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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 34. Das Personalitätsprinzip.
lässt für gewisse Verbrechen, die von Amts wegen zu verfolgen und zu
bestrafen waren, nämlich für Münz-, Mass- und Metallfälschung in den
Gebieten des römischen Rechtes nicht die durch das Reichsrecht der
Kapitularien festgesetzten Strafen, sondern die des römischen Rechtes,
also die Strafen der lex fori platzgreifen 16.

3. Im Rechtsgange verteidigt sich der Beklagte nach seinem Ge-
burtsrechte 17. Die lex originis des Beklagten bestimmte die ihm ge-
bührenden Fristen 18, bestimmte das Beweisrecht, insbesondere die
Form und die Grösse des Eides 19. Über Freiheit und Erbe brauchte
der Beklagte, der auswärts belangt worden war, nur innerhalb seines
Heimatsgaues zu schwören 20. Kam es auf einen Zeugenbeweis an,
so mussten die Zeugen wenigstens zum Teile Stammesgenossen des-
jenigen sein, der durch ihr Zeugnis überführt werden sollte 21. Aus
diesem Grunde erschien es im Interesse des Erwerbers als erforder-
lich, dass der Veräusserer eines Grundstücks zur Übereignung Zeugen
zuzog, welche nach seinem Rechte lebten 22. Weil nach dem Stam-

16 Ed. Pistense c. 13 LL I 491: in illis autem regionibus, in quibus secundum
legem Romanam iudicia terminantur, iuxta ipsam legem culpabilis iudicetur; ähnlich
c. 16. 20. 23. Eine allgemeine Einführung des Territorialitätsprinzips (nach welchem
stets die lex fori entscheidet) hat das Edictum Pistense nicht beabsichtigt. In c. 20.
28. 34 steht es auf dem Boden des Personalitätsprinzips. Vgl. v. Bethmann-
Hollweg
V 75. Soweit das Territorialitätsprinzip zur Anwendung kam, setzte es
sich nicht an die Stelle des Personalitätsprinzips, sondern sollte das römische Recht
ein anderes territoriales Recht, das in den Kapitularien normierte fränkische Reichs-
recht ausschliessen.
17 Rib. 31, 3: in iudicio interpellatus, sicut lex loci continet, ubi natus fuit,
sic respondeat. Cap. ital. Pippini von 790 c. 4, I 201: de vero statu ingenuitatis aut
aliis quaerelis unusquisque secundum suam legem se ipsum defendat. Cap. legi add.
v. J. 816 c. 2, I 268 unten Anm 20.
18 Expositio § 7 zu Lud. P. 15, LL IV 530: ceteri vero secundum suam
legem, veluti Romanus 20 dies habeant indutias.
19 Cap. ital. c. 14, I 218: et quando iurant, iuxta suam legem iurent. Ed.
Pist. v. J. 864 c. 20: secundum suam legem se inde sacramento idoneum reddat.
20 Cap. legi add. v. J. 816 c. 2, I 268: si quis in aliena patria .. de qualibet
causa fuerit interpellatus, ibi secundum suam legem iustitiam faciat .. excepto si
quis eum de statu suo id est de libertate vel de hereditate .. appellaverit: de his
duobus liceat illi sacramentum in patria .. iurandum offerre.
21 Agobard in LL III 504, c. 4.
22 Cap. legibus add. von 818--19 c. 6, I 282: adhibeat sibi vel de suis pagensi-
bus vel de aliis qui eadem lege vivant qua ipse vivit (in der ahd. Übersetzung thie
theru selueru vuizzidi leuen) testes idoneos, vel si illos habere non poterit, tunc de
aliis quales ibi meliores inveniri possint (eine Milderung des Volksrechtes für
Traditionen extra comitatum). In den langobardischen Traditionsurkunden wird das
Geburtsrecht der Zeugen als ein dem des Veräusserers entsprechendes so regelmässig

§ 34. Das Personalitätsprinzip.
läſst für gewisse Verbrechen, die von Amts wegen zu verfolgen und zu
bestrafen waren, nämlich für Münz-, Maſs- und Metallfälschung in den
Gebieten des römischen Rechtes nicht die durch das Reichsrecht der
Kapitularien festgesetzten Strafen, sondern die des römischen Rechtes,
also die Strafen der lex fori platzgreifen 16.

