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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 25. Die wirtschaftlichen Zustände
in den fränkischen Quellen das Wort mansus 17, welches deutsch mit
Hufe wiedergegeben wird 18. Die Grösse der Hufe ist in den einzelnen
Gegenden des fränkischen Reiches eine durchaus verschiedene, eine
Verschiedenheit, welche in der ursprünglichen Feldgemeinschaft ihre
Erklärung findet, weil eben nur innerhalb der einzelnen Mark das
Ausmass der Hufe ein gleiches zu sein brauchte 19.

So hat sich trotz des Sondereigentums am Ackerlande innerhalb
der deutschen Stammlande bei der Masse der freien Bevölkerung eine
gewisse Gleichförmigkeit der Besitzverhältnisse über die Zeit der
Reichsgründung hinaus erhalten. Wie einerseits der Grossgrund-
besitzer ist andrerseits der Besitzlose eine Ausnahme. Noch rechnet
das Gerichtsverfahren mit der Thatsache, dass der freie Volksgenosse
ein angesessener Mann sei, indem es schlechtweg verlangt, dass die
Vorladung in dem Hause des Beklagten geschehe. Erst jüngere
Quellen setzen eine besitzlose freie Bevölkerung voraus, die ihr Er-
scheinen vor Gericht durch Bürgen sicherstellen muss 20. Dass die
Hufe das Durchschnittsmass des Grundbesitzes geblieben ist, zeigt die
merkwürdige Übereinstimmung, welche zwischen dem Werte der
Hufe und dem Wergelde des freien Mannes obwaltet und bei Ver-
äusserungen 21, sowie bei der Regelung der Heerfahrtpflicht zu Grunde

17 Über die ältesten sicheren Fundstellen handelt Zeumer im NA XI 331.
Die ursprüngliche Bedeutung von mansus ist Hof, nämlich Wohnung und Wohn-
platz (mansio). Waitz, Hufe S 188. Auch in Form. Andegav. 25 ist manso so
viel wie mansio, da sonst an dieser Stelle die casa genannt sein müsste.
18 Auch das Wort hoba, huoba, alts. hova, obwohl es sprachlich von Hof zu
scheiden ist, scheint ursprünglich die curtis bezeichnet zu haben. Denn das lango-
bardische Wort hoberos, operus, uberos, huberos, Rothari 278. 373. 380, so viel wie
curtis ruptura (C. Meyer, Sprache der Langobarden S 292), ist doch wohl von
hoba nicht von hof herzuleiten. Vgl. hubestat für hovastat bei Waitz, Hufe
S 191 f.
19 Über die verschiedenartige Grösse des mansus s. Guerard, Polyptyque
de l'abbe Irminon I 608. Hanssen, Agrarhist. Abhandl. II 181 f. In Urkunden
aus deutschen Gegenden werden Hufen von 30 bis 40 Joch verhältnismässig oft er-
wähnt. Landau S 36; Waitz, Hufe S 202 f. Dagegen setzen einen mansus
von mindestens 12 Joch voraus Cap. Pap. v. J. 832 c. 1 LL I 360 mit Bezugnahme
auf eine Vorschrift Ludwigs des Frommen; Hinkmar, Opera I 716 und der
Lombarde Papias: mansus dictus a manendo quod integrum fit duodecim iugeribus.
20 Noch nach Ssp Landr. II 5 § 1 ist von der Bürgenstellung bei peinlicher
Klage befreit, wer Eigen im Werte seines Wergeldes besitzt. Homeyer, Hei-
mat S 46.
21 In der alamannischen Urk. Wartmann Nr 400 v. J. 846 tradiert jemand
unam hobam compositionis meae. Bei Landschenkungen wird nicht selten der Preis
des vorbehaltenen Rückkaufs nach Wergeldern bemessen. Wartmann Nr 142 v.
J. 796: liceat eis (parentibus redemere) cum uno weraceldo; Nr 143 v. J. 797: et

§ 25. Die wirtschaftlichen Zustände
in den fränkischen Quellen das Wort mansus 17, welches deutsch mit
Hufe wiedergegeben wird 18. Die Gröſse der Hufe ist in den einzelnen
Gegenden des fränkischen Reiches eine durchaus verschiedene, eine
Verschiedenheit, welche in der ursprünglichen Feldgemeinschaft ihre
Erklärung findet, weil eben nur innerhalb der einzelnen Mark das
Ausmaſs der Hufe ein gleiches zu sein brauchte 19.

So hat sich trotz des Sondereigentums am Ackerlande innerhalb
der deutschen Stammlande bei der Masse der freien Bevölkerung eine
gewisse Gleichförmigkeit der Besitzverhältnisse über die Zeit der
Reichsgründung hinaus erhalten. Wie einerseits der Groſsgrund-
besitzer ist andrerseits der Besitzlose eine Ausnahme. Noch rechnet
das Gerichtsverfahren mit der Thatsache, daſs der freie Volksgenosse
ein angesessener Mann sei, indem es schlechtweg verlangt, daſs die
Vorladung in dem Hause des Beklagten geschehe. Erst jüngere
Quellen setzen eine besitzlose freie Bevölkerung voraus, die ihr Er-
scheinen vor Gericht durch Bürgen sicherstellen muſs 20. Daſs die
Hufe das Durchschnittsmaſs des Grundbesitzes geblieben ist, zeigt die
merkwürdige Übereinstimmung, welche zwischen dem Werte der
Hufe und dem Wergelde des freien Mannes obwaltet und bei Ver-
äuſserungen 21, sowie bei der Regelung der Heerfahrtpflicht zu Grunde

17 Über die ältesten sicheren Fundstellen handelt Zeumer im NA XI 331.
Die ursprüngliche Bedeutung von mansus ist Hof, nämlich Wohnung und Wohn-
platz (mansio). Waitz, Hufe S 188. Auch in Form. Andegav. 25 ist manso so
viel wie mansio, da sonst an dieser Stelle die casa genannt sein müſste.
18 Auch das Wort hôba, huoba, alts. hôva, obwohl es sprachlich von Hof zu
scheiden ist, scheint ursprünglich die curtis bezeichnet zu haben. Denn das lango-
bardische Wort hoberos, operus, uberos, huberos, Rothari 278. 373. 380, so viel wie
curtis ruptura (C. Meyer, Sprache der Langobarden S 292), ist doch wohl von
hoba nicht von hof herzuleiten. Vgl. hubestat für hovastat bei Waitz, Hufe
S 191 f.
19 Über die verschiedenartige Gröſse des mansus s. Guérard, Polyptyque
de l’abbé Irminon I 608. Hanssen, Agrarhist. Abhandl. II 181 f. In Urkunden
aus deutschen Gegenden werden Hufen von 30 bis 40 Joch verhältnismäſsig oft er-
wähnt. Landau S 36; Waitz, Hufe S 202 f. Dagegen setzen einen mansus
von mindestens 12 Joch voraus Cap. Pap. v. J. 832 c. 1 LL I 360 mit Bezugnahme
auf eine Vorschrift Ludwigs des Frommen; Hinkmar, Opera I 716 und der
Lombarde Papias: mansus dictus a manendo quod integrum fit duodecim iugeribus.
20 Noch nach Ssp Landr. II 5 § 1 ist von der Bürgenstellung bei peinlicher
Klage befreit, wer Eigen im Werte seines Wergeldes besitzt. Homeyer, Hei-
mat S 46.
21 In der alamannischen Urk. Wartmann Nr 400 v. J. 846 tradiert jemand
unam hobam compositionis meae. Bei Landschenkungen wird nicht selten der Preis
des vorbehaltenen Rückkaufs nach Wergeldern bemessen. Wartmann Nr 142 v.
J. 796: liceat eis (parentibus redemere) cum uno weraceldo; Nr 143 v. J. 797: et
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[198/0216] § 25. Die wirtschaftlichen Zustände in den fränkischen Quellen das Wort mansus 17, welches deutsch mit Hufe wiedergegeben wird 18. Die Gröſse der Hufe ist in den einzelnen Gegenden des fränkischen Reiches eine durchaus verschiedene, eine Verschiedenheit, welche in der ursprünglichen Feldgemeinschaft ihre Erklärung findet, weil eben nur innerhalb der einzelnen Mark das Ausmaſs der Hufe ein gleiches zu sein brauchte 19. So hat sich trotz des Sondereigentums am Ackerlande innerhalb der deutschen Stammlande bei der Masse der freien Bevölkerung eine gewisse Gleichförmigkeit der Besitzverhältnisse über die Zeit der Reichsgründung hinaus erhalten. Wie einerseits der Groſsgrund- besitzer ist andrerseits der Besitzlose eine Ausnahme. Noch rechnet das Gerichtsverfahren mit der Thatsache, daſs der freie Volksgenosse ein angesessener Mann sei, indem es schlechtweg verlangt, daſs die Vorladung in dem Hause des Beklagten geschehe. Erst jüngere Quellen setzen eine besitzlose freie Bevölkerung voraus, die ihr Er- scheinen vor Gericht durch Bürgen sicherstellen muſs 20. Daſs die Hufe das Durchschnittsmaſs des Grundbesitzes geblieben ist, zeigt die merkwürdige Übereinstimmung, welche zwischen dem Werte der Hufe und dem Wergelde des freien Mannes obwaltet und bei Ver- äuſserungen 21, sowie bei der Regelung der Heerfahrtpflicht zu Grunde 17 Über die ältesten sicheren Fundstellen handelt Zeumer im NA XI 331. Die ursprüngliche Bedeutung von mansus ist Hof, nämlich Wohnung und Wohn- platz (mansio). Waitz, Hufe S 188. Auch in Form. Andegav. 25 ist manso so viel wie mansio, da sonst an dieser Stelle die casa genannt sein müſste. 18 Auch das Wort hôba, huoba, alts. hôva, obwohl es sprachlich von Hof zu scheiden ist, scheint ursprünglich die curtis bezeichnet zu haben. Denn das lango- bardische Wort hoberos, operus, uberos, huberos, Rothari 278. 373. 380, so viel wie curtis ruptura (C. Meyer, Sprache der Langobarden S 292), ist doch wohl von hoba nicht von hof herzuleiten. Vgl. hubestat für hovastat bei Waitz, Hufe S 191 f. 19 Über die verschiedenartige Gröſse des mansus s. Guérard, Polyptyque de l’abbé Irminon I 608. Hanssen, Agrarhist. Abhandl. II 181 f. In Urkunden aus deutschen Gegenden werden Hufen von 30 bis 40 Joch verhältnismäſsig oft er- wähnt. Landau S 36; Waitz, Hufe S 202 f. Dagegen setzen einen mansus von mindestens 12 Joch voraus Cap. Pap. v. J. 832 c. 1 LL I 360 mit Bezugnahme auf eine Vorschrift Ludwigs des Frommen; Hinkmar, Opera I 716 und der Lombarde Papias: mansus dictus a manendo quod integrum fit duodecim iugeribus. 20 Noch nach Ssp Landr. II 5 § 1 ist von der Bürgenstellung bei peinlicher Klage befreit, wer Eigen im Werte seines Wergeldes besitzt. Homeyer, Hei- mat S 46. 21 In der alamannischen Urk. Wartmann Nr 400 v. J. 846 tradiert jemand unam hobam compositionis meae. Bei Landschenkungen wird nicht selten der Preis des vorbehaltenen Rückkaufs nach Wergeldern bemessen. Wartmann Nr 142 v. J. 796: liceat eis (parentibus redemere) cum uno weraceldo; Nr 143 v. J. 797: et

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/216>, abgerufen am 12.12.2024.