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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 12. Das Haus.

Die vertragsmässige Eheschliessung erfolgte einer ursprünglich
altgermanischen Sitte gemäss durch Frauenkauf. Der Kaufvertrag
wurde zwischen dem Bräutigam und seinen Magen einerseits, dem
Vater oder Vormund der Braut und ihren Magen andrerseits abge-
schlossen. Die Braut selbst war nicht Kontrahentin, sondern Objekt
des Kaufvertrags. Verheiraten heisst noch in den Volksrechten der
folgenden Periode uxorem emere, feminam vendere18, der für die
Braut gezahlte Preis wird pretium emtionis19, pretium nuptiale20
oder pretium21, die Braut puella emta22, die Verlobung mercatio ge-
nannt23. Wenn man ein Mädchen kauft, so sagt ein kentisches Ge-
setz24, so sei es mit dem Kauf gekauft, falls kein Trug dabei ist.
Ist aber Trug dabei, so bringe er sie nach Hause zurück und man
gebe ihm sein Geld wieder. Noch roher klingt eine andere Stelle
der Gesetze König Aethelbirhts: wenn ein Freier bei eines Freien Frau
liegt, so kaufe er sie mit ihrem Wergeld und erwerbe mit seinem
Gelde eine andere Frau, die er jenem heimbringe25. Der Frauenkauf
ist noch den jüngeren ostfriesischen Quellen bekannt und wurde noch
im 15. Jahrhundert bei den Dietmarschen geübt26. Und wie im
Mittelalter die Redensart eine Frau kaufen vielfach verbreitet war,
so bezeichnet in Holland der Volksmund noch jetzt die Braut als
"verkocht" (verkauft)27.

Wie jeder Kauf war auch der Frauenkauf ursprünglich ein Zug
um Zug erfülltes Baargeschäft, indem von der einen Seite die Zahlung
des Kaufpreises, von der anderen die Hingabe der Braut erfolgte.
Aber schon früh hat mit der Verfeinerung der Sitte die Eheschliessung
diesen Charakter eingebüsst und fielen der Veräusserungsvertrag über
die Braut und die Übergabe derselben zeitlich auseinander28, so dass
der ursprünglich einheitliche Akt der Eheschliessung sich in die Akte
der Verlobung und der Trauung spaltete. Die Verlobung (der Ver-
äusserungsvertrag) ist bindend, wenn der Kaufpreis bezahlt oder durch
rechtsförmlichen Wettvertrag versprochen worden ist. Für den Kauf-

18 Lex Sax. c. 49. 65. Richthofen, Zur Lex Sax. S 288 f.
19 Lex Sax. c. 43.
20 Lex Burg. c. 34. 42, 2. 61.
21 Lex Wisigothorum III 1, 2. III 4, 7.
22 Pactus Alam. 3, 29; Lex Alam. Lantfr. 97, 4.
23 Form. Wisigoth. 18.
24 Aethelbirht c. 77.
25 Aethelbirht c. 31.
26 Richthofen, Zur Lex Sax. S 291.
27 Noordewier, Regtsoudh. S 177.
28 Das lässt sich bereits aus Tacitus, Ann. I 55 schliessen: Arminius filiam
eius (Segestis) alii pactam rapuerat.
§ 12. Das Haus.

Die vertragsmäſsige Eheschlieſsung erfolgte einer ursprünglich
altgermanischen Sitte gemäſs durch Frauenkauf. Der Kaufvertrag
wurde zwischen dem Bräutigam und seinen Magen einerseits, dem
Vater oder Vormund der Braut und ihren Magen andrerseits abge-
schlossen. Die Braut selbst war nicht Kontrahentin, sondern Objekt
des Kaufvertrags. Verheiraten heiſst noch in den Volksrechten der
folgenden Periode uxorem emere, feminam vendere18, der für die
Braut gezahlte Preis wird pretium emtionis19, pretium nuptiale20
oder pretium21, die Braut puella emta22, die Verlobung mercatio ge-
nannt23. Wenn man ein Mädchen kauft, so sagt ein kentisches Ge-
setz24, so sei es mit dem Kauf gekauft, falls kein Trug dabei ist.
Ist aber Trug dabei, so bringe er sie nach Hause zurück und man
gebe ihm sein Geld wieder. Noch roher klingt eine andere Stelle
der Gesetze König Aethelbirhts: wenn ein Freier bei eines Freien Frau
liegt, so kaufe er sie mit ihrem Wergeld und erwerbe mit seinem
Gelde eine andere Frau, die er jenem heimbringe25. Der Frauenkauf
ist noch den jüngeren ostfriesischen Quellen bekannt und wurde noch
im 15. Jahrhundert bei den Dietmarschen geübt26. Und wie im
Mittelalter die Redensart eine Frau kaufen vielfach verbreitet war,
so bezeichnet in Holland der Volksmund noch jetzt die Braut als
„verkocht“ (verkauft)27.