3. Im Rechtsgange verteidigt sich der Beklagte nach seinem Ge-
burtsrechte 17. Die lex originis des Beklagten bestimmte die ihm ge-
bührenden Fristen 18, bestimmte das Beweisrecht, insbesondere die
Form und die Gröſse des Eides 19. Über Freiheit und Erbe brauchte
der Beklagte, der auswärts belangt worden war, nur innerhalb seines
Heimatsgaues zu schwören 20. Kam es auf einen Zeugenbeweis an,
so muſsten die Zeugen wenigstens zum Teile Stammesgenossen des-
jenigen sein, der durch ihr Zeugnis überführt werden sollte 21. Aus
diesem Grunde erschien es im Interesse des Erwerbers als erforder-
lich, daſs der Veräuſserer eines Grundstücks zur Übereignung Zeugen
zuzog, welche nach seinem Rechte lebten 22. Weil nach dem Stam-

16 Ed. Pistense c. 13 LL I 491: in illis autem regionibus, in quibus secundum
legem Romanam iudicia terminantur, iuxta ipsam legem culpabilis iudicetur; ähnlich
c. 16. 20. 23. Eine allgemeine Einführung des Territorialitätsprinzips (nach welchem
stets die lex fori entscheidet) hat das Edictum Pistense nicht beabsichtigt. In c. 20.
28. 34 steht es auf dem Boden des Personalitätsprinzips. Vgl. v. Bethmann-
Hollweg
V 75. Soweit das Territorialitätsprinzip zur Anwendung kam, setzte es
sich nicht an die Stelle des Personalitätsprinzips, sondern sollte das römische Recht
ein anderes territoriales Recht, das in den Kapitularien normierte fränkische Reichs-
recht ausschlieſsen.
17 Rib. 31, 3: in iudicio interpellatus, sicut lex loci continet, ubi natus fuit,
sic respondeat. Cap. ital. Pippini von 790 c. 4, I 201: de vero statu ingenuitatis aut
aliis quaerelis unusquisque secundum suam legem se ipsum defendat. Cap. legi add.
v. J. 816 c. 2, I 268 unten Anm 20.
18 Expositio § 7 zu Lud. P. 15, LL IV 530: ceteri vero secundum suam
legem, veluti Romanus 20 dies habeant indutias.
19 Cap. ital. c. 14, I 218: et quando iurant, iuxta suam legem iurent. Ed.
Pist. v. J. 864 c. 20: secundum suam legem se inde sacramento idoneum reddat.
20 Cap. legi add. v. J. 816 c. 2, I 268: si quis in aliena patria .. de qualibet
causa fuerit interpellatus, ibi secundum suam legem iustitiam faciat .. excepto si
quis eum de statu suo id est de libertate vel de hereditate .. appellaverit: de his
duobus liceat illi sacramentum in patria .. iurandum offerre.
21 Agobard in LL III 504, c. 4.
22 Cap. legibus add. von 818—19 c. 6, I 282: adhibeat sibi vel de suis pagensi-
bus vel de aliis qui eadem lege vivant qua ipse vivit (in der ahd. Übersetzung thie
theru selueru vuizzidi leuen) testes idoneos, vel si illos habere non poterit, tunc de
aliis quales ibi meliores inveniri possint (eine Milderung des Volksrechtes für
Traditionen extra comitatum). In den langobardischen Traditionsurkunden wird das
Geburtsrecht der Zeugen als ein dem des Veräuſserers entsprechendes so regelmäſsig
