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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 35. Das Fremdenrecht u. das Judenrecht.
gegenzunehmen 68. Nur eine vereinzelte und vorübergehende Massregel
war es, dass Lothar I. im Jahre 824, um eine sichere Grundlage für
die Handhabung der Strafjustiz zu gewinnen, die Anordnung traf, es
sollten die Bewohner der Stadt Rom gefragt werden, nach welchem
Rechte sie leben wollten 69.

§ 35. Das Fremdenrecht und das Judenrecht.

Grimm, Rechtsalterthümer S 396 ff. Wilda, Strafrecht S 672. Heusler, In-
stitutionen des deutschen Privatrechts I 144 ff. E. Loening, Gesch. des deutschen
Kirchenrechts II 51. Waitz, Verfassungsgeschichte II 1 S 270 f., IV 44. 237
Klimrath, Travaux sur l'histoire du droit francais I 405. Stobbe, Die Juden
in Deutschland während des Mittelalters, 1866, S 3 ff. 197 ff.

Den Fremden vermag das ihm angeborene Recht nicht zu schützen.
Er ist rechtlos, wenn ihn das Gastrecht nicht beschirmt oder ein
Schutzherr, den er gewonnen hat, und nicht etwa eine völkerrechtliche
Schutzpflicht des Gemeinwesens begründet ist. Diese grundsätzliche
Rechtlosigkeit äussert sich darin, dass er busslos erschlagen und ver-
knechtet werden kann 1. Der Volksgenosse, der einen Fremden be-
haust und beschützt, haftet seinerseits für das, was dieser verbricht.

Aber schon sehr früh hat sich ein subsidiärer Schutz des Königs
zu Gunsten der Fremden ausgebildet, die keinen andern Schutzherrn
hatten. Wir finden ihn bei den Angelsachsen 2, bei den Langobarden 3,
bei den Franken 4 und bei den Baiern 5. Der im Schutz befindliche

68 Savigny a. O. I 148 nimmt an, "dass jeder überhaupt bei irgend einer
Gelegenheit (z. B. bei erlangter Mündigkeit) für die ganze Zukunft erklärte, zu
welcher Nation und zu welchem Recht er gehöre, und dass diese einmal für immer
abgegebene Erklärung in eine öffentliche Liste eingetragen wurde". Dagegen
Gaupp, Ansiedlungen S 242 ff.
69 Loth. Const. Rom. v. J. 824 c. 5, Cap. I 323.
1 Die von Rogge, Gerichtswesen S 54 und von anderen behauptete grund-
sätzliche Rechtlosigkeit der Fremden wird seit Wilda vielfach bestritten. S. da-
gegen Heusler, Institutionen I 145. Das Recht der Verknechtung verbürgt die
in Kraut, Grundriss, 6. Aufl., S 124 angeführte Erzählung der Translatio S.
Alexandri c. 13: quae cum cogitasset, quomodo illam peregrinam vendidisset, eo
quod peregrina esset et patronum non habuisset. Ebenso der Umstand, dass das
Strandrecht die Verknechtung des Schiffbrüchigen in sich schloss. Noch Art. 218
der Halsgerichtsordnung Karls V. sieht sich veranlasst, den Missbrauch zu verbieten,
dass ein Schiffbrüchiger mit Schiff, Leib und Gut der Obrigkeit verfallen sei.
2 Edw. u. Guthr. c. 12, Schmid, Gesetze der Angels. S 126. Aethelr. 8, 33;
Knut II 40; Leges Henr. I. 10, 3. 75, 7.
3 Rothari 367.
4 Lex Chamav. c. 9.
5 Lex Baiuw. IV 30.
Binding, Handbuch. II. 1. I: Brunuer, Deutsche Rechtsgesch. I. 18

§ 35. Das Fremdenrecht u. das Judenrecht.
gegenzunehmen 68. Nur eine vereinzelte und vorübergehende Maſsregel
war es, daſs Lothar I. im Jahre 824, um eine sichere Grundlage für
die Handhabung der Strafjustiz zu gewinnen, die Anordnung traf, es
sollten die Bewohner der Stadt Rom gefragt werden, nach welchem
Rechte sie leben wollten 69.

§ 35. Das Fremdenrecht und das Judenrecht.

Grimm, Rechtsalterthümer S 396 ff. Wilda, Strafrecht S 672. Heusler, In-
stitutionen des deutschen Privatrechts I 144 ff. E. Loening, Gesch. des deutschen
Kirchenrechts II 51. Waitz, Verfassungsgeschichte II 1 S 270 f., IV 44. 237
Klimrath, Travaux sur l’histoire du droit français I 405. Stobbe, Die Juden
in Deutschland während des Mittelalters, 1866, S 3 ff. 197 ff.

Den Fremden vermag das ihm angeborene Recht nicht zu schützen.
Er ist rechtlos, wenn ihn das Gastrecht nicht beschirmt oder ein
Schutzherr, den er gewonnen hat, und nicht etwa eine völkerrechtliche
Schutzpflicht des Gemeinwesens begründet ist. Diese grundsätzliche
Rechtlosigkeit äuſsert sich darin, daſs er buſslos erschlagen und ver-
knechtet werden kann 1. Der Volksgenosse, der einen Fremden be-
haust und beschützt, haftet seinerseits für das, was dieser verbricht.

