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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 39. Die Lex Salica.
schriftlich am meisten vertreten7), enthält die von den Neueren so-
genannte Lex Salica emendata, hat einen unglossierten, in 70 Titel
eingeteilten Text und sucht in ihrer Sprache die Vulgarismen der
älteren Texte möglichst zu vermeiden. Als eine besondere, also
fünfte Textform stellt sich der Abdruck in Herolds Ausgabe8) der
Volksrechte dar. Er geht auf eine verschollene Handschrift zurück
mit einem kompilierenden, der zweiten Familie verwandten Texte,
welcher Zusätze aus jüngeren Texten aufnahm9). Der Entstehung
dieser fünf Textfamilien liegt vermutlich folgende Entwicklung zu
Grunde10). Ein älterer, uns unbekannter Text hatte von den Händen
der Abschreiber allmählich Vermehrungen und Abänderungen erfahren.
Als eine Anzahl derartiger Handschriften, wie sie durch die erste
Familie repräsentiert werden, sich angesammelt hatte, ergab sich das
Bedürfnis, den darin verteilten Stoff in einem einzigen Texte zu-
sammenzufassen. So entstanden seit Ausgang des sechsten Jahr-
hunderts11) die kompilierenden Texte der zweiten Familie und ent-
stand der verwandte Heroldsche Text. Ein ähnlicher, jetzt nicht mehr
vorhandener Text scheint die gemeinschaftliche Grundlage des glos-
sierten Textes in 99 Titeln und der Emendata gebildet zu haben.
Der erstere war jedenfalls unter König Pippin bereits vorhanden12).
Die Entstehung der Emendata fällt in den Anfang der Regierungszeit
Karls des Grossen und ist wohl einer von ihm ausgegangenen Initiative
zu verdanken13). Ohne die älteren Texte vollständig zu verdrängen,

7) Wir besitzen etwa 50 Handschriften.
8) Bei Hessels Cod. 10.
9) Gegen Merkels Meinung, dass Herold seinen Text aus verschiedenen Hand-
schriften kombiniert habe, s. Behrend, Z f. RG XIII 31. Einzelne Stellen, die sich
bei Herold als Zusätze zu erkennen geben, hat die von ihm für den Grundtext be-
nutzte Handschrift bereits enthalten. Ausser dieser verwertete Herold noch andere
Textformen (darunter mindestens eine glossierte), deren Varianten er unter Kreuzen
und Sternen vermerkt. Am häufigsten sind es Varianten aus der Emendata. Über
die Lex Sal. Heroldina s. E. Mayer, Entst. der Lex Rib. S 81 Anm 11.
10) Ich schliesse mich im wesentlichen den Ergebnissen Behrends, Z f. RG
XIII an.
11) Nicht früher wegen Lex Sal. 13, 11. Vgl. Loening, Kirchenr. II 550 f.
E. Mayer, Entst. der Lex Rib. S 82 Anm.
12) Die Handschrift von Montpellier enthält die Notiz: anno ter XIII decimo reg-
nante domno nostro Pipino gloriosissimo rege Francorum. Vgl. Hube a. O. pr. S 13.
13) Cod. Paris. 4626 enthält die Angabe: anno ab incarnatione d. n. J. C. 768,
indictione sexta, dominus rex noster Carolus hunc libellum tractati legis Salice scri-
bere iussit. Cod. St. Gallen 728: anno ab incarnatione d. n. J. C. 778, indictione
sexta, dominus Karolus rex Francorum inclitus hunc libelli tractati legis Salice
scribere ordinavit. Von einer amtlichen Redaktion, von einem Karlischen Rechts-
buch zu sprechen, ist deshalb kein Anlass.

§ 39. Die Lex Salica.
schriftlich am meisten vertreten7), enthält die von den Neueren so-
genannte Lex Salica emendata, hat einen unglossierten, in 70 Titel
eingeteilten Text und sucht in ihrer Sprache die Vulgarismen der
älteren Texte möglichst zu vermeiden. Als eine besondere, also
fünfte Textform stellt sich der Abdruck in Herolds Ausgabe8) der
Volksrechte dar. Er geht auf eine verschollene Handschrift zurück
mit einem kompilierenden, der zweiten Familie verwandten Texte,
welcher Zusätze aus jüngeren Texten aufnahm9). Der Entstehung
dieser fünf Textfamilien liegt vermutlich folgende Entwicklung zu
Grunde10). Ein älterer, uns unbekannter Text hatte von den Händen
der Abschreiber allmählich Vermehrungen und Abänderungen erfahren.
Als eine Anzahl derartiger Handschriften, wie sie durch die erste
Familie repräsentiert werden, sich angesammelt hatte, ergab sich das
Bedürfnis, den darin verteilten Stoff in einem einzigen Texte zu-
sammenzufassen. So entstanden seit Ausgang des sechsten Jahr-
hunderts11) die kompilierenden Texte der zweiten Familie und ent-
stand der verwandte Heroldsche Text. Ein ähnlicher, jetzt nicht mehr
vorhandener Text scheint die gemeinschaftliche Grundlage des glos-
sierten Textes in 99 Titeln und der Emendata gebildet zu haben.
Der erstere war jedenfalls unter König Pippin bereits vorhanden12).
Die Entstehung der Emendata fällt in den Anfang der Regierungszeit
Karls des Groſsen und ist wohl einer von ihm ausgegangenen Initiative
zu verdanken13). Ohne die älteren Texte vollständig zu verdrängen,

