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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 30. Die Knechte.
desselben wird als ein an dem Herrn begangenes Unrecht bei den
meisten Stämmen durch eine Busse gesühnt, welche sich mit Ein-
schluss des fredus als eine Verdreifachung jenes Sachwertes darstellt 4.
Die Chamaven 5 und die Ostfriesen 6 setzen die Busse für Tötung des
Knechtes dem halben Wergelde des Liten, die Baiern dem halben
Wergelde des Freigelassenen gleich 7. In Quellen des neunten Jahr-
hunderts wird geradezu von einem Wergelde, von einer leudis des
Knechtes gesprochen 8.

Die Verbesserung der rechtlichen Lage war eine ungleichmässige
bei den verschiedenen Arten der Knechte. Aus der Masse derselben
hoben sich auf Grund der Beschäftigung, die ihnen dauernd zugewiesen
war, gewisse Klassen zuerst in thatsächlich, dann in rechtlich bevor-
zugter Stellung heraus. Zu ihnen gehören die servi casati, Knechte,
welche auf einer Hufe ihres Herrn angesiedelt sind. Sie sitzen in
kleineren Höfen, casae, hospitia, hausen etwa in Vorwerken, die auf
gerodetem Lande errichtet worden sind. Nach der Hufe, welche sie
bebauen, heissen sie auch mansionarii, mansuarii oder hobarii, Hübner.
An den Herrenhof leisten sie gewohnheitsrechtlich fixierte Zinse und
Dienste. Mitunter sind ihnen Knechte geringeren Ranges als Feld-
arbeiter untergeben. Das Grundstück des mansuarius wird samt
Zubehör nach römischem Vorbilde als sein peculium, er selbst
gelegentlich als servus peculiaris bezeichnet 9. Indem es Regel wurde,
den Grund und Boden nicht ohne die ihm gewidmeten unfreien
Arbeitskräfte zu veräussern 10, haben Knecht und Hufe den Charakter

4 Nach Lex Rib. 8 sechsunddreissig solidi, von welchen wohl der dritte Teil
als Friedensgeld abzuziehen ist, nach Lex Sal. 10 fünfunddreissig, nach Lex Angl.
et Werin. 3 dreissig solidi, nach Lex Sax. 17 sechsunddreissig solidi minores (gleich
24 sol. maiores) ohne Einschluss des fredus. Nach Lex Alam. Hlo. 8 A 1 nur fünf-
zehn solidi, neben welchen aber wahrscheinlich noch der kleine fredus von zwölf
solidi fällig wurde. -- Treibt der Unfreie ein Gewerbe, das besondere Geschicklich-
keit oder Umsicht erfordert, so tritt eine Erhöhung der Busse ein.
5 Lex Cham. 6: qui servum occiderit solidos 50 componat; exinde in domi-
nico, sicut diximus, terciam partem.
6 Lex Fris. 15, 4.
7 Lex Baiuw. VI 12: zwanzig solidi, daneben wahrscheinlich ein kleiner fredus
von zwölf solidi.
8 Cap. v. J. 808 c. 2, I 139: de servis vero, si quis alterius servum ... pendiderit
et ibi mortuus fuerit, weregildus eius domino solvatur; et si de ipsa morte evaserit,
ipse ipsam liudem recipiat et liber postea permaneat. Form. Coll. Patav. 2, Zeumer
S 457. Einhardi Epist. von 828--840 oben S 220 Anm 19.
9 Wartmann, St. Gall. UB I 14, Nr 12 v. J. 745: (trado) haec loca ... con-
servis et ancillis peculiaribus cum domibus, aedificiis et mancipiis domesticis.
10 Schon in der 2. Hälfte des 4. Jahrh. hatte eine Konstitution Valentinians

§ 30. Die Knechte.
desselben wird als ein an dem Herrn begangenes Unrecht bei den
meisten Stämmen durch eine Buſse gesühnt, welche sich mit Ein-
schluſs des fredus als eine Verdreifachung jenes Sachwertes darstellt 4.
Die Chamaven 5 und die Ostfriesen 6 setzen die Buſse für Tötung des
Knechtes dem halben Wergelde des Liten, die Baiern dem halben
Wergelde des Freigelassenen gleich 7. In Quellen des neunten Jahr-
hunderts wird geradezu von einem Wergelde, von einer leudis des
Knechtes gesprochen 8.

Die Verbesserung der rechtlichen Lage war eine ungleichmäſsige
bei den verschiedenen Arten der Knechte. Aus der Masse derselben
hoben sich auf Grund der Beschäftigung, die ihnen dauernd zugewiesen
war, gewisse Klassen zuerst in thatsächlich, dann in rechtlich bevor-
zugter Stellung heraus. Zu ihnen gehören die servi casati, Knechte,
welche auf einer Hufe ihres Herrn angesiedelt sind. Sie sitzen in
kleineren Höfen, casae, hospitia, hausen etwa in Vorwerken, die auf
gerodetem Lande errichtet worden sind. Nach der Hufe, welche sie
bebauen, heiſsen sie auch mansionarii, mansuarii oder hobarii, Hübner.
An den Herrenhof leisten sie gewohnheitsrechtlich fixierte Zinse und
Dienste. Mitunter sind ihnen Knechte geringeren Ranges als Feld-
arbeiter untergeben. Das Grundstück des mansuarius wird samt
Zubehör nach römischem Vorbilde als sein peculium, er selbst
gelegentlich als servus peculiaris bezeichnet 9. Indem es Regel wurde,
den Grund und Boden nicht ohne die ihm gewidmeten unfreien
Arbeitskräfte zu veräuſsern 10, haben Knecht und Hufe den Charakter