Wie jeder Kauf war auch der Frauenkauf ursprünglich ein Zug
um Zug erfülltes Baargeschäft, indem von der einen Seite die Zahlung
des Kaufpreises, von der anderen die Hingabe der Braut erfolgte.
Aber schon früh hat mit der Verfeinerung der Sitte die Eheschlieſsung
diesen Charakter eingebüſst und fielen der Veräuſserungsvertrag über
die Braut und die Übergabe derselben zeitlich auseinander28, so daſs
der ursprünglich einheitliche Akt der Eheschlieſsung sich in die Akte
der Verlobung und der Trauung spaltete. Die Verlobung (der Ver-
äuſserungsvertrag) ist bindend, wenn der Kaufpreis bezahlt oder durch
rechtsförmlichen Wettvertrag versprochen worden ist. Für den Kauf-

18 Lex Sax. c. 49. 65. Richthofen, Zur Lex Sax. S 288 f.
19 Lex Sax. c. 43.
20 Lex Burg. c. 34. 42, 2. 61.
21 Lex Wisigothorum III 1, 2. III 4, 7.
22 Pactus Alam. 3, 29; Lex Alam. Lantfr. 97, 4.
23 Form. Wisigoth. 18.
24 Aethelbirht c. 77.
25 Aethelbirht c. 31.
26 Richthofen, Zur Lex Sax. S 291.
27 Noordewier, Regtsoudh. S 177.
28 Das läſst sich bereits aus Tacitus, Ann. I 55 schlieſsen: Arminius filiam
eius (Segestis) alii pactam rapuerat.
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[74/0092] § 12. Das Haus. Die vertragsmäſsige Eheschlieſsung erfolgte einer ursprünglich altgermanischen Sitte gemäſs durch Frauenkauf. Der Kaufvertrag wurde zwischen dem Bräutigam und seinen Magen einerseits, dem Vater oder Vormund der Braut und ihren Magen andrerseits abge- schlossen. Die Braut selbst war nicht Kontrahentin, sondern Objekt des Kaufvertrags. Verheiraten heiſst noch in den Volksrechten der folgenden Periode uxorem emere, feminam vendere 18, der für die Braut gezahlte Preis wird pretium emtionis 19, pretium nuptiale 20 oder pretium 21, die Braut puella emta 22, die Verlobung mercatio ge- nannt 23. Wenn man ein Mädchen kauft, so sagt ein kentisches Ge- setz 24, so sei es mit dem Kauf gekauft, falls kein Trug dabei ist. Ist aber Trug dabei, so bringe er sie nach Hause zurück und man gebe ihm sein Geld wieder. Noch roher klingt eine andere Stelle der Gesetze König Aethelbirhts: wenn ein Freier bei eines Freien Frau liegt, so kaufe er sie mit ihrem Wergeld und erwerbe mit seinem Gelde eine andere Frau, die er jenem heimbringe 25. Der Frauenkauf ist noch den jüngeren ostfriesischen Quellen bekannt und wurde noch im 15. Jahrhundert bei den Dietmarschen geübt 26. Und wie im Mittelalter die Redensart eine Frau kaufen vielfach verbreitet war, so bezeichnet in Holland der Volksmund noch jetzt die Braut als „verkocht“ (verkauft) 27. Wie jeder Kauf war auch der Frauenkauf ursprünglich ein Zug um Zug erfülltes Baargeschäft, indem von der einen Seite die Zahlung des Kaufpreises, von der anderen die Hingabe der Braut erfolgte. Aber schon früh hat mit der Verfeinerung der Sitte die Eheschlieſsung diesen Charakter eingebüſst und fielen der Veräuſserungsvertrag über die Braut und die Übergabe derselben zeitlich auseinander 28, so daſs der ursprünglich einheitliche Akt der Eheschlieſsung sich in die Akte der Verlobung und der Trauung spaltete. Die Verlobung (der Ver- äuſserungsvertrag) ist bindend, wenn der Kaufpreis bezahlt oder durch rechtsförmlichen Wettvertrag versprochen worden ist. Für den Kauf- 18 Lex Sax. c. 49. 65. Richthofen, Zur Lex Sax. S 288 f. 19 Lex Sax. c. 43. 20 Lex Burg. c. 34. 42, 2. 61. 21 Lex Wisigothorum III 1, 2. III 4, 7. 22 Pactus Alam. 3, 29; Lex Alam. Lantfr. 97, 4. 23 Form. Wisigoth. 18. 24 Aethelbirht c. 77. 25 Aethelbirht c. 31. 26 Richthofen, Zur Lex Sax. S 291. 27 Noordewier, Regtsoudh. S 177. 28 Das läſst sich bereits aus Tacitus, Ann. I 55 schlieſsen: Arminius filiam eius (Segestis) alii pactam rapuerat.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/92>, abgerufen am 22.11.2024.