7) Wir besitzen etwa 50 Handschriften.
8) Bei Hessels Cod. 10.
9) Gegen Merkels Meinung, daſs Herold seinen Text aus verschiedenen Hand-
schriften kombiniert habe, s. Behrend, Z f. RG XIII 31. Einzelne Stellen, die sich
bei Herold als Zusätze zu erkennen geben, hat die von ihm für den Grundtext be-
nutzte Handschrift bereits enthalten. Auſser dieser verwertete Herold noch andere
Textformen (darunter mindestens eine glossierte), deren Varianten er unter Kreuzen
und Sternen vermerkt. Am häufigsten sind es Varianten aus der Emendata. Über
die Lex Sal. Heroldina s. E. Mayer, Entst. der Lex Rib. S 81 Anm 11.
10) Ich schlieſse mich im wesentlichen den Ergebnissen Behrends, Z f. RG
XIII an.
11) Nicht früher wegen Lex Sal. 13, 11. Vgl. Loening, Kirchenr. II 550 f.
E. Mayer, Entst. der Lex Rib. S 82 Anm.
12) Die Handschrift von Montpellier enthält die Notiz: anno ter XIII decimo reg-
nante domno nostro Pipino gloriosissimo rege Francorum. Vgl. Hubé a. O. pr. S 13.
13) Cod. Paris. 4626 enthält die Angabe: anno ab incarnatione d. n. J. C. 768,
indictione sexta, dominus rex noster Carolus hunc libellum tractati legis Salice scri-
bere iussit. Cod. St. Gallen 728: anno ab incarnatione d. n. J. C. 778, indictione
sexta, dominus Karolus rex Francorum inclitus hunc libelli tractati legis Salice
scribere ordinavit. Von einer amtlichen Redaktion, von einem Karlischen Rechts-
buch zu sprechen, ist deshalb kein Anlaſs.
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[294/0312] § 39. Die Lex Salica. schriftlich am meisten vertreten 7), enthält die von den Neueren so- genannte Lex Salica emendata, hat einen unglossierten, in 70 Titel eingeteilten Text und sucht in ihrer Sprache die Vulgarismen der älteren Texte möglichst zu vermeiden. Als eine besondere, also fünfte Textform stellt sich der Abdruck in Herolds Ausgabe 8) der Volksrechte dar. Er geht auf eine verschollene Handschrift zurück mit einem kompilierenden, der zweiten Familie verwandten Texte, welcher Zusätze aus jüngeren Texten aufnahm 9). Der Entstehung dieser fünf Textfamilien liegt vermutlich folgende Entwicklung zu Grunde 10). Ein älterer, uns unbekannter Text hatte von den Händen der Abschreiber allmählich Vermehrungen und Abänderungen erfahren. Als eine Anzahl derartiger Handschriften, wie sie durch die erste Familie repräsentiert werden, sich angesammelt hatte, ergab sich das Bedürfnis, den darin verteilten Stoff in einem einzigen Texte zu- sammenzufassen. So entstanden seit Ausgang des sechsten Jahr- hunderts 11) die kompilierenden Texte der zweiten Familie und ent- stand der verwandte Heroldsche Text. Ein ähnlicher, jetzt nicht mehr vorhandener Text scheint die gemeinschaftliche Grundlage des glos- sierten Textes in 99 Titeln und der Emendata gebildet zu haben. Der erstere war jedenfalls unter König Pippin bereits vorhanden 12). Die Entstehung der Emendata fällt in den Anfang der Regierungszeit Karls des Groſsen und ist wohl einer von ihm ausgegangenen Initiative zu verdanken 13). Ohne die älteren Texte vollständig zu verdrängen, 7) Wir besitzen etwa 50 Handschriften. 8) Bei Hessels Cod. 10. 9) Gegen Merkels Meinung, daſs Herold seinen Text aus verschiedenen Hand- schriften kombiniert habe, s. Behrend, Z f. RG XIII 31. Einzelne Stellen, die sich bei Herold als Zusätze zu erkennen geben, hat die von ihm für den Grundtext be- nutzte Handschrift bereits enthalten. Auſser dieser verwertete Herold noch andere Textformen (darunter mindestens eine glossierte), deren Varianten er unter Kreuzen und Sternen vermerkt. Am häufigsten sind es Varianten aus der Emendata. Über die Lex Sal. Heroldina s. E. Mayer, Entst. der Lex Rib. S 81 Anm 11. 10) Ich schlieſse mich im wesentlichen den Ergebnissen Behrends, Z f. RG XIII an. 11) Nicht früher wegen Lex Sal. 13, 11. Vgl. Loening, Kirchenr. II 550 f. E. Mayer, Entst. der Lex Rib. S 82 Anm. 12) Die Handschrift von Montpellier enthält die Notiz: anno ter XIII decimo reg- nante domno nostro Pipino gloriosissimo rege Francorum. Vgl. Hubé a. O. pr. S 13. 13) Cod. Paris. 4626 enthält die Angabe: anno ab incarnatione d. n. J. C. 768, indictione sexta, dominus rex noster Carolus hunc libellum tractati legis Salice scri- bere iussit. Cod. St. Gallen 728: anno ab incarnatione d. n. J. C. 778, indictione sexta, dominus Karolus rex Francorum inclitus hunc libelli tractati legis Salice scribere ordinavit. Von einer amtlichen Redaktion, von einem Karlischen Rechts- buch zu sprechen, ist deshalb kein Anlaſs.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/312>, abgerufen am 26.11.2024.