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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 28. Die Sippe.
er betonen will, dass er über das Mass der normalen Blutrache weit
hinausgehen werde, schwört König Guntram, dass er, um den Tod
seines Bruders zu rächen, nicht bloss den Mörder, sondern auch
dessen Sippe bis ins neunte Glied vertilgen werde 8. Im Fehde- und
Wergeldwesen wird bei den Franken in der Regel nicht über das
dritte, niemals aber über das vierte Glied der eigentlichen Vetterschaft
(die fünfte bezw. sechste Parentel der Parentelenordnung) hinaus-
gegangen.

Die Grundsätze über die Verteilung des Wergeldes und über das
Mass der Wergeldhaftung treten in den Quellen dieser Zeit wenigstens
für einzelne Stammesrechte deutlicher hervor, so dass sich, wenn
wir jüngere Belege zur Ergänzung heranziehen, immerhin ein einiger-
massen abgerundetes Gesamtbild gewinnen lässt.

Bei den Salfranken zerfällt das Wergeld in zwei gleiche Hälften,
deren eine als Erbsühne den Söhnen oder nächsten Erben des Er-
schlagenen zukommt, während die andere Hälfte als Magsühne zu
gleichen Teilen zwischen Vater- und Muttermagen geteilt wird 9. Das
salische Recht sondert die väterlichen und die mütterlichen Äste der
Verwandtschaft so scharf, dass in Ermangelung von Vatermagen deren
Quote nicht an die Muttermagen, sondern an den Fiskus fällt und
ebenso der Fiskus zugreift, wenn es an Muttermagen gebricht. Die

den Langobarden gar als drittes Glied gerechnet werden. Vgl. Heusler, Instit.
II 592 f.
8 Gregor. Tur. Hist. Franc. VII 21: tunc rex iuravit omnibus optimatibus, quod
non modo ipsum (Eberulfum) verum etiam progeniem eius in nonam generationem
deleret, ut per horum necem consuetudo auferretur iniqua, ne reges amplius inter-
ficerentur. Da man hier unter den neun Generationen natürlich nicht Abkömm-
linge des Eberulf verstehen kann, so ist die Stelle ein hübscher Beleg für die frän-
kische Zählung der Magschaft nach Generationen oder Gliedern. Eine treffliche
Illustration bietet die Äusserung des Löwen im Reineke Fuchs, weitere Unthaten
des Reineke sollten alle büssen, die ihm bis zum zehnten Gliede verwandt sind.
Vos Reinaerde, hg. von Martin 1874, Vers 2536.
9 Lex Sal. 62; Cap. II zur Lex Sal. c. 3 (Behrend-Boretius S 94;
Hessels T. 101). Der Anteil der mater ist hier jüngeres Recht. Sal. 62 kennt
ihn noch nicht. In der Ansicht, dass die mater die Witwe bedeutet (Z2 f. RG
III 34), bestärkt mich gegen Heusler, Instit. II 523 Anm die Ausdrucksweise
von Lex Sal. 62: si cuiuscunque pater occisus fuerit, medietate conpositionis
filii collegant. Das weist auf ein etwas verschobenes Verwandtschaftsbild hin, in
welchem der Erschlagene als pater bezeichnet ist und dessen Witwe natürlich nur
als mater eingesetzt werden kann. Sonst müsste man unter den filii die Enkel des
Erschlagenen verstehen, was unmöglich ist. -- Aus Cap. I zur Lex Sal. c. 5 § 2:
mortem illius nec parentes nec filius nullatenus requiratur, darf geschlossen werden,
dass Erbsühne und Magsühne unabhängig von einander eingeklagt werden konnten.

§ 28. Die Sippe.
er betonen will, daſs er über das Maſs der normalen Blutrache weit
hinausgehen werde, schwört König Guntram, daſs er, um den Tod
seines Bruders zu rächen, nicht bloſs den Mörder, sondern auch
dessen Sippe bis ins neunte Glied vertilgen werde 8. Im Fehde- und
Wergeldwesen wird bei den Franken in der Regel nicht über das
dritte, niemals aber über das vierte Glied der eigentlichen Vetterschaft
(die fünfte bezw. sechste Parentel der Parentelenordnung) hinaus-
gegangen.

Die Grundsätze über die Verteilung des Wergeldes und über das
Maſs der Wergeldhaftung treten in den Quellen dieser Zeit wenigstens
für einzelne Stammesrechte deutlicher hervor, so daſs sich, wenn
wir jüngere Belege zur Ergänzung heranziehen, immerhin ein einiger-
maſsen abgerundetes Gesamtbild gewinnen läſst.

