Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 71. Hof und Hofstaat. regis1. Da die Fäden der Reichsverwaltung in der Hand des Königszusammenlaufen, ist sein Hof der Brennpunkt der Reichsregierung und konnte es kommen, dass ursprüngliche Beamte der Hofverwaltung die wichtigsten Organe der Reichsverwaltung wurden. Über die Ordnung der Hofverwaltung haben wir aus merowin- Für den Hofstaat, d. h. die Gesamtheit der im Hofdienst be- 1 In dem bei Waitz, VG III 255, Anm. 1 angeführten lateinischen Gedichte. In Annales Fuldenses zu 873, MG SS I 385 für den Hoftag. Vita Desiderii Vienn. § 9, AA SS Mai V 256: congregata optimatum suorum curia. 2 Geboren 753, gestorben 826. Eine Vita Adalhardi in den Acta SS Juni I, S. 96--111 und auszugsweise in Mon. Germ. SS II 524 ff. Vgl. über Adalhard, Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen I5 235 ff. Prou, Hincmar de ordine Palatii S. 32, Anm. 1. S. 98. 3 Neueste Ausgabe mit Erläuterungen von Prou (1885) in der Bibliotheque de l'ecole des hautes etudes, fasc. 58. Ausserdem in Walters Corpus iur. germ. III 761 ff. und bei Migne, Patrologia lat. CXXV 993. Ausgewählte Kapitel mit Kom- mentar bei Gengler, Rechtsdenkmäler S. 692 ff. Die Mon. Germ. werden Hink- mars Schrift als Anhang zum 2. Bande der Kapitularien bringen. 4 Cap. I--XI und XXXVII sind ausschliesslich aus Hinkmars Feder. 5 A. Pernice, De comitibus palatii commentatio 1863, S. 47 ff. 6 Siehe die Stellen bei Waitz, VG II 2, Anm. 3, S. 112; III 497, Anm. 3. 7 Wie schon bei den Römern domesticus in allgemeiner Anwendung für den
Hausgenossen gebraucht wird, Mommsen, Observationes epigraphicae Nr. 35, Ephem. § 71. Hof und Hofstaat. regis1. Da die Fäden der Reichsverwaltung in der Hand des Königszusammenlaufen, ist sein Hof der Brennpunkt der Reichsregierung und konnte es kommen, daſs ursprüngliche Beamte der Hofverwaltung die wichtigsten Organe der Reichsverwaltung wurden. Über die Ordnung der Hofverwaltung haben wir aus merowin- Für den Hofstaat, d. h. die Gesamtheit der im Hofdienst be- 1 In dem bei Waitz, VG III 255, Anm. 1 angeführten lateinischen Gedichte. In Annales Fuldenses zu 873, MG SS I 385 für den Hoftag. Vita Desiderii Vienn. § 9, AA SS Mai V 256: congregata optimatum suorum curia. 2 Geboren 753, gestorben 826. Eine Vita Adalhardi in den Acta SS Juni I, S. 96—111 und auszugsweise in Mon. Germ. SS II 524 ff. Vgl. über Adalhard, Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen I5 235 ff. Prou, Hincmar de ordine Palatii S. 32, Anm. 1. S. 98. 3 Neueste Ausgabe mit Erläuterungen von Prou (1885) in der Bibliothèque de l’école des hautes études, fasc. 58. Auſserdem in Walters Corpus iur. germ. III 761 ff. und bei Migne, Patrologia lat. CXXV 993. Ausgewählte Kapitel mit Kom- mentar bei Gengler, Rechtsdenkmäler S. 692 ff. Die Mon. Germ. werden Hink- mars Schrift als Anhang zum 2. Bande der Kapitularien bringen. 4 Cap. I—XI und XXXVII sind ausschlieſslich aus Hinkmars Feder. 5 A. Pernice, De comitibus palatii commentatio 1863, S. 47 ff. 6 Siehe die Stellen bei Waitz, VG II 2, Anm. 3, S. 112; III 497, Anm. 3. 7 Wie schon bei den Römern domesticus in allgemeiner Anwendung für den
