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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 70. Der fränkische König als Patricius Romanorum
rechten ausgestattete geistliche Herrschaft dar, welche innerhalb des
fränkischen Reiches lag19.

An Stelle des Patriciats trat im Jahre 800 die höhere Würde des
römischen Kaisers. Schon an Karls Hofe, in dessen gelehrter Um-
gebung, war die Auffassung entstanden, dass Karl eine kaiserliche
Herrschaft ausübe und zur Kaiserwürde berufen sei. Dem selbstän-
digen Ausreifen dieses Gedankens kam der Papst zuvor. Zu Weih-
nachten 800, als Karl in der Peterskirche sein Gebet verrichtete, setzte
ihm Leo III. die Kaiserkrone auf. Die anwesenden Römer accla-
mierten ihn als Augustus a Deo coronatus magnus et pacificus impe-
rator Romanorum20. Daraufhin begrüsste ihn der Papst als Kaiser
und huldigte ihm seinerseits als Unterthan, indem er ihn adorierte,
wie die Imperatoren adoriert zu werden pflegten. Wenn eine Salbung
stattfand, so ist sie jedenfalls erst nach dem Krönungsakte vollzogen
worden21.

Karl war durch die Übertragung der Kaiserwürde überrascht
worden. Nach einem durchaus glaubwürdigen Berichte äusserte er
sich, er wäre trotz des hohen Festtages nicht zur Kirche gegangen,
wenn er um den Plan gewusst hätte22. Wahrscheinlich wäre es seine
Absicht gewesen, die Kaiserwürde auf dem Wege der Verhandlung mit
Byzanz und in anderer Form zu erwerben.

Anfangs scheint Karl das Kaisertum nur als eine persönliche
Würde angesehen zu haben, wie er es denn in der divisio von 806
auffällig ignorierte23. Erst nachdem seine Kaiserwürde die Aner-
kennung des griechischen Kaisers gefunden hatte24, ging Karl ans
Werk, das Kaisertum für die Zukunft mit seinem Reiche und mit

19 In Karls Testament wird Rom an der Spitze der 21 Metropolitankirchen
des fränkischen Reiches genannt. Einhard, Vita Karoli c. 33.
20 Dieser Formel entspricht der von Karl geführte Kaisertitel. Siehe oben
S. 14. A deo coronatus heisst schon Konstantin im Liber diurnus Nr. 73. Vgl.
Nr. 103 i. f.
21 Mühlbacher Nr. 361 c, S. 148. Derselbe, Deutsche Geschichte S. 201,
Anm. 1.
22 Einhard, Vita Karoli c. 28: Quo tempore imperatoris et augusti nomen
accepit. Quod primo in tantum aversatus est, ut adfirmaret se eo die, quamvis
praecipua festivitas esset, ecclesiam non intraturum, si pontificis consilium praescire
potuisset. Dahn, Urgeschichte III 1080. Ranke, Weltgeschichte V 2, S. 186 f.
Mühlbacher, Deutsche Geschichte S. 201 ff.
23 Am auffälligsten in c. 15, wo er den Schutz der römischen Kirche seinen
drei Söhnen gemeinschaftlich überträgt, wie er von Karl Martell, Pippin und ihm
selbst übernommen worden sei. Es war wohl Absicht, dass dabei bis auf Karl
Martell zurückgegangen wurde, der weder Patricius noch Kaiser war.
24 Mühlbacher Nr. 456 b.

§ 70. Der fränkische König als Patricius Romanorum
rechten ausgestattete geistliche Herrschaft dar, welche innerhalb des
fränkischen Reiches lag19.

An Stelle des Patriciats trat im Jahre 800 die höhere Würde des
römischen Kaisers. Schon an Karls Hofe, in dessen gelehrter Um-
gebung, war die Auffassung entstanden, daſs Karl eine kaiserliche
Herrschaft ausübe und zur Kaiserwürde berufen sei. Dem selbstän-
digen Ausreifen dieses Gedankens kam der Papst zuvor. Zu Weih-
nachten 800, als Karl in der Peterskirche sein Gebet verrichtete, setzte
ihm Leo III. die Kaiserkrone auf. Die anwesenden Römer accla-
mierten ihn als Augustus a Deo coronatus magnus et pacificus impe-
rator Romanorum20. Daraufhin begrüſste ihn der Papst als Kaiser
und huldigte ihm seinerseits als Unterthan, indem er ihn adorierte,
wie die Imperatoren adoriert zu werden pflegten. Wenn eine Salbung
stattfand, so ist sie jedenfalls erst nach dem Krönungsakte vollzogen
worden21.

Karl war durch die Übertragung der Kaiserwürde überrascht
worden. Nach einem durchaus glaubwürdigen Berichte äuſserte er
sich, er wäre trotz des hohen Festtages nicht zur Kirche gegangen,
wenn er um den Plan gewuſst hätte22. Wahrscheinlich wäre es seine
Absicht gewesen, die Kaiserwürde auf dem Wege der Verhandlung mit
Byzanz und in anderer Form zu erwerben.