Bei den Salfranken zerfällt das Wergeld in zwei gleiche Hälften,
deren eine als Erbsühne den Söhnen oder nächsten Erben des Er-
schlagenen zukommt, während die andere Hälfte als Magsühne zu
gleichen Teilen zwischen Vater- und Muttermagen geteilt wird 9. Das
salische Recht sondert die väterlichen und die mütterlichen Äste der
Verwandtschaft so scharf, daſs in Ermangelung von Vatermagen deren
Quote nicht an die Muttermagen, sondern an den Fiskus fällt und
ebenso der Fiskus zugreift, wenn es an Muttermagen gebricht. Die

den Langobarden gar als drittes Glied gerechnet werden. Vgl. Heusler, Instit.
II 592 f.
8 Gregor. Tur. Hist. Franc. VII 21: tunc rex iuravit omnibus optimatibus, quod
non modo ipsum (Eberulfum) verum etiam progeniem eius in nonam generationem
deleret, ut per horum necem consuetudo auferretur iniqua, ne reges amplius inter-
ficerentur. Da man hier unter den neun Generationen natürlich nicht Abkömm-
linge des Eberulf verstehen kann, so ist die Stelle ein hübscher Beleg für die frän-
kische Zählung der Magschaft nach Generationen oder Gliedern. Eine treffliche
Illustration bietet die Äuſserung des Löwen im Reineke Fuchs, weitere Unthaten
des Reineke sollten alle büſsen, die ihm bis zum zehnten Gliede verwandt sind.
Vos Reinaerde, hg. von Martin 1874, Vers 2536.
9 Lex Sal. 62; Cap. II zur Lex Sal. c. 3 (Behrend-Boretius S 94;
Hessels T. 101). Der Anteil der mater ist hier jüngeres Recht. Sal. 62 kennt
ihn noch nicht. In der Ansicht, daſs die mater die Witwe bedeutet (Z2 f. RG
III 34), bestärkt mich gegen Heusler, Instit. II 523 Anm die Ausdrucksweise
von Lex Sal. 62: si cuiuscunque pater occisus fuerit, medietate conpositionis
filii collegant. Das weist auf ein etwas verschobenes Verwandtschaftsbild hin, in
welchem der Erschlagene als pater bezeichnet ist und dessen Witwe natürlich nur
als mater eingesetzt werden kann. Sonst müſste man unter den filii die Enkel des
Erschlagenen verstehen, was unmöglich ist. — Aus Cap. I zur Lex Sal. c. 5 § 2:
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daſs Erbsühne und Magsühne unabhängig von einander eingeklagt werden konnten.
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[218/0236] § 28. Die Sippe. er betonen will, daſs er über das Maſs der normalen Blutrache weit hinausgehen werde, schwört König Guntram, daſs er, um den Tod seines Bruders zu rächen, nicht bloſs den Mörder, sondern auch dessen Sippe bis ins neunte Glied vertilgen werde 8. Im Fehde- und Wergeldwesen wird bei den Franken in der Regel nicht über das dritte, niemals aber über das vierte Glied der eigentlichen Vetterschaft (die fünfte bezw. sechste Parentel der Parentelenordnung) hinaus- gegangen. Die Grundsätze über die Verteilung des Wergeldes und über das Maſs der Wergeldhaftung treten in den Quellen dieser Zeit wenigstens für einzelne Stammesrechte deutlicher hervor, so daſs sich, wenn wir jüngere Belege zur Ergänzung heranziehen, immerhin ein einiger- maſsen abgerundetes Gesamtbild gewinnen läſst. Bei den Salfranken zerfällt das Wergeld in zwei gleiche Hälften, deren eine als Erbsühne den Söhnen oder nächsten Erben des Er- schlagenen zukommt, während die andere Hälfte als Magsühne zu gleichen Teilen zwischen Vater- und Muttermagen geteilt wird 9. Das salische Recht sondert die väterlichen und die mütterlichen Äste der Verwandtschaft so scharf, daſs in Ermangelung von Vatermagen deren Quote nicht an die Muttermagen, sondern an den Fiskus fällt und ebenso der Fiskus zugreift, wenn es an Muttermagen gebricht. Die 7 8 Gregor. Tur. Hist. Franc. VII 21: tunc rex iuravit omnibus optimatibus, quod non modo ipsum (Eberulfum) verum etiam progeniem eius in nonam generationem deleret, ut per horum necem consuetudo auferretur iniqua, ne reges amplius inter- ficerentur. Da man hier unter den neun Generationen natürlich nicht Abkömm- linge des Eberulf verstehen kann, so ist die Stelle ein hübscher Beleg für die frän- kische Zählung der Magschaft nach Generationen oder Gliedern. Eine treffliche Illustration bietet die Äuſserung des Löwen im Reineke Fuchs, weitere Unthaten des Reineke sollten alle büſsen, die ihm bis zum zehnten Gliede verwandt sind. Vos Reinaerde, hg. von Martin 1874, Vers 2536. 9 Lex Sal. 62; Cap. II zur Lex Sal. c. 3 (Behrend-Boretius S 94; Hessels T. 101). Der Anteil der mater ist hier jüngeres Recht. Sal. 62 kennt ihn noch nicht. In der Ansicht, daſs die mater die Witwe bedeutet (Z2 f. RG III 34), bestärkt mich gegen Heusler, Instit. II 523 Anm die Ausdrucksweise von Lex Sal. 62: si cuiuscunque pater occisus fuerit, medietate conpositionis filii collegant. Das weist auf ein etwas verschobenes Verwandtschaftsbild hin, in welchem der Erschlagene als pater bezeichnet ist und dessen Witwe natürlich nur als mater eingesetzt werden kann. Sonst müſste man unter den filii die Enkel des Erschlagenen verstehen, was unmöglich ist. — Aus Cap. I zur Lex Sal. c. 5 § 2: mortem illius nec parentes nec filius nullatenus requiratur, darf geschlossen werden, daſs Erbsühne und Magsühne unabhängig von einander eingeklagt werden konnten. 7 den Langobarden gar als drittes Glied gerechnet werden. Vgl. Heusler, Instit. II 592 f.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/236>, abgerufen am 27.11.2024.