12 saigae. Vermutlich sind es die schweren römischen Silberdenare, die uns hier als saigae begegnen.
Der Goldsolidus war in Austrasien nur Rechnungsgeld und auch die Silberdenare wurden hier im Verkehr wenig gebraucht. Dieser ging im grossen und ganzen nicht über den Tauschhandel hinaus; thatsächliches Zahlungsmittel blieb das Vieh. Denn die austrasischen Deutschen befanden sich unter den Merowingern in einem Zustande wirtschaftlicher Isolierung. Die Handelsbeziehungen, welche in römi- scher Zeit bestanden hatten, waren durch die Völkerwanderung ver- schüttet, neue Verkehrswege seitdem nicht erschlossen worden. Erst die Karolinger begannen Austrasien in das entwickeltere Verkehrs- leben Neustriens hineinzuziehen. Eine Massregel austrasischer Wirt- schaftspolitik war es auch, dass das fränkische Münzwesen kurz vor der Mitte des achten Jahrhunderts, als der Goldvorrat im Reiche fast erschöpft war, vom Goldsolidus zum Silbersolidus überging. Denn durch die Art der Neuerung wurde den austrasischen Stämmen die Möglich- keit eröffnet, sich über den Tauschhandel emporzuheben und an all- gemeineren Gebrauch des gemünzten Geldes zu gewöhnen3.
Die neue Münzordnung wird zuerst in einem Kapitulare Karl- manns von 743 erwähnt. Sie rechnet auf den Silbersolidus 12 Denare. Da auf das Pfund Silber 20--22 solidi gingen, so hatte der Silber- solidus rechnungsmässig etwa das vierfache Gewicht des Goldsolidus. Schätzt man das Gold auf den zwölffachen Wert des Silbers, so ent- sprechen in runder Zahl drei Silbersolidi dem Goldsolidus. Übrigens war der Silbersolidus nur Rechnungsmünze, ausgeprägt wurde er nicht4. Ein Kapitular Pippins von 754--55 bestimmte, dass auf das Pfund nicht mehr als 22 solidi ausgeprägt werden sollten, von welchen der Münzer einen Solidus als Schlagschatz abziehen dürfe5. Seit etwa 780 ist die Ausprägung des Pfundes zu einem Münzwert von 20 solidi bezeugt6, und dabei ist es auch auf die Dauer geblieben, nur dass um jene Zeit Karl der Grosse dem leichteren römischen Pfunde von 327 Gramm ein schwereres substituierte, welches von jenem mindestens um 40 Gramm differierte7.
In Baiern hielt man längere Zeit an dem Goldsolidus fest, auf
3 v. Inama-Sternegg, WG I 452.
4 Die Münzfunde weisen ebensowenig einen Silbersolidus wie einen Silber- tremissis auf. Müller a. O. S 264.
5 Cap. I 32 c. 5.
6 Cap. episcoporum I 52.
7 Nach Soetbeer IV 311 wog das neue Pfund 367, nach Guerard I 125 und v. Inama-Sternegg I 450 hatte es 408 Gramm.
§ 27. Geld- und Münzwesen.
12 saigae. Vermutlich sind es die schweren römischen Silberdenare, die uns hier als saigae begegnen.
Der Goldsolidus war in Austrasien nur Rechnungsgeld und auch die Silberdenare wurden hier im Verkehr wenig gebraucht. Dieser ging im groſsen und ganzen nicht über den Tauschhandel hinaus; thatsächliches Zahlungsmittel blieb das Vieh. Denn die austrasischen Deutschen befanden sich unter den Merowingern in einem Zustande wirtschaftlicher Isolierung. Die Handelsbeziehungen, welche in römi- scher Zeit bestanden hatten, waren durch die Völkerwanderung ver- schüttet, neue Verkehrswege seitdem nicht erschlossen worden. Erst die Karolinger begannen Austrasien in das entwickeltere Verkehrs- leben Neustriens hineinzuziehen. Eine Maſsregel austrasischer Wirt- schaftspolitik war es auch, daſs das fränkische Münzwesen kurz vor der Mitte des achten Jahrhunderts, als der Goldvorrat im Reiche fast erschöpft war, vom Goldsolidus zum Silbersolidus überging. Denn durch die Art der Neuerung wurde den austrasischen Stämmen die Möglich- keit eröffnet, sich über den Tauschhandel emporzuheben und an all- gemeineren Gebrauch des gemünzten Geldes zu gewöhnen3.