4 Nach Lex Rib. 8 sechsunddreiſsig solidi, von welchen wohl der dritte Teil
als Friedensgeld abzuziehen ist, nach Lex Sal. 10 fünfunddreiſsig, nach Lex Angl.
et Werin. 3 dreiſsig solidi, nach Lex Sax. 17 sechsunddreiſsig solidi minores (gleich
24 sol. maiores) ohne Einschluſs des fredus. Nach Lex Alam. Hlo. 8 A 1 nur fünf-
zehn solidi, neben welchen aber wahrscheinlich noch der kleine fredus von zwölf
solidi fällig wurde. — Treibt der Unfreie ein Gewerbe, das besondere Geschicklich-
keit oder Umsicht erfordert, so tritt eine Erhöhung der Buſse ein.
5 Lex Cham. 6: qui servum occiderit solidos 50 componat; exinde in domi-
nico, sicut diximus, terciam partem.
6 Lex Fris. 15, 4.
7 Lex Baiuw. VI 12: zwanzig solidi, daneben wahrscheinlich ein kleiner fredus
von zwölf solidi.
8 Cap. v. J. 808 c. 2, I 139: de servis vero, si quis alterius servum … pendiderit
et ibi mortuus fuerit, weregildus eius domino solvatur; et si de ipsa morte evaserit,
ipse ipsam liudem recipiat et liber postea permaneat. Form. Coll. Patav. 2, Zeumer
S 457. Einhardi Epist. von 828—840 oben S 220 Anm 19.
9 Wartmann, St. Gall. UB I 14, Nr 12 v. J. 745: (trado) haec loca … con-
servis et ancillis peculiaribus cum domibus, aedificiis et mancipiis domesticis.
10 Schon in der 2. Hälfte des 4. Jahrh. hatte eine Konstitution Valentinians
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[232/0250] § 30. Die Knechte. desselben wird als ein an dem Herrn begangenes Unrecht bei den meisten Stämmen durch eine Buſse gesühnt, welche sich mit Ein- schluſs des fredus als eine Verdreifachung jenes Sachwertes darstellt 4. Die Chamaven 5 und die Ostfriesen 6 setzen die Buſse für Tötung des Knechtes dem halben Wergelde des Liten, die Baiern dem halben Wergelde des Freigelassenen gleich 7. In Quellen des neunten Jahr- hunderts wird geradezu von einem Wergelde, von einer leudis des Knechtes gesprochen 8. Die Verbesserung der rechtlichen Lage war eine ungleichmäſsige bei den verschiedenen Arten der Knechte. Aus der Masse derselben hoben sich auf Grund der Beschäftigung, die ihnen dauernd zugewiesen war, gewisse Klassen zuerst in thatsächlich, dann in rechtlich bevor- zugter Stellung heraus. Zu ihnen gehören die servi casati, Knechte, welche auf einer Hufe ihres Herrn angesiedelt sind. Sie sitzen in kleineren Höfen, casae, hospitia, hausen etwa in Vorwerken, die auf gerodetem Lande errichtet worden sind. Nach der Hufe, welche sie bebauen, heiſsen sie auch mansionarii, mansuarii oder hobarii, Hübner. An den Herrenhof leisten sie gewohnheitsrechtlich fixierte Zinse und Dienste. Mitunter sind ihnen Knechte geringeren Ranges als Feld- arbeiter untergeben. Das Grundstück des mansuarius wird samt Zubehör nach römischem Vorbilde als sein peculium, er selbst gelegentlich als servus peculiaris bezeichnet 9. Indem es Regel wurde, den Grund und Boden nicht ohne die ihm gewidmeten unfreien Arbeitskräfte zu veräuſsern 10, haben Knecht und Hufe den Charakter 4 Nach Lex Rib. 8 sechsunddreiſsig solidi, von welchen wohl der dritte Teil als Friedensgeld abzuziehen ist, nach Lex Sal. 10 fünfunddreiſsig, nach Lex Angl. et Werin. 3 dreiſsig solidi, nach Lex Sax. 17 sechsunddreiſsig solidi minores (gleich 24 sol. maiores) ohne Einschluſs des fredus. Nach Lex Alam. Hlo. 8 A 1 nur fünf- zehn solidi, neben welchen aber wahrscheinlich noch der kleine fredus von zwölf solidi fällig wurde. — Treibt der Unfreie ein Gewerbe, das besondere Geschicklich- keit oder Umsicht erfordert, so tritt eine Erhöhung der Buſse ein. 5 Lex Cham. 6: qui servum occiderit solidos 50 componat; exinde in domi- nico, sicut diximus, terciam partem. 6 Lex Fris. 15, 4. 7 Lex Baiuw. VI 12: zwanzig solidi, daneben wahrscheinlich ein kleiner fredus von zwölf solidi. 8 Cap. v. J. 808 c. 2, I 139: de servis vero, si quis alterius servum … pendiderit et ibi mortuus fuerit, weregildus eius domino solvatur; et si de ipsa morte evaserit, ipse ipsam liudem recipiat et liber postea permaneat. Form. Coll. Patav. 2, Zeumer S 457. Einhardi Epist. von 828—840 oben S 220 Anm 19. 9 Wartmann, St. Gall. UB I 14, Nr 12 v. J. 745: (trado) haec loca … con- servis et ancillis peculiaribus cum domibus, aedificiis et mancipiis domesticis. 10 Schon in der 2. Hälfte des 4. Jahrh. hatte eine Konstitution Valentinians

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/250>, abgerufen am 22.11.2024.