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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 7. Das Germanentum im römischen Reich.
des vierten Jahrhunderts vorkommen. Die Gentilenhaufen stehen
unter praefecti gentilium, liegen meist in Italien, ausserdem in Gallien
und werden vorzugsweise als Sarmatae, nur vereinzelt als Taifali
und Suevi bezeichnet. Augenscheinlich wurden sie aus sarmatischen
und germanischen Völkerschaften der Donaulandschaften gebildet,
welchen der Lätenname fremd war. Wie die rechtliche Stellung der
Gentilen sich von derjenigen der Läten abhob, ist unsicher. Sie
dürfte minder selbständig gewesen sein. Jedenfalls standen sie tiefer
im Range. Auch waren vermutlich ihre agrarischen Verhältnisse
anders geordnet16.

Die römische Sitte, Grenzländereien ausgedienten Soldaten anzu-
weisen, war seit Alexander Severus dahin ausgebildet worden, dass
die Vererbung der angewiesenen Grundstücke an die Übernahme des
Grenzdienstes geknüpft und somit die Erblichkeit des letzteren an-
gebahnt wurde17. Die spätere Kaiserzeit führte das System koloni-
sierter und erblicher Grenzmilizen vollständig durch, indem die
Grenzen ausschliesslich mit milites limitanei, castellani besetzt wurden,
erblich angesiedelten Soldaten, die das Grenzland zu bebauen und die
Grenze zu verteidigen hatten. Diese Massregel vermittelte und be-
förderte die allmähliche Germanisierung römischer Grenzgebiete, seit
mit der Zahl der Germanen im römischen Heere der Prozentsatz ge-
stiegen war, den sie zur Ansiedlung von Grenzsoldaten stellten.

Auf eine Auslieferung des Reiches an die Germanen lief es
hinaus, als man sich gezwungen sah, ganze Stämme, wie die West-
goten und Burgunder, innerhalb der Reichsgrenzen aufzunehmen und
ihnen gegen Anerkennung der kaiserlichen Oberhoheit Wohnsitze zu
überlassen oder einzuräumen, die sie für sich und das Reich zu ver-
teidigen hatten. Sie blieben in ihrem nationalen Verbande, standen
unter ihren heimischen Fürsten und hatten die staatsrechtliche Stellung
von foederati. Die Truppen, welche sie dem Reiche lieferten, gleich-
falls foederati genannt, galten nicht als Teil des Reichsheeres, wurden
überhaupt nicht als ständige Truppen vom Reiche erhalten, sondern
nur in Dienst genommen, wenn und solange man sie brauchte.

Zum Teil als Folge der Ansiedlung von Germanen, zum Teil

16 Seeck, Not. dignit. S 218 f. Mit batavischen Läten sind suebische Gen-
tilen zu einer lätischen Präfektur vereinigt in Not. dign. Occ. 42, 34. Die praefecti
laetorum gentilium Sueuorum a. O. 42, 35. 44 und der praefectus laetorum gentilium
42, 42 sind entweder gleichfalls auf gemischte Truppenkörper zu beziehen oder
daraus zu erklären, dass der ganze Truppenkörper (vielleicht infolge der Mischung)
in gewissen Beziehungen lätische, in anderen gentilische Verfassung hatte.
17 Marquardt a. O. S 611.

§ 7. Das Germanentum im römischen Reich.
des vierten Jahrhunderts vorkommen. Die Gentilenhaufen stehen
unter praefecti gentilium, liegen meist in Italien, auſserdem in Gallien
und werden vorzugsweise als Sarmatae, nur vereinzelt als Taifali
und Suevi bezeichnet. Augenscheinlich wurden sie aus sarmatischen
und germanischen Völkerschaften der Donaulandschaften gebildet,
welchen der Lätenname fremd war. Wie die rechtliche Stellung der
Gentilen sich von derjenigen der Läten abhob, ist unsicher. Sie
dürfte minder selbständig gewesen sein. Jedenfalls standen sie tiefer
im Range. Auch waren vermutlich ihre agrarischen Verhältnisse
anders geordnet16.

Die römische Sitte, Grenzländereien ausgedienten Soldaten anzu-
weisen, war seit Alexander Severus dahin ausgebildet worden, daſs
die Vererbung der angewiesenen Grundstücke an die Übernahme des
Grenzdienstes geknüpft und somit die Erblichkeit des letzteren an-
gebahnt wurde17. Die spätere Kaiserzeit führte das System koloni-
sierter und erblicher Grenzmilizen vollständig durch, indem die
Grenzen ausschlieſslich mit milites limitanei, castellani besetzt wurden,
erblich angesiedelten Soldaten, die das Grenzland zu bebauen und die
Grenze zu verteidigen hatten. Diese Maſsregel vermittelte und be-
förderte die allmähliche Germanisierung römischer Grenzgebiete, seit
mit der Zahl der Germanen im römischen Heere der Prozentsatz ge-
stiegen war, den sie zur Ansiedlung von Grenzsoldaten stellten.

