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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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des römischen Westreichs.

In spätrömischer Zeit war die Einquartierung der Soldaten derart
geregelt, dass der einquartierte Soldat von dem Hauseigentümer, dem
er als Einquartierung überwiesen worden war, ein Drittel seines
Hauses beanspruchen konnte. Von den Dritteln, in die das Haus
geteilt wurde, sollte das erste der Quartiergeber sich auswählen. Die
zwei übrigen standen zur Wahl des Soldaten. Das Drittel, welches
dieser ablehnte, verblieb dem Wirte 1. Das Verhältnis zwischen dem
Wirte und dem einquartierten Soldaten hiess hospitalitas, der letztere
hospes, der erstere possessor, dominus, mitunter gleichfalls hospes 2.
Verpflegung konnte der hospes von dem possessor nicht beanspruchen.
Er musste sich in dieser Beziehung mit der annona begnügen, welche
ihm von der Militärverwaltung aus den fiskalischen Magazinen in
Naturalien, manchmal zum Teil in Geld geliefert wurde.

Gleich den römischen Truppen haben die Germanen bei den
römischen possessores Unterkunft genommen. Sie konnten sich aber
nicht auf die blosse Einquartierung beschränken, denn die ärarischen
Naturallieferungen, die der römische Soldat erhalten hatte, fielen
nunmehr hinweg. Der römische possessor musste daher einen Teil
seines ganzen Besitztums an seinen hospes abtreten: dafür waren jetzt
die Provinzialen der Pflicht enthoben, die zur Verpflegung der Sol-
daten erforderlichen Naturalien an die fiskalischen Magazine zu leisten.
So stellt sich, vom Standpunkte des römischen Provinzialen betrachtet,
die Landteilung als eine durch Landabtretung vollzogene Abschichtung
eines mit Weib und Kind auf die Dauer in Quartier gelegten Germanen
dar. Die abgetretenen Quoten heissen sortes, die Besitzer des geteil-
ten Grundstücks consortes. Wie es scheint, wurde die erforderliche
Zahl teilungspflichtiger possessores unter die germanischen Ankömm-
linge verlost 3. Die Ausdrücke hospitalitas und hospes wurden für
das durch die Landteilung entstandene Verhältnis in analoger Weise
angewendet wie bei dem römischen Einquartierungssystem.

Bei den Burgundern hat eine mehrmalige, vermutlich eine drei-
malige Landteilung stattgefunden. Anfänglich können sie, die nicht
als ein sieghaftes, sondern als ein besiegtes Volk in der Sapaudia

1 Cod. Theod. VII 8, 5 Arcadius und Honorius v. J. 398: duas dominus
propriae domus tertia hospiti deputata ea tenus intrepidus ac securus possideat
portiones, ut in tres domo divisa partes primam eligendi dominus habeat facultatem,
secundam hospes quam voluerit exsequatur tertia domino relinquenda. Der dominus
sollte nicht das beste Drittel einbüssen, der hospes nicht auf das schlechteste an-
gewiesen sein.
2 Gaupp S 87 Anm 4; Binding S 17 Anm 49.
3 Vgl. Binding a. O. S 18 f.
Binding, Handbuch. II. 1. I: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. I. 5
des römischen Westreichs.

In spätrömischer Zeit war die Einquartierung der Soldaten derart
geregelt, daſs der einquartierte Soldat von dem Hauseigentümer, dem
er als Einquartierung überwiesen worden war, ein Drittel seines
Hauses beanspruchen konnte. Von den Dritteln, in die das Haus
geteilt wurde, sollte das erste der Quartiergeber sich auswählen. Die
zwei übrigen standen zur Wahl des Soldaten. Das Drittel, welches
dieser ablehnte, verblieb dem Wirte 1. Das Verhältnis zwischen dem
Wirte und dem einquartierten Soldaten hieſs hospitalitas, der letztere
hospes, der erstere possessor, dominus, mitunter gleichfalls hospes 2.
Verpflegung konnte der hospes von dem possessor nicht beanspruchen.
Er muſste sich in dieser Beziehung mit der annona begnügen, welche
ihm von der Militärverwaltung aus den fiskalischen Magazinen in
Naturalien, manchmal zum Teil in Geld geliefert wurde.

