Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.§ 14. Die Stände. Geburtsadel nicht vorhanden. Ziemlich dürftig sind die Nachrichtenüber den Adel der gotisch-vandalischen Stämme. Hervorgehoben wird der Adel ihrer Königsgeschlechter, der ostgotischen Amaler, der westgotischen Balthen61, der vandalischen Astingen. Als Adelige sind die bei den Burgundern und wohl auch die bei den Westgoten ge- nannten optimates zu betrachten62. Das Wort Athal ist uns in gotischen und burgundischen Personennamen überliefert63. In den altsächsischen Sprachdenkmälern begegnen uns, vorzugs- se creavisse de prima, et ut ita dicam, nobiliore suorum familia. Ottfried von Weissenburg, Krist I v. 13 spricht den König Ludwig als edil franko, ediling an. 61 Jordanis c. 5. 29; Cassiodor, Var. 9, 1. 62 Dahn, Könige VI 23 f. 88 f. 63 Förstemann, Namenbuch I 137; Wackernagel bei Binding S 383. 64 Im Heliand passim. 65 Vgl. Grimm, WB III 894. 66 Grimm, Gesch. der deutschen Sprache S 470 auf Grund der Schreibung Erouloi Airouloi bei Ammian, Prokop und Zosimus. Dazu käme das Eolum des angels. Wandererliedes, welches Grimm, Gesch. der deutschen Sprache S 598 in Eorlum verbessert. Die Glosse Wright-Wülcker I 155, 17 giebt dux mit heorl. 67 Schmid, Gesetze der Angels. S 568. 68 Aus Konrad Maurer, KrÜ II 428. 69 Grimm, RA S 266. 70 Von Cynevulf, Grein, Bibliothek der ags. Poesie II 402 v. 5:
[Spaltenumbruch]
Ic eom aedelinges eaxelgestealla fyrdrinces gefara, frean meinum leof, [Spaltenumbruch] Ich bin eines Edelings Achselgenosse, Eines Helden Gefährte, meinem Herren lieb, § 14. Die Stände. Geburtsadel nicht vorhanden. Ziemlich dürftig sind die Nachrichtenüber den Adel der gotisch-vandalischen Stämme. Hervorgehoben wird der Adel ihrer Königsgeschlechter, der ostgotischen Amaler, der westgotischen Balthen61, der vandalischen Astingen. Als Adelige sind die bei den Burgundern und wohl auch die bei den Westgoten ge- nannten optimates zu betrachten62. Das Wort Athal ist uns in gotischen und burgundischen Personennamen überliefert63. In den altsächsischen Sprachdenkmälern begegnen uns, vorzugs- se creavisse de prima, et ut ita dicam, nobiliore suorum familia. Ottfried von Weiſsenburg, Krist I v. 13 spricht den König Ludwig als edil franko, ediling an. 61 Jordanis c. 5. 29; Cassiodor, Var. 9, 1. 62 Dahn, Könige VI 23 f. 88 f. 63 Förstemann, Namenbuch I 137; Wackernagel bei Binding S 383. 64 Im Heliand passim. 65 Vgl. Grimm, WB III 894. 66 Grimm, Gesch. der deutschen Sprache S 470 auf Grund der Schreibung Ἔϱουλοι Αἴϱουλοι bei Ammian, Prokop und Zosimus. Dazu käme das Eolum des angels. Wandererliedes, welches Grimm, Gesch. der deutschen Sprache S 598 in Eorlum verbessert. Die Glosse Wright-Wülcker I 155, 17 giebt dux mit heorl. 67 Schmid, Gesetze der Angels. S 568. 68 Aus Konrad Maurer, KrÜ II 428. 69 Grimm, RA S 266. 70 Von Cynevulf, Grein, Bibliothek der ags. Poesie II 402 v. 5:
[Spaltenumbruch]
Ic eom æđelinges eaxelgestealla fyrdrinces gefara, freán mînum leóf, [Spaltenumbruch] Ich bin eines Edelings Achselgenosse, Eines Helden Gefährte, meinem Herren lieb, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0124" n="106"/><fw place="top" type="header">§ 14. Die Stände.</fw><lb/> Geburtsadel nicht vorhanden. Ziemlich dürftig sind die Nachrichten<lb/> über den Adel der gotisch-vandalischen Stämme. Hervorgehoben wird<lb/> der Adel ihrer Königsgeschlechter, der ostgotischen Amaler, der<lb/> westgotischen Balthen<note place="foot" n="61">Jordanis c. 5. 29; Cassiodor, Var. 9, 1.</note>, der vandalischen Astingen. Als Adelige sind<lb/> die bei den Burgundern und wohl auch die bei den Westgoten ge-<lb/> nannten optimates zu betrachten<note place="foot" n="62"><hi rendition="#g">Dahn</hi>, Könige VI 23 f. 88 f.</note>. Das Wort Athal ist uns in<lb/> gotischen und burgundischen Personennamen überliefert<note place="foot" n="63"><hi rendition="#g">Förstemann</hi>, Namenbuch I 137; <hi rendition="#g">Wackernagel</hi> bei Binding S 383.</note>.</p><lb/> <p>In den altsächsischen Sprachdenkmälern begegnen uns, vorzugs-<lb/> weise zur Bezeichnung des Adels gebraucht, die Ausdrücke ërl, ërl-<lb/> skepi<note place="foot" n="64">Im Heliand passim.</note>. Dem altsächsischen ërl entspricht der angelsächsische eorl<lb/> und der nordische iarl. Das Althochdeutsche hat das Wort nicht<lb/> bewahrt<note place="foot" n="65">Vgl. <hi rendition="#g">Grimm</hi>, WB III 894.</note>. Ebenso fehlt es im Gotischen. Vielleicht darf aber der<lb/> Volksname der Heruler daraus erklärt werden<note place="foot" n="66"><hi rendition="#g">Grimm</hi>, Gesch. der deutschen Sprache S 470 auf Grund der Schreibung<lb/> Ἔϱουλοι Αἴϱουλοι bei Ammian, Prokop und Zosimus. Dazu käme das Eolum des<lb/> angels. Wandererliedes, welches <hi rendition="#g">Grimm</hi>, Gesch. der deutschen Sprache S 598 in<lb/> Eorlum verbessert. Die Glosse <hi rendition="#g">Wright-Wülcker</hi> I 155, 17 giebt dux mit heorl.</note>. Die angelsächsischen<lb/> Quellen brauchen das Wort in verschiedenem Sinne. In der kentischen<lb/> Gesetzgebung bezeichnen eorl und eorlcund den Geburtsstand des Adels.<lb/> Mit ceorl und ceorlisc verbunden drücken eorl und eorlisc den allge-<lb/> meinen Gegensatz des höheren und niederen Standes aus. Endlich<lb/> werden auch die Statthalter gröſserer Landschaften und die höheren<lb/> Heerführer Eorle genannt<note place="foot" n="67"><hi rendition="#g">Schmid</hi>, Gesetze der Angels. S 568.</note>. Die Jarle stellen sich als der mit<lb/> Herrscherrecht ausgestattete Adel des Nordens dar; sie erscheinen<lb/> als die Angehörigen edler Geschlechter, welche mit königlicher Ge-<lb/> walt, aber bereits einem Oberkönig unterworfen, einzelne Landschaften<lb/> beherrschen<note place="foot" n="68">Aus <hi rendition="#g">Konrad Maurer</hi>, KrÜ II 428.</note>. Wie in der nordischen Sage der Jarl als Vater des<lb/> Ađal bezeichnet wird<note place="foot" n="69"><hi rendition="#g">Grimm</hi>, RA S 266.</note>, so wird die Tochter des Eorls in einem<lb/> angelsächsischen Rätsel æđelu genannt<note xml:id="note-0124a" next="#note-0125" place="foot" n="70">Von Cynevulf, <hi rendition="#g">Grein</hi>, Bibliothek der ags. Poesie II 402 v. 5:<lb/><lg type="poem"><cb/><l>Ic eom æđelinges eaxelgestealla</l><lb/><l>fyrdrinces gefara, freán mînum leóf,</l><lb/><cb/><l>Ich bin eines Edelings Achselgenosse,</l><lb/><l>Eines Helden Gefährte, meinem Herren lieb,</l></lg></note>. An einem engen geschicht-<lb/><note xml:id="note-0124" prev="#note-0123a" place="foot" n="60">se creavisse de prima, et ut ita dicam, nobiliore suorum familia. Ottfried von<lb/> Weiſsenburg, Krist I v. 13 spricht den König Ludwig als edil franko, ediling an.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0124]
§ 14. Die Stände.
Geburtsadel nicht vorhanden. Ziemlich dürftig sind die Nachrichten
über den Adel der gotisch-vandalischen Stämme. Hervorgehoben wird
der Adel ihrer Königsgeschlechter, der ostgotischen Amaler, der
westgotischen Balthen 61, der vandalischen Astingen. Als Adelige sind
die bei den Burgundern und wohl auch die bei den Westgoten ge-
nannten optimates zu betrachten 62. Das Wort Athal ist uns in
gotischen und burgundischen Personennamen überliefert 63.
In den altsächsischen Sprachdenkmälern begegnen uns, vorzugs-
weise zur Bezeichnung des Adels gebraucht, die Ausdrücke ërl, ërl-
skepi 64. Dem altsächsischen ërl entspricht der angelsächsische eorl
und der nordische iarl. Das Althochdeutsche hat das Wort nicht
bewahrt 65. Ebenso fehlt es im Gotischen. Vielleicht darf aber der
Volksname der Heruler daraus erklärt werden 66. Die angelsächsischen
Quellen brauchen das Wort in verschiedenem Sinne. In der kentischen
Gesetzgebung bezeichnen eorl und eorlcund den Geburtsstand des Adels.
Mit ceorl und ceorlisc verbunden drücken eorl und eorlisc den allge-
meinen Gegensatz des höheren und niederen Standes aus. Endlich
werden auch die Statthalter gröſserer Landschaften und die höheren
Heerführer Eorle genannt 67. Die Jarle stellen sich als der mit
Herrscherrecht ausgestattete Adel des Nordens dar; sie erscheinen
als die Angehörigen edler Geschlechter, welche mit königlicher Ge-
walt, aber bereits einem Oberkönig unterworfen, einzelne Landschaften
beherrschen 68. Wie in der nordischen Sage der Jarl als Vater des
Ađal bezeichnet wird 69, so wird die Tochter des Eorls in einem
angelsächsischen Rätsel æđelu genannt 70. An einem engen geschicht-
60
61 Jordanis c. 5. 29; Cassiodor, Var. 9, 1.
62 Dahn, Könige VI 23 f. 88 f.
63 Förstemann, Namenbuch I 137; Wackernagel bei Binding S 383.
64 Im Heliand passim.
65 Vgl. Grimm, WB III 894.
66 Grimm, Gesch. der deutschen Sprache S 470 auf Grund der Schreibung
Ἔϱουλοι Αἴϱουλοι bei Ammian, Prokop und Zosimus. Dazu käme das Eolum des
angels. Wandererliedes, welches Grimm, Gesch. der deutschen Sprache S 598 in
Eorlum verbessert. Die Glosse Wright-Wülcker I 155, 17 giebt dux mit heorl.
67 Schmid, Gesetze der Angels. S 568.
68 Aus Konrad Maurer, KrÜ II 428.
69 Grimm, RA S 266.
70 Von Cynevulf, Grein, Bibliothek der ags. Poesie II 402 v. 5:
Ic eom æđelinges eaxelgestealla
fyrdrinces gefara, freán mînum leóf,
Ich bin eines Edelings Achselgenosse,
Eines Helden Gefährte, meinem Herren lieb,
60 se creavisse de prima, et ut ita dicam, nobiliore suorum familia. Ottfried von
Weiſsenburg, Krist I v. 13 spricht den König Ludwig als edil franko, ediling an.
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