Aber schon sehr früh hat sich ein subsidiärer Schutz des Königs
zu Gunsten der Fremden ausgebildet, die keinen andern Schutzherrn
hatten. Wir finden ihn bei den Angelsachsen 2, bei den Langobarden 3,
bei den Franken 4 und bei den Baiern 5. Der im Schutz befindliche

68 Savigny a. O. I 148 nimmt an, „daſs jeder überhaupt bei irgend einer
Gelegenheit (z. B. bei erlangter Mündigkeit) für die ganze Zukunft erklärte, zu
welcher Nation und zu welchem Recht er gehöre, und daſs diese einmal für immer
abgegebene Erklärung in eine öffentliche Liste eingetragen wurde“. Dagegen
Gaupp, Ansiedlungen S 242 ff.
69 Loth. Const. Rom. v. J. 824 c. 5, Cap. I 323.
1 Die von Rogge, Gerichtswesen S 54 und von anderen behauptete grund-
sätzliche Rechtlosigkeit der Fremden wird seit Wilda vielfach bestritten. S. da-
gegen Heusler, Institutionen I 145. Das Recht der Verknechtung verbürgt die
in Kraut, Grundriſs, 6. Aufl., S 124 angeführte Erzählung der Translatio S.
Alexandri c. 13: quae cum cogitasset, quomodo illam peregrinam vendidisset, eo
quod peregrina esset et patronum non habuisset. Ebenso der Umstand, daſs das
Strandrecht die Verknechtung des Schiffbrüchigen in sich schloſs. Noch Art. 218
der Halsgerichtsordnung Karls V. sieht sich veranlaſst, den Miſsbrauch zu verbieten,
daſs ein Schiffbrüchiger mit Schiff, Leib und Gut der Obrigkeit verfallen sei.
2 Edw. u. Guthr. c. 12, Schmid, Gesetze der Angels. S 126. Aethelr. 8, 33;
Knut II 40; Leges Henr. I. 10, 3. 75, 7.
3 Rothari 367.
4 Lex Chamav. c. 9.
5 Lex Baiuw. IV 30.
Binding, Handbuch. II. 1. I: Brunuer, Deutsche Rechtsgesch. I. 18
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[273/0291] § 35. Das Fremdenrecht u. das Judenrecht. gegenzunehmen 68. Nur eine vereinzelte und vorübergehende Maſsregel war es, daſs Lothar I. im Jahre 824, um eine sichere Grundlage für die Handhabung der Strafjustiz zu gewinnen, die Anordnung traf, es sollten die Bewohner der Stadt Rom gefragt werden, nach welchem Rechte sie leben wollten 69. § 35. Das Fremdenrecht und das Judenrecht. Grimm, Rechtsalterthümer S 396 ff. Wilda, Strafrecht S 672. Heusler, In- stitutionen des deutschen Privatrechts I 144 ff. E. Loening, Gesch. des deutschen Kirchenrechts II 51. Waitz, Verfassungsgeschichte II 1 S 270 f., IV 44. 237 Klimrath, Travaux sur l’histoire du droit français I 405. Stobbe, Die Juden in Deutschland während des Mittelalters, 1866, S 3 ff. 197 ff. Den Fremden vermag das ihm angeborene Recht nicht zu schützen. Er ist rechtlos, wenn ihn das Gastrecht nicht beschirmt oder ein Schutzherr, den er gewonnen hat, und nicht etwa eine völkerrechtliche Schutzpflicht des Gemeinwesens begründet ist. Diese grundsätzliche Rechtlosigkeit äuſsert sich darin, daſs er buſslos erschlagen und ver- knechtet werden kann 1. Der Volksgenosse, der einen Fremden be- haust und beschützt, haftet seinerseits für das, was dieser verbricht. Aber schon sehr früh hat sich ein subsidiärer Schutz des Königs zu Gunsten der Fremden ausgebildet, die keinen andern Schutzherrn hatten. Wir finden ihn bei den Angelsachsen 2, bei den Langobarden 3, bei den Franken 4 und bei den Baiern 5. Der im Schutz befindliche 68 Savigny a. O. I 148 nimmt an, „daſs jeder überhaupt bei irgend einer Gelegenheit (z. B. bei erlangter Mündigkeit) für die ganze Zukunft erklärte, zu welcher Nation und zu welchem Recht er gehöre, und daſs diese einmal für immer abgegebene Erklärung in eine öffentliche Liste eingetragen wurde“. Dagegen Gaupp, Ansiedlungen S 242 ff. 69 Loth. Const. Rom. v. J. 824 c. 5, Cap. I 323. 1 Die von Rogge, Gerichtswesen S 54 und von anderen behauptete grund- sätzliche Rechtlosigkeit der Fremden wird seit Wilda vielfach bestritten. S. da- gegen Heusler, Institutionen I 145. Das Recht der Verknechtung verbürgt die in Kraut, Grundriſs, 6. Aufl., S 124 angeführte Erzählung der Translatio S. Alexandri c. 13: quae cum cogitasset, quomodo illam peregrinam vendidisset, eo quod peregrina esset et patronum non habuisset. Ebenso der Umstand, daſs das Strandrecht die Verknechtung des Schiffbrüchigen in sich schloſs. Noch Art. 218 der Halsgerichtsordnung Karls V. sieht sich veranlaſst, den Miſsbrauch zu verbieten, daſs ein Schiffbrüchiger mit Schiff, Leib und Gut der Obrigkeit verfallen sei. 2 Edw. u. Guthr. c. 12, Schmid, Gesetze der Angels. S 126. Aethelr. 8, 33; Knut II 40; Leges Henr. I. 10, 3. 75, 7. 3 Rothari 367. 4 Lex Chamav. c. 9. 5 Lex Baiuw. IV 30. Binding, Handbuch. II. 1. I: Brunuer, Deutsche Rechtsgesch. I. 18

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/291>, abgerufen am 22.12.2024.