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[263/0281] § 34. Das Personalitätsprinzip. läſst für gewisse Verbrechen, die von Amts wegen zu verfolgen und zu bestrafen waren, nämlich für Münz-, Maſs- und Metallfälschung in den Gebieten des römischen Rechtes nicht die durch das Reichsrecht der Kapitularien festgesetzten Strafen, sondern die des römischen Rechtes, also die Strafen der lex fori platzgreifen 16. 3. Im Rechtsgange verteidigt sich der Beklagte nach seinem Ge- burtsrechte 17. Die lex originis des Beklagten bestimmte die ihm ge- bührenden Fristen 18, bestimmte das Beweisrecht, insbesondere die Form und die Gröſse des Eides 19. Über Freiheit und Erbe brauchte der Beklagte, der auswärts belangt worden war, nur innerhalb seines Heimatsgaues zu schwören 20. Kam es auf einen Zeugenbeweis an, so muſsten die Zeugen wenigstens zum Teile Stammesgenossen des- jenigen sein, der durch ihr Zeugnis überführt werden sollte 21. Aus diesem Grunde erschien es im Interesse des Erwerbers als erforder- lich, daſs der Veräuſserer eines Grundstücks zur Übereignung Zeugen zuzog, welche nach seinem Rechte lebten 22. Weil nach dem Stam- 16 Ed. Pistense c. 13 LL I 491: in illis autem regionibus, in quibus secundum legem Romanam iudicia terminantur, iuxta ipsam legem culpabilis iudicetur; ähnlich c. 16. 20. 23. Eine allgemeine Einführung des Territorialitätsprinzips (nach welchem stets die lex fori entscheidet) hat das Edictum Pistense nicht beabsichtigt. In c. 20. 28. 34 steht es auf dem Boden des Personalitätsprinzips. Vgl. v. Bethmann- Hollweg V 75. Soweit das Territorialitätsprinzip zur Anwendung kam, setzte es sich nicht an die Stelle des Personalitätsprinzips, sondern sollte das römische Recht ein anderes territoriales Recht, das in den Kapitularien normierte fränkische Reichs- recht ausschlieſsen. 17 Rib. 31, 3: in iudicio interpellatus, sicut lex loci continet, ubi natus fuit, sic respondeat. Cap. ital. Pippini von 790 c. 4, I 201: de vero statu ingenuitatis aut aliis quaerelis unusquisque secundum suam legem se ipsum defendat. Cap. legi add. v. J. 816 c. 2, I 268 unten Anm 20. 18 Expositio § 7 zu Lud. P. 15, LL IV 530: ceteri vero secundum suam legem, veluti Romanus 20 dies habeant indutias. 19 Cap. ital. c. 14, I 218: et quando iurant, iuxta suam legem iurent. Ed. Pist. v. J. 864 c. 20: secundum suam legem se inde sacramento idoneum reddat. 20 Cap. legi add. v. J. 816 c. 2, I 268: si quis in aliena patria .. de qualibet causa fuerit interpellatus, ibi secundum suam legem iustitiam faciat .. excepto si quis eum de statu suo id est de libertate vel de hereditate .. appellaverit: de his duobus liceat illi sacramentum in patria .. iurandum offerre. 21 Agobard in LL III 504, c. 4. 22 Cap. legibus add. von 818—19 c. 6, I 282: adhibeat sibi vel de suis pagensi- bus vel de aliis qui eadem lege vivant qua ipse vivit (in der ahd. Übersetzung thie theru selueru vuizzidi leuen) testes idoneos, vel si illos habere non poterit, tunc de aliis quales ibi meliores inveniri possint (eine Milderung des Volksrechtes für Traditionen extra comitatum). In den langobardischen Traditionsurkunden wird das Geburtsrecht der Zeugen als ein dem des Veräuſserers entsprechendes so regelmäſsig

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/281>, abgerufen am 22.11.2024.