Anfangs scheint Karl das Kaisertum nur als eine persönliche
Würde angesehen zu haben, wie er es denn in der divisio von 806
auffällig ignorierte23. Erst nachdem seine Kaiserwürde die Aner-
kennung des griechischen Kaisers gefunden hatte24, ging Karl ans
Werk, das Kaisertum für die Zukunft mit seinem Reiche und mit

19 In Karls Testament wird Rom an der Spitze der 21 Metropolitankirchen
des fränkischen Reiches genannt. Einhard, Vita Karoli c. 33.
20 Dieser Formel entspricht der von Karl geführte Kaisertitel. Siehe oben
S. 14. A deo coronatus heiſst schon Konstantin im Liber diurnus Nr. 73. Vgl.
Nr. 103 i. f.
21 Mühlbacher Nr. 361 c, S. 148. Derselbe, Deutsche Geschichte S. 201,
Anm. 1.
22 Einhard, Vita Karoli c. 28: Quo tempore imperatoris et augusti nomen
accepit. Quod primo in tantum aversatus est, ut adfirmaret se eo die, quamvis
praecipua festivitas esset, ecclesiam non intraturum, si pontificis consilium praescire
potuisset. Dahn, Urgeschichte III 1080. Ranke, Weltgeschichte V 2, S. 186 f.
Mühlbacher, Deutsche Geschichte S. 201 ff.
23 Am auffälligsten in c. 15, wo er den Schutz der römischen Kirche seinen
drei Söhnen gemeinschaftlich überträgt, wie er von Karl Martell, Pippin und ihm
selbst übernommen worden sei. Es war wohl Absicht, daſs dabei bis auf Karl
Martell zurückgegangen wurde, der weder Patricius noch Kaiser war.
24 Mühlbacher Nr. 456 b.
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[88/0106] § 70. Der fränkische König als Patricius Romanorum rechten ausgestattete geistliche Herrschaft dar, welche innerhalb des fränkischen Reiches lag 19. An Stelle des Patriciats trat im Jahre 800 die höhere Würde des römischen Kaisers. Schon an Karls Hofe, in dessen gelehrter Um- gebung, war die Auffassung entstanden, daſs Karl eine kaiserliche Herrschaft ausübe und zur Kaiserwürde berufen sei. Dem selbstän- digen Ausreifen dieses Gedankens kam der Papst zuvor. Zu Weih- nachten 800, als Karl in der Peterskirche sein Gebet verrichtete, setzte ihm Leo III. die Kaiserkrone auf. Die anwesenden Römer accla- mierten ihn als Augustus a Deo coronatus magnus et pacificus impe- rator Romanorum 20. Daraufhin begrüſste ihn der Papst als Kaiser und huldigte ihm seinerseits als Unterthan, indem er ihn adorierte, wie die Imperatoren adoriert zu werden pflegten. Wenn eine Salbung stattfand, so ist sie jedenfalls erst nach dem Krönungsakte vollzogen worden 21. Karl war durch die Übertragung der Kaiserwürde überrascht worden. Nach einem durchaus glaubwürdigen Berichte äuſserte er sich, er wäre trotz des hohen Festtages nicht zur Kirche gegangen, wenn er um den Plan gewuſst hätte 22. Wahrscheinlich wäre es seine Absicht gewesen, die Kaiserwürde auf dem Wege der Verhandlung mit Byzanz und in anderer Form zu erwerben. Anfangs scheint Karl das Kaisertum nur als eine persönliche Würde angesehen zu haben, wie er es denn in der divisio von 806 auffällig ignorierte 23. Erst nachdem seine Kaiserwürde die Aner- kennung des griechischen Kaisers gefunden hatte 24, ging Karl ans Werk, das Kaisertum für die Zukunft mit seinem Reiche und mit 19 In Karls Testament wird Rom an der Spitze der 21 Metropolitankirchen des fränkischen Reiches genannt. Einhard, Vita Karoli c. 33. 20 Dieser Formel entspricht der von Karl geführte Kaisertitel. Siehe oben S. 14. A deo coronatus heiſst schon Konstantin im Liber diurnus Nr. 73. Vgl. Nr. 103 i. f. 21 Mühlbacher Nr. 361 c, S. 148. Derselbe, Deutsche Geschichte S. 201, Anm. 1. 22 Einhard, Vita Karoli c. 28: Quo tempore imperatoris et augusti nomen accepit. Quod primo in tantum aversatus est, ut adfirmaret se eo die, quamvis praecipua festivitas esset, ecclesiam non intraturum, si pontificis consilium praescire potuisset. Dahn, Urgeschichte III 1080. Ranke, Weltgeschichte V 2, S. 186 f. Mühlbacher, Deutsche Geschichte S. 201 ff. 23 Am auffälligsten in c. 15, wo er den Schutz der römischen Kirche seinen drei Söhnen gemeinschaftlich überträgt, wie er von Karl Martell, Pippin und ihm selbst übernommen worden sei. Es war wohl Absicht, daſs dabei bis auf Karl Martell zurückgegangen wurde, der weder Patricius noch Kaiser war. 24 Mühlbacher Nr. 456 b.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/106>, abgerufen am 22.11.2024.