Gleich den römischen Truppen haben die Germanen bei den
römischen possessores Unterkunft genommen. Sie konnten sich aber
nicht auf die bloſse Einquartierung beschränken, denn die ärarischen
Naturallieferungen, die der römische Soldat erhalten hatte, fielen
nunmehr hinweg. Der römische possessor muſste daher einen Teil
seines ganzen Besitztums an seinen hospes abtreten: dafür waren jetzt
die Provinzialen der Pflicht enthoben, die zur Verpflegung der Sol-
daten erforderlichen Naturalien an die fiskalischen Magazine zu leisten.
So stellt sich, vom Standpunkte des römischen Provinzialen betrachtet,
die Landteilung als eine durch Landabtretung vollzogene Abschichtung
eines mit Weib und Kind auf die Dauer in Quartier gelegten Germanen
dar. Die abgetretenen Quoten heiſsen sortes, die Besitzer des geteil-
ten Grundstücks consortes. Wie es scheint, wurde die erforderliche
Zahl teilungspflichtiger possessores unter die germanischen Ankömm-
linge verlost 3. Die Ausdrücke hospitalitas und hospes wurden für
das durch die Landteilung entstandene Verhältnis in analoger Weise
angewendet wie bei dem römischen Einquartierungssystem.

Bei den Burgundern hat eine mehrmalige, vermutlich eine drei-
malige Landteilung stattgefunden. Anfänglich können sie, die nicht
als ein sieghaftes, sondern als ein besiegtes Volk in der Sapaudia

1 Cod. Theod. VII 8, 5 Arcadius und Honorius v. J. 398: duas dominus
propriae domus tertia hospiti deputata ea tenus intrepidus ac securus possideat
portiones, ut in tres domo divisa partes primam eligendi dominus habeat facultatem,
secundam hospes quam voluerit exsequatur tertia domino relinquenda. Der dominus
sollte nicht das beste Drittel einbüſsen, der hospes nicht auf das schlechteste an-
gewiesen sein.
2 Gaupp S 87 Anm 4; Binding S 17 Anm 49.
3 Vgl. Binding a. O. S 18 f.
Binding, Handbuch. II. 1. I: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. I. 5
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[65/0083] des römischen Westreichs. In spätrömischer Zeit war die Einquartierung der Soldaten derart geregelt, daſs der einquartierte Soldat von dem Hauseigentümer, dem er als Einquartierung überwiesen worden war, ein Drittel seines Hauses beanspruchen konnte. Von den Dritteln, in die das Haus geteilt wurde, sollte das erste der Quartiergeber sich auswählen. Die zwei übrigen standen zur Wahl des Soldaten. Das Drittel, welches dieser ablehnte, verblieb dem Wirte 1. Das Verhältnis zwischen dem Wirte und dem einquartierten Soldaten hieſs hospitalitas, der letztere hospes, der erstere possessor, dominus, mitunter gleichfalls hospes 2. Verpflegung konnte der hospes von dem possessor nicht beanspruchen. Er muſste sich in dieser Beziehung mit der annona begnügen, welche ihm von der Militärverwaltung aus den fiskalischen Magazinen in Naturalien, manchmal zum Teil in Geld geliefert wurde. Gleich den römischen Truppen haben die Germanen bei den römischen possessores Unterkunft genommen. Sie konnten sich aber nicht auf die bloſse Einquartierung beschränken, denn die ärarischen Naturallieferungen, die der römische Soldat erhalten hatte, fielen nunmehr hinweg. Der römische possessor muſste daher einen Teil seines ganzen Besitztums an seinen hospes abtreten: dafür waren jetzt die Provinzialen der Pflicht enthoben, die zur Verpflegung der Sol- daten erforderlichen Naturalien an die fiskalischen Magazine zu leisten. So stellt sich, vom Standpunkte des römischen Provinzialen betrachtet, die Landteilung als eine durch Landabtretung vollzogene Abschichtung eines mit Weib und Kind auf die Dauer in Quartier gelegten Germanen dar. Die abgetretenen Quoten heiſsen sortes, die Besitzer des geteil- ten Grundstücks consortes. Wie es scheint, wurde die erforderliche Zahl teilungspflichtiger possessores unter die germanischen Ankömm- linge verlost 3. Die Ausdrücke hospitalitas und hospes wurden für das durch die Landteilung entstandene Verhältnis in analoger Weise angewendet wie bei dem römischen Einquartierungssystem. Bei den Burgundern hat eine mehrmalige, vermutlich eine drei- malige Landteilung stattgefunden. Anfänglich können sie, die nicht als ein sieghaftes, sondern als ein besiegtes Volk in der Sapaudia 1 Cod. Theod. VII 8, 5 Arcadius und Honorius v. J. 398: duas dominus propriae domus tertia hospiti deputata ea tenus intrepidus ac securus possideat portiones, ut in tres domo divisa partes primam eligendi dominus habeat facultatem, secundam hospes quam voluerit exsequatur tertia domino relinquenda. Der dominus sollte nicht das beste Drittel einbüſsen, der hospes nicht auf das schlechteste an- gewiesen sein. 2 Gaupp S 87 Anm 4; Binding S 17 Anm 49. 3 Vgl. Binding a. O. S 18 f. Binding, Handbuch. II. 1. I: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. I. 5

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/83>, abgerufen am 22.11.2024.