Auf eine Auslieferung des Reiches an die Germanen lief es
hinaus, als man sich gezwungen sah, ganze Stämme, wie die West-
goten und Burgunder, innerhalb der Reichsgrenzen aufzunehmen und
ihnen gegen Anerkennung der kaiserlichen Oberhoheit Wohnsitze zu
überlassen oder einzuräumen, die sie für sich und das Reich zu ver-
teidigen hatten. Sie blieben in ihrem nationalen Verbande, standen
unter ihren heimischen Fürsten und hatten die staatsrechtliche Stellung
von foederati. Die Truppen, welche sie dem Reiche lieferten, gleich-
falls foederati genannt, galten nicht als Teil des Reichsheeres, wurden
überhaupt nicht als ständige Truppen vom Reiche erhalten, sondern
nur in Dienst genommen, wenn und solange man sie brauchte.

Zum Teil als Folge der Ansiedlung von Germanen, zum Teil

16 Seeck, Not. dignit. S 218 f. Mit batavischen Läten sind suebische Gen-
tilen zu einer lätischen Präfektur vereinigt in Not. dign. Occ. 42, 34. Die praefecti
laetorum gentilium Sueuorum a. O. 42, 35. 44 und der praefectus laetorum gentilium
42, 42 sind entweder gleichfalls auf gemischte Truppenkörper zu beziehen oder
daraus zu erklären, daſs der ganze Truppenkörper (vielleicht infolge der Mischung)
in gewissen Beziehungen lätische, in anderen gentilische Verfassung hatte.
17 Marquardt a. O. S 611.
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[36/0054] § 7. Das Germanentum im römischen Reich. des vierten Jahrhunderts vorkommen. Die Gentilenhaufen stehen unter praefecti gentilium, liegen meist in Italien, auſserdem in Gallien und werden vorzugsweise als Sarmatae, nur vereinzelt als Taifali und Suevi bezeichnet. Augenscheinlich wurden sie aus sarmatischen und germanischen Völkerschaften der Donaulandschaften gebildet, welchen der Lätenname fremd war. Wie die rechtliche Stellung der Gentilen sich von derjenigen der Läten abhob, ist unsicher. Sie dürfte minder selbständig gewesen sein. Jedenfalls standen sie tiefer im Range. Auch waren vermutlich ihre agrarischen Verhältnisse anders geordnet 16. Die römische Sitte, Grenzländereien ausgedienten Soldaten anzu- weisen, war seit Alexander Severus dahin ausgebildet worden, daſs die Vererbung der angewiesenen Grundstücke an die Übernahme des Grenzdienstes geknüpft und somit die Erblichkeit des letzteren an- gebahnt wurde 17. Die spätere Kaiserzeit führte das System koloni- sierter und erblicher Grenzmilizen vollständig durch, indem die Grenzen ausschlieſslich mit milites limitanei, castellani besetzt wurden, erblich angesiedelten Soldaten, die das Grenzland zu bebauen und die Grenze zu verteidigen hatten. Diese Maſsregel vermittelte und be- förderte die allmähliche Germanisierung römischer Grenzgebiete, seit mit der Zahl der Germanen im römischen Heere der Prozentsatz ge- stiegen war, den sie zur Ansiedlung von Grenzsoldaten stellten. Auf eine Auslieferung des Reiches an die Germanen lief es hinaus, als man sich gezwungen sah, ganze Stämme, wie die West- goten und Burgunder, innerhalb der Reichsgrenzen aufzunehmen und ihnen gegen Anerkennung der kaiserlichen Oberhoheit Wohnsitze zu überlassen oder einzuräumen, die sie für sich und das Reich zu ver- teidigen hatten. Sie blieben in ihrem nationalen Verbande, standen unter ihren heimischen Fürsten und hatten die staatsrechtliche Stellung von foederati. Die Truppen, welche sie dem Reiche lieferten, gleich- falls foederati genannt, galten nicht als Teil des Reichsheeres, wurden überhaupt nicht als ständige Truppen vom Reiche erhalten, sondern nur in Dienst genommen, wenn und solange man sie brauchte. Zum Teil als Folge der Ansiedlung von Germanen, zum Teil 16 Seeck, Not. dignit. S 218 f. Mit batavischen Läten sind suebische Gen- tilen zu einer lätischen Präfektur vereinigt in Not. dign. Occ. 42, 34. Die praefecti laetorum gentilium Sueuorum a. O. 42, 35. 44 und der praefectus laetorum gentilium 42, 42 sind entweder gleichfalls auf gemischte Truppenkörper zu beziehen oder daraus zu erklären, daſs der ganze Truppenkörper (vielleicht infolge der Mischung) in gewissen Beziehungen lätische, in anderen gentilische Verfassung hatte. 17 Marquardt a. O. S 611.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/54>, abgerufen am 24.11.2024.