S. 11, Anm. 10.</note>. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch hat man die Antrustionen<lb/><note xml:id="seg2pn_22_2" prev="#seg2pn_22_1" place="foot" n="12">Chilperici c. 8. Daſs antrutio eine Nebenform von antrustio, zeigt Lex Sal. 41, 4,<lb/> Cod. F; 42, 2, Cod. 7.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0116]
§ 71. Hof und Hofstaat.
Gefolgschaft, Schar. Der Antrustio schwört dem König, wenn er in
den Dienst aufgenommen wird, trustem et fidelitatem 13. Hat er so-
nach seinen Namen nicht sowohl von der trustis, die er vom König
empfängt, als von der trustis, die er ihm zu leisten verpflichtet ist,
so ist protector, adiutor die Grundbedeutung des Wortes. Die An-
trustionen bildeten eben ursprünglich die königliche Garde, eine be-
rittene, militärisch organisierte Gefolgschaft, welche der Person des
Königs und seinem Hause zum Schutze diente 14. In Anlehnung an
römisch-byzantinischen Sprachgebrauch fassen merowingische Quellen
sie als schola, scholares zusammen 15. Die Bezeichnung antrustio scheint
im Volksmunde nicht üblich gewesen zu sein, da sie bei den Schrift-
stellern und in den Urkunden der merowingischen Zeit nicht gebraucht
wird 16. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch hat man die Antrustionen
12
13 Marculf I 18: veniens ibi in palatio nostro una cum arma sua in manu
nostra trustem et fidelitatem nobis visus est coniurasse. Die Fassung des Eides
ist aus der Eidesform zu erklären. Die Waffe spielt eine Rolle bei dem Eide.
Der Schwörende schwört für sich und seine Waffe (daher coniurasse); er schwört
seine Waffe in den Dienst des Königs. Der Eid wird in die Hand des Königs,
d. h. mit Berührung derselben, geleistet. Vgl. Pseudo-Egbert c. 34, Wasserschleben,
Buſsordnungen S. 314: qui periuraverit in manu episcopi … vel in cruce conse-
crata … Den Eid des Antrustio erwähnt Lex Salica 42, Cod. 6. 5, § 2, Hessels
col. 266: si in truste dominica est iuratus.
14 Vgl. den Eid der germanischen Gefolgsgenossen in Tacitus Germ. I 14,
oben I 139, Anm. 22 und die Formel: fidelis adiutor ero in den oben S. 61 f.
Anm. 22. 33 angeführten Treueiden.
15 So Fortunat VII 4, Auct. antiquissimi S. 156, wo es von dem Majordomus
Gogo heiſst: cui schola congrediens plaudit amore sequax, so die älteste Vita
Aldegundis, Mabillon, Acta SS ord. Bened. saec. II, S. 807: duorum quoque avun-
culorum eius Gundelandi et Landrici nomina praefiximus, qui primatum pugnae
istius legionis (so ist statt regionis zu lesen) tenuisse memorantur, quos Graeci
scholares, nos quoque bellatores vocamus. Z2 f. RG IX 210 ff. Über die römischen
scholae, Truppenkörper, die wie die Antrustionen sämtlich beritten waren, siehe
Mommsen, Das römische Militärwesen seit Diocletian, Hermes XXIV 221 ff.
16 Die älteste Textform der Lex Salica umschreibt den Antrustio durch die
Wendung: qui in truste dominica est. Wo Cod. 2 und die Handschriften der dritten
Familie antrustio haben (42, 2; 41, 3), kehrt die Emendata zur alten Umschreibung
zurück. In 63, 2 sagt sie ex statt in truste (dominica). In Recapitulatio A. 30
haben zwei Handschriften in curte domini statt in truste dominica. Wohl eine
Anspielung auf die Lex Salica ist es, wenn es Conventus Carisiac. v. J. 877, c. 20,
Pertz, LL I 540, heiſst: in triplo componat sicut ille qui in truste dominica com-
mittit. Die allgemeine Bedeutung Gefolge, Schar hat trustis z. B. in Lex
Salica 66. In den lateinisch geschriebenen Quellen begreift das Wort leudes im
engeren Sinne auch die Antrustionen in sich. Siehe oben S. 11, Anm. 10.
12 Chilperici c. 8. Daſs antrutio eine Nebenform von antrustio, zeigt Lex Sal. 41, 4,
Cod. F; 42, 2, Cod. 7.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |