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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 24. Das fränkische Reich.
treten, während ein Bruchteil des Stammes im ostgotischen Reiche
Schutz und Aufnahme suchte und fand. Indem Chlodovech sich mit
etlichen Tausend seines Volkes zum Christentum bekehrte und zwar
nicht zum Arianismus der Westgoten und Burgunder, sondern zum
Katholizismus der römischen Provinzialen, zog er die wichtigste und
leistungsfähigste Organisation des Romanentums, die lateinische Kirche,
in das Interesse seiner Politik und machte er den gallischen Klerus,
der ihn als Boten Gottes begrüsste, zum gefügigen Werkzeuge seiner
Pläne. Als Vorkämpfer des Katholizismus griff Chlodovech das Reich
der Westgoten an, welchen er 507--510 das Land zwischen Loire und
Garonne entriss 3. Aus einem Schreiben, das er in der Zeit des west-
gotischen Krieges an die Bischöfe Galliens richtete, geht hervor, dass
während desselben die katholischen Kirchen und Kleriker des feind-
lichen Gebietes im Frieden und im Schutze des Frankenkönigs stan-
den 4. Zu Beginn seiner Laufbahn war Chlodovech nur König über
einen Teil der salischen Franken; indem er die blutsverwandten Mit-
könige ausrottete und sich von den Ribuariern nach Beseitigung ihres
Königsgeschlechtes zum König erheben liess, erlangte er die Allein-
herrschaft über den gesamten Stamm der Franken 5.

Nach dem Tode Chlodovechs teilten sich seine vier Söhne in das
Reich, um die Eroberungspolitik ihres Vaters gemeinschaftlich fort-
zusetzen. Diese hatte an der Machtsphäre des Ostgotenkönigs Theo-
derich ihre Schranke gefunden, welche hinwegfiel, als das ostgotische
Reich unter den Nachfolgern Theoderichs seine auswärtige Macht-
stellung einbüsste. Nunmehr vermochten die Franken Thüringen zu
unterwerfen (531) und dem burgundischen Reiche (532) ein Ende zu
machen. Der ostgotisch byzantinische Krieg trug ihnen die Provence
und die Herrschaft über die Reste der Alamannen ein. Um die Mitte
des sechsten Jahrhunderts stehen auch die Baiern in Abhängigkeit vom
fränkischen Reiche.

So ging das Wachstum der Franken mit einer merkwürdigen Ge-
setzmässigkeit nach zwei verschiedenen Richtungen vor sich. Wie
jeder Schwingung des Pendels eine entgegengesetzte entspricht, so

3 Das spätere Septimanien blieb damals durch die Intervention Theoderichs
des Grossen dem westgotischen Reiche erhalten.
4 In pace nostra (regis). Capit. ed. Boretius I 1.
5 Die Chatten müssen sich schon vor diesem Ereignis dem Reiche Sigiberts
angeschlossen haben; denn Sigibert ging von Köln über den Rhein in die Buchonia,
also in chattisches Gebiet, wo sein Sohn ihn töten liess. Unter den Franken, welche
nach Sigiberts Tod Chlodovech zum König erhoben, waren also auch die Chatten in-
begriffen. Waitz, VG II 53.

§ 24. Das fränkische Reich.
treten, während ein Bruchteil des Stammes im ostgotischen Reiche
Schutz und Aufnahme suchte und fand. Indem Chlodovech sich mit
etlichen Tausend seines Volkes zum Christentum bekehrte und zwar
nicht zum Arianismus der Westgoten und Burgunder, sondern zum
Katholizismus der römischen Provinzialen, zog er die wichtigste und
leistungsfähigste Organisation des Romanentums, die lateinische Kirche,
in das Interesse seiner Politik und machte er den gallischen Klerus,
der ihn als Boten Gottes begrüſste, zum gefügigen Werkzeuge seiner
Pläne. Als Vorkämpfer des Katholizismus griff Chlodovech das Reich
der Westgoten an, welchen er 507—510 das Land zwischen Loire und
Garonne entriſs 3. Aus einem Schreiben, das er in der Zeit des west-
gotischen Krieges an die Bischöfe Galliens richtete, geht hervor, daſs
während desselben die katholischen Kirchen und Kleriker des feind-
lichen Gebietes im Frieden und im Schutze des Frankenkönigs stan-
den 4. Zu Beginn seiner Laufbahn war Chlodovech nur König über
einen Teil der salischen Franken; indem er die blutsverwandten Mit-
könige ausrottete und sich von den Ribuariern nach Beseitigung ihres
Königsgeschlechtes zum König erheben lieſs, erlangte er die Allein-
herrschaft über den gesamten Stamm der Franken 5.

Nach dem Tode Chlodovechs teilten sich seine vier Söhne in das
Reich, um die Eroberungspolitik ihres Vaters gemeinschaftlich fort-
zusetzen. Diese hatte an der Machtsphäre des Ostgotenkönigs Theo-
derich ihre Schranke gefunden, welche hinwegfiel, als das ostgotische
Reich unter den Nachfolgern Theoderichs seine auswärtige Macht-
stellung einbüſste. Nunmehr vermochten die Franken Thüringen zu
unterwerfen (531) und dem burgundischen Reiche (532) ein Ende zu
machen. Der ostgotisch byzantinische Krieg trug ihnen die Provence
und die Herrschaft über die Reste der Alamannen ein. Um die Mitte
des sechsten Jahrhunderts stehen auch die Baiern in Abhängigkeit vom
fränkischen Reiche.

So ging das Wachstum der Franken mit einer merkwürdigen Ge-
setzmäſsigkeit nach zwei verschiedenen Richtungen vor sich. Wie
jeder Schwingung des Pendels eine entgegengesetzte entspricht, so

3 Das spätere Septimanien blieb damals durch die Intervention Theoderichs
des Groſsen dem westgotischen Reiche erhalten.
4 In pace nostra (regis). Capit. ed. Boretius I 1.
5 Die Chatten müssen sich schon vor diesem Ereignis dem Reiche Sigiberts
angeschlossen haben; denn Sigibert ging von Köln über den Rhein in die Buchonia,
also in chattisches Gebiet, wo sein Sohn ihn töten lieſs. Unter den Franken, welche
nach Sigiberts Tod Chlodovech zum König erhoben, waren also auch die Chatten in-
begriffen. Waitz, VG II 53.
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[189/0207] § 24. Das fränkische Reich. treten, während ein Bruchteil des Stammes im ostgotischen Reiche Schutz und Aufnahme suchte und fand. Indem Chlodovech sich mit etlichen Tausend seines Volkes zum Christentum bekehrte und zwar nicht zum Arianismus der Westgoten und Burgunder, sondern zum Katholizismus der römischen Provinzialen, zog er die wichtigste und leistungsfähigste Organisation des Romanentums, die lateinische Kirche, in das Interesse seiner Politik und machte er den gallischen Klerus, der ihn als Boten Gottes begrüſste, zum gefügigen Werkzeuge seiner Pläne. Als Vorkämpfer des Katholizismus griff Chlodovech das Reich der Westgoten an, welchen er 507—510 das Land zwischen Loire und Garonne entriſs 3. Aus einem Schreiben, das er in der Zeit des west- gotischen Krieges an die Bischöfe Galliens richtete, geht hervor, daſs während desselben die katholischen Kirchen und Kleriker des feind- lichen Gebietes im Frieden und im Schutze des Frankenkönigs stan- den 4. Zu Beginn seiner Laufbahn war Chlodovech nur König über einen Teil der salischen Franken; indem er die blutsverwandten Mit- könige ausrottete und sich von den Ribuariern nach Beseitigung ihres Königsgeschlechtes zum König erheben lieſs, erlangte er die Allein- herrschaft über den gesamten Stamm der Franken 5. Nach dem Tode Chlodovechs teilten sich seine vier Söhne in das Reich, um die Eroberungspolitik ihres Vaters gemeinschaftlich fort- zusetzen. Diese hatte an der Machtsphäre des Ostgotenkönigs Theo- derich ihre Schranke gefunden, welche hinwegfiel, als das ostgotische Reich unter den Nachfolgern Theoderichs seine auswärtige Macht- stellung einbüſste. Nunmehr vermochten die Franken Thüringen zu unterwerfen (531) und dem burgundischen Reiche (532) ein Ende zu machen. Der ostgotisch byzantinische Krieg trug ihnen die Provence und die Herrschaft über die Reste der Alamannen ein. Um die Mitte des sechsten Jahrhunderts stehen auch die Baiern in Abhängigkeit vom fränkischen Reiche. So ging das Wachstum der Franken mit einer merkwürdigen Ge- setzmäſsigkeit nach zwei verschiedenen Richtungen vor sich. Wie jeder Schwingung des Pendels eine entgegengesetzte entspricht, so 3 Das spätere Septimanien blieb damals durch die Intervention Theoderichs des Groſsen dem westgotischen Reiche erhalten. 4 In pace nostra (regis). Capit. ed. Boretius I 1. 5 Die Chatten müssen sich schon vor diesem Ereignis dem Reiche Sigiberts angeschlossen haben; denn Sigibert ging von Köln über den Rhein in die Buchonia, also in chattisches Gebiet, wo sein Sohn ihn töten lieſs. Unter den Franken, welche nach Sigiberts Tod Chlodovech zum König erhoben, waren also auch die Chatten in- begriffen. Waitz, VG II 53.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/207>, abgerufen am 23.11.2024.