Die neue Münzordnung wird zuerst in einem Kapitulare Karl- manns von 743 erwähnt. Sie rechnet auf den Silbersolidus 12 Denare. Da auf das Pfund Silber 20—22 solidi gingen, so hatte der Silber- solidus rechnungsmäſsig etwa das vierfache Gewicht des Goldsolidus. Schätzt man das Gold auf den zwölffachen Wert des Silbers, so ent- sprechen in runder Zahl drei Silbersolidi dem Goldsolidus. Übrigens war der Silbersolidus nur Rechnungsmünze, ausgeprägt wurde er nicht4. Ein Kapitular Pippins von 754—55 bestimmte, daſs auf das Pfund nicht mehr als 22 solidi ausgeprägt werden sollten, von welchen der Münzer einen Solidus als Schlagschatz abziehen dürfe5. Seit etwa 780 ist die Ausprägung des Pfundes zu einem Münzwert von 20 solidi bezeugt6, und dabei ist es auch auf die Dauer geblieben, nur daſs um jene Zeit Karl der Groſse dem leichteren römischen Pfunde von 327 Gramm ein schwereres substituierte, welches von jenem mindestens um 40 Gramm differierte7.
In Baiern hielt man längere Zeit an dem Goldsolidus fest, auf
3 v. Inama-Sternegg, WG I 452.
4 Die Münzfunde weisen ebensowenig einen Silbersolidus wie einen Silber- tremissis auf. Müller a. O. S 264.
5 Cap. I 32 c. 5.
6 Cap. episcoporum I 52.
7 Nach Soetbeer IV 311 wog das neue Pfund 367, nach Guérard I 125 und v. Inama-Sternegg I 450 hatte es 408 Gramm.
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§ 27. Geld- und Münzwesen.
12 saigae. Vermutlich sind es die schweren römischen Silberdenare,
die uns hier als saigae begegnen.
Der Goldsolidus war in Austrasien nur Rechnungsgeld und auch
die Silberdenare wurden hier im Verkehr wenig gebraucht. Dieser
ging im groſsen und ganzen nicht über den Tauschhandel hinaus;
thatsächliches Zahlungsmittel blieb das Vieh. Denn die austrasischen
Deutschen befanden sich unter den Merowingern in einem Zustande
wirtschaftlicher Isolierung. Die Handelsbeziehungen, welche in römi-
scher Zeit bestanden hatten, waren durch die Völkerwanderung ver-
schüttet, neue Verkehrswege seitdem nicht erschlossen worden. Erst
die Karolinger begannen Austrasien in das entwickeltere Verkehrs-
leben Neustriens hineinzuziehen. Eine Maſsregel austrasischer Wirt-
schaftspolitik war es auch, daſs das fränkische Münzwesen kurz vor
der Mitte des achten Jahrhunderts, als der Goldvorrat im Reiche fast
erschöpft war, vom Goldsolidus zum Silbersolidus überging. Denn durch
die Art der Neuerung wurde den austrasischen Stämmen die Möglich-
keit eröffnet, sich über den Tauschhandel emporzuheben und an all-
gemeineren Gebrauch des gemünzten Geldes zu gewöhnen 3.
Die neue Münzordnung wird zuerst in einem Kapitulare Karl-
manns von 743 erwähnt. Sie rechnet auf den Silbersolidus 12 Denare.
Da auf das Pfund Silber 20—22 solidi gingen, so hatte der Silber-
solidus rechnungsmäſsig etwa das vierfache Gewicht des Goldsolidus.
Schätzt man das Gold auf den zwölffachen Wert des Silbers, so ent-
sprechen in runder Zahl drei Silbersolidi dem Goldsolidus. Übrigens
war der Silbersolidus nur Rechnungsmünze, ausgeprägt wurde er
nicht 4. Ein Kapitular Pippins von 754—55 bestimmte, daſs auf
das Pfund nicht mehr als 22 solidi ausgeprägt werden sollten, von
welchen der Münzer einen Solidus als Schlagschatz abziehen dürfe 5.
Seit etwa 780 ist die Ausprägung des Pfundes zu einem Münzwert von
20 solidi bezeugt 6, und dabei ist es auch auf die Dauer geblieben,
nur daſs um jene Zeit Karl der Groſse dem leichteren römischen
Pfunde von 327 Gramm ein schwereres substituierte, welches von
jenem mindestens um 40 Gramm differierte 7.
In Baiern hielt man längere Zeit an dem Goldsolidus fest, auf
3 v. Inama-Sternegg, WG I 452.
4 Die Münzfunde weisen ebensowenig einen Silbersolidus wie einen Silber-
tremissis auf. Müller a. O. S 264.
5 Cap. I 32 c. 5.
6 Cap. episcoporum I 52.
7 Nach Soetbeer IV 311 wog das neue Pfund 367, nach Guérard I 125
und v. Inama-Sternegg I 450 hatte es 408 Gramm.
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/232>, abgerufen am 20.07.2024.
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