doch nicht übersehen, dass