sich aus einer Anzahl von Kleinwirtschaften zusammensetzte. Soweit die Hörigen und Knechte des Grundherrn nicht ausreichten oder nicht geeignet waren die vorhandenen Hufen zu besetzen, wurden diese im Wege der Landleihe an seine Hintersassen ausgethan.
Die der fränkischen Zeit angehörigen Leiheverhältnisse haben sich allmählich in zwei Hauptformen geschieden, nämlich in die des Zins- gutes23 und in die des Lehens. Man darf jenes als ein Leiheverhältnis niederer, dieses als ein Leiheverhältnis höherer Ordnung bezeichnen. An Zwischenbildungen und Übergängen fehlt es nicht und die Grenze ist namentlich in den Anfängen der Entwicklung oft kaum zu be- stimmen. Die Verleihung des Zinsgutes erfolgt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Der Zinshof soll dem Herrenhof dienen, durch Fronden, Naturalabgaben oder Geldzinse des Besitzers die Wirtschaft des Herrenhofes ergänzen. Das Zinsgut stellt sich daher als eine Pertinenz des Herrenhofes dar. Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Besitzers und die Art der Dienste, zu denen es verpflichtet, charak- terisieren es als ein Leiheverhältnis niederer Ordnung, welches sich schliesslich derart ausgestaltet, dass es die öffentlich-rechtliche Stellung des Beliehenen beeinflusst und eine Schmälerung der vollen Freiheit nach sich zieht.
Dagegen geschieht die Vergabung des Lehens nicht zu wirtschaft- lichen, sondern zu öffentlich-rechtlichen Zwecken. Der Beliehene soll nicht dem Grundbesitz, sondern der Person seines Herrn dienen, er soll ihm nicht wirtschaftliche, sondern öffentlich-rechtliche, insbesondere militärische Dienste leisten. Die Leistungsfähigkeit des Beliehenen darf einerseits nicht durch die Bewirtschaftung des Leihegutes absor- biert werden, das Gut muss seine persönliche Arbeit entbehren können. Andrerseits soll es ihm eine derartige ökonomische Stellung gewähren, dass er die lehnsmässigen Kriegsdienste davon zu leisten vermag. Demgemäss können nur wirtschaftlich selbständige und grössere Güter, solche auf welchen die bäuerliche Arbeit in der Hauptsache von Knechten oder Hintersassen besorgt wird, den Gegenstand des echten Lehens bilden, abhängige Höfe nur insofern, als dem Lehnsmann ihre Rente zugewiesen wird. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Herrenhof, eine Schmälerung der vollen Freiheit führt das Lehen nicht herbei; es ist darum ein Leiheverhältnis höherer Ordnung.
Zinsgut und Lehen haben durch Aufteilung der Grundrente die
23 Es ist hier natürlich nur das geliehene Zinsgut gemeint. Auch den Hof, den ein Knecht gegen Zins bewirtschaftet, kann man Zinsgut nennen; doch hat er es nicht auf Grund einer Leihe.
Binding, Handbuch. II. 1. I: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. I. 14
§ 26. Grundherrschaften und Landleihe.
sich aus einer Anzahl von Kleinwirtschaften zusammensetzte. Soweit die Hörigen und Knechte des Grundherrn nicht ausreichten oder nicht geeignet waren die vorhandenen Hufen zu besetzen, wurden diese im Wege der Landleihe an seine Hintersassen ausgethan.
Die der fränkischen Zeit angehörigen Leiheverhältnisse haben sich allmählich in zwei Hauptformen geschieden, nämlich in die des Zins- gutes23 und in die des Lehens. Man darf jenes als ein Leiheverhältnis niederer, dieses als ein Leiheverhältnis höherer Ordnung bezeichnen. An Zwischenbildungen und Übergängen fehlt es nicht und die Grenze ist namentlich in den Anfängen der Entwicklung oft kaum zu be- stimmen. Die Verleihung des Zinsgutes erfolgt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Der Zinshof soll dem Herrenhof dienen, durch Fronden, Naturalabgaben oder Geldzinse des Besitzers die Wirtschaft des Herrenhofes ergänzen. Das Zinsgut stellt sich daher als eine Pertinenz des Herrenhofes dar. Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Besitzers und die Art der Dienste, zu denen es verpflichtet, charak- terisieren es als ein Leiheverhältnis niederer Ordnung, welches sich schlieſslich derart ausgestaltet, daſs es die öffentlich-rechtliche Stellung des Beliehenen beeinfluſst und eine Schmälerung der vollen Freiheit nach sich zieht.
Dagegen geschieht die Vergabung des Lehens nicht zu wirtschaft- lichen, sondern zu öffentlich-rechtlichen Zwecken. Der Beliehene soll nicht dem Grundbesitz, sondern der Person seines Herrn dienen, er soll ihm nicht wirtschaftliche, sondern öffentlich-rechtliche, insbesondere militärische Dienste leisten. Die Leistungsfähigkeit des Beliehenen darf einerseits nicht durch die Bewirtschaftung des Leihegutes absor- biert werden, das Gut muſs seine persönliche Arbeit entbehren können. Andrerseits soll es ihm eine derartige ökonomische Stellung gewähren, daſs er die lehnsmäſsigen Kriegsdienste davon zu leisten vermag. Demgemäſs können nur wirtschaftlich selbständige und gröſsere Güter, solche auf welchen die bäuerliche Arbeit in der Hauptsache von Knechten oder Hintersassen besorgt wird, den Gegenstand des echten Lehens bilden, abhängige Höfe nur insofern, als dem Lehnsmann ihre Rente zugewiesen wird. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Herrenhof, eine Schmälerung der vollen Freiheit führt das Lehen nicht herbei; es ist darum ein Leiheverhältnis höherer Ordnung.
Zinsgut und Lehen haben durch Aufteilung der Grundrente die
23 Es ist hier natürlich nur das geliehene Zinsgut gemeint. Auch den Hof, den ein Knecht gegen Zins bewirtschaftet, kann man Zinsgut nennen; doch hat er es nicht auf Grund einer Leihe.
Binding, Handbuch. II. 1. I: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. I. 14
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§ 26. Grundherrschaften und Landleihe.
sich aus einer Anzahl von Kleinwirtschaften zusammensetzte. Soweit
die Hörigen und Knechte des Grundherrn nicht ausreichten oder nicht
geeignet waren die vorhandenen Hufen zu besetzen, wurden diese im
Wege der Landleihe an seine Hintersassen ausgethan.
Die der fränkischen Zeit angehörigen Leiheverhältnisse haben sich
allmählich in zwei Hauptformen geschieden, nämlich in die des Zins-
gutes 23 und in die des Lehens. Man darf jenes als ein Leiheverhältnis
niederer, dieses als ein Leiheverhältnis höherer Ordnung bezeichnen.
An Zwischenbildungen und Übergängen fehlt es nicht und die Grenze
ist namentlich in den Anfängen der Entwicklung oft kaum zu be-
stimmen. Die Verleihung des Zinsgutes erfolgt unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten. Der Zinshof soll dem Herrenhof dienen, durch
Fronden, Naturalabgaben oder Geldzinse des Besitzers die Wirtschaft
des Herrenhofes ergänzen. Das Zinsgut stellt sich daher als eine
Pertinenz des Herrenhofes dar. Die wirtschaftliche Abhängigkeit des
Besitzers und die Art der Dienste, zu denen es verpflichtet, charak-
terisieren es als ein Leiheverhältnis niederer Ordnung, welches sich
schlieſslich derart ausgestaltet, daſs es die öffentlich-rechtliche Stellung
des Beliehenen beeinfluſst und eine Schmälerung der vollen Freiheit
nach sich zieht.
Dagegen geschieht die Vergabung des Lehens nicht zu wirtschaft-
lichen, sondern zu öffentlich-rechtlichen Zwecken. Der Beliehene soll
nicht dem Grundbesitz, sondern der Person seines Herrn dienen, er
soll ihm nicht wirtschaftliche, sondern öffentlich-rechtliche, insbesondere
militärische Dienste leisten. Die Leistungsfähigkeit des Beliehenen
darf einerseits nicht durch die Bewirtschaftung des Leihegutes absor-
biert werden, das Gut muſs seine persönliche Arbeit entbehren können.
Andrerseits soll es ihm eine derartige ökonomische Stellung gewähren,
daſs er die lehnsmäſsigen Kriegsdienste davon zu leisten vermag.
Demgemäſs können nur wirtschaftlich selbständige und gröſsere Güter,
solche auf welchen die bäuerliche Arbeit in der Hauptsache von
Knechten oder Hintersassen besorgt wird, den Gegenstand des echten
Lehens bilden, abhängige Höfe nur insofern, als dem Lehnsmann
ihre Rente zugewiesen wird. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit von
einem Herrenhof, eine Schmälerung der vollen Freiheit führt das Lehen
nicht herbei; es ist darum ein Leiheverhältnis höherer Ordnung.
Zinsgut und Lehen haben durch Aufteilung der Grundrente die
23 Es ist hier natürlich nur das geliehene Zinsgut gemeint. Auch den Hof,
den ein Knecht gegen Zins bewirtschaftet, kann man Zinsgut nennen; doch hat er
es nicht auf Grund einer Leihe.
Binding, Handbuch. II. 1. I: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. I. 14
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/227>, abgerufen am 20.07.2024.
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