Hausgenossen gebraucht wird, Mommsen, Observationes epigraphicae Nr. 35, Ephem. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0114" n="96"/><fw place="top" type="header">§ 71. Hof und Hofstaat.</fw><lb/> regis<note place="foot" n="1">In dem bei <hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG III 255, Anm. 1 angeführten lateinischen Gedichte.<lb/> In Annales Fuldenses zu 873, MG SS I 385 für den Hoftag. Vita Desiderii Vienn.<lb/> § 9, AA SS Mai V 256: congregata optimatum suorum curia.</note>. Da die Fäden der Reichsverwaltung in der Hand des Königs<lb/> zusammenlaufen, ist sein Hof der Brennpunkt der Reichsregierung und<lb/> konnte es kommen, daſs ursprüngliche Beamte der Hofverwaltung die<lb/> wichtigsten Organe der Reichsverwaltung wurden.</p><lb/> <p>Über die Ordnung der Hofverwaltung haben wir aus merowin-<lb/> gischer Zeit nur ziemlich spärliche Nachrichten. Dagegen wurde sie<lb/> unter den Karolingern Gegenstand einer bedeutsamen litterarischen<lb/> Arbeit. Einer der Räte Karls des Groſsen, ein Verwandter des karo-<lb/> lingischen Hauses, Adalhard, Abt von Corbie<note place="foot" n="2">Geboren 753, gestorben 826. Eine Vita Adalhardi in den Acta SS Juni I,<lb/> S. 96—111 und auszugsweise in Mon. Germ. SS II 524 ff. Vgl. über Adalhard,<lb/><hi rendition="#g">Wattenbach</hi>, Deutschlands Geschichtsquellen I<hi rendition="#sup">5</hi> 235 ff. <hi rendition="#g">Prou</hi>, Hincmar de<lb/> ordine Palatii S. 32, Anm. 1. S. 98.</note>, schrieb einen libellus<lb/> de ordine palatii. Diese Schrift, welche uns leider nicht überliefert<lb/> ist, hat Erzbischof Hinkmar von Reims einer epistola de ordine pa-<lb/> latii zu Grunde gelegt, die er 882 verfaſste, um Karlmann, dem<lb/> Sohne Ludwigs des Stammlers, und seinen Räten ein Bild der<lb/> Hofverwaltung aus der glänzendsten Zeit des fränkischen Reiches vor<lb/> Augen zu führen<note place="foot" n="3">Neueste Ausgabe mit Erläuterungen von <hi rendition="#g">Prou</hi> (1885) in der Bibliothèque<lb/> de l’école des hautes études, fasc. 58. Auſserdem in Walters Corpus iur. germ.<lb/> III 761 ff. und bei Migne, Patrologia lat. CXXV 993. Ausgewählte Kapitel mit Kom-<lb/> mentar bei <hi rendition="#g">Gengler</hi>, Rechtsdenkmäler S. 692 ff. Die Mon. Germ. werden Hink-<lb/> mars Schrift als Anhang zum 2. Bande der Kapitularien bringen.</note>. Nicht ohne Tendenz geschrieben wie fast alles,<lb/> was aus der Feder dieses ehrgeizigen und wenig gewissenhaften Prä-<lb/> laten stammt, trug Hinkmars Darstellung in die von ihm verarbeitete<lb/> Schrift<note place="foot" n="4">Cap. I—XI und XXXVII sind ausschlieſslich aus Hinkmars Feder.</note> fremdartige Züge hinein, indem sie den Einfluſs einzelner<lb/> Hofämter und die Stellung der geistlichen Hofleute wahrheitswidrig<lb/> erhöhte und wohl auch von Adalhards Ausführungen manches unter-<lb/> drückte, was zu Hinkmars hierarchischen Bestrebungen und zu der<lb/> Haltung nicht zu passen schien, die er zu den damaligen Verhält-<lb/> nissen des westfränkischen Hofes einnahm<note place="foot" n="5">A. <hi rendition="#g">Pernice</hi>, De comitibus palatii commentatio 1863, S. 47 ff.</note>.</p><lb/> <p>Für den Hofstaat, d. h. die Gesamtheit der im Hofdienst be-<lb/> findlichen und in die domus regia aufgenommenen Personen, finden<lb/> sich die Bezeichnungen aulici<note place="foot" n="6">Siehe die Stellen bei <hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG II 2, Anm. 3, S. 112; III 497, Anm. 3.</note>, palatini und wohl auch domestici<note xml:id="seg2pn_21_1" next="#seg2pn_21_2" place="foot" n="7">Wie schon bei den Römern domesticus in allgemeiner Anwendung für den<lb/> Hausgenossen gebraucht wird, <hi rendition="#g">Mommsen</hi>, Observationes epigraphicae Nr. 35, Ephem.</note>.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0114]
§ 71. Hof und Hofstaat.
regis 1. Da die Fäden der Reichsverwaltung in der Hand des Königs
zusammenlaufen, ist sein Hof der Brennpunkt der Reichsregierung und
konnte es kommen, daſs ursprüngliche Beamte der Hofverwaltung die
wichtigsten Organe der Reichsverwaltung wurden.
Über die Ordnung der Hofverwaltung haben wir aus merowin-
gischer Zeit nur ziemlich spärliche Nachrichten. Dagegen wurde sie
unter den Karolingern Gegenstand einer bedeutsamen litterarischen
Arbeit. Einer der Räte Karls des Groſsen, ein Verwandter des karo-
lingischen Hauses, Adalhard, Abt von Corbie 2, schrieb einen libellus
de ordine palatii. Diese Schrift, welche uns leider nicht überliefert
ist, hat Erzbischof Hinkmar von Reims einer epistola de ordine pa-
latii zu Grunde gelegt, die er 882 verfaſste, um Karlmann, dem
Sohne Ludwigs des Stammlers, und seinen Räten ein Bild der
Hofverwaltung aus der glänzendsten Zeit des fränkischen Reiches vor
Augen zu führen 3. Nicht ohne Tendenz geschrieben wie fast alles,
was aus der Feder dieses ehrgeizigen und wenig gewissenhaften Prä-
laten stammt, trug Hinkmars Darstellung in die von ihm verarbeitete
Schrift 4 fremdartige Züge hinein, indem sie den Einfluſs einzelner
Hofämter und die Stellung der geistlichen Hofleute wahrheitswidrig
erhöhte und wohl auch von Adalhards Ausführungen manches unter-
drückte, was zu Hinkmars hierarchischen Bestrebungen und zu der
Haltung nicht zu passen schien, die er zu den damaligen Verhält-
nissen des westfränkischen Hofes einnahm 5.
Für den Hofstaat, d. h. die Gesamtheit der im Hofdienst be-
findlichen und in die domus regia aufgenommenen Personen, finden
sich die Bezeichnungen aulici 6, palatini und wohl auch domestici 7.
1 In dem bei Waitz, VG III 255, Anm. 1 angeführten lateinischen Gedichte.
In Annales Fuldenses zu 873, MG SS I 385 für den Hoftag. Vita Desiderii Vienn.
§ 9, AA SS Mai V 256: congregata optimatum suorum curia.
2 Geboren 753, gestorben 826. Eine Vita Adalhardi in den Acta SS Juni I,
S. 96—111 und auszugsweise in Mon. Germ. SS II 524 ff. Vgl. über Adalhard,
Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen I5 235 ff. Prou, Hincmar de
ordine Palatii S. 32, Anm. 1. S. 98.
3 Neueste Ausgabe mit Erläuterungen von Prou (1885) in der Bibliothèque
de l’école des hautes études, fasc. 58. Auſserdem in Walters Corpus iur. germ.
III 761 ff. und bei Migne, Patrologia lat. CXXV 993. Ausgewählte Kapitel mit Kom-
mentar bei Gengler, Rechtsdenkmäler S. 692 ff. Die Mon. Germ. werden Hink-
mars Schrift als Anhang zum 2. Bande der Kapitularien bringen.
4 Cap. I—XI und XXXVII sind ausschlieſslich aus Hinkmars Feder.
5 A. Pernice, De comitibus palatii commentatio 1863, S. 47 ff.
6 Siehe die Stellen bei Waitz, VG II 2, Anm. 3, S. 112; III 497, Anm. 3.
7 Wie schon bei den Römern domesticus in allgemeiner Anwendung für den
Hausgenossen gebraucht wird, Mommsen, Observationes epigraphicae Nr. 35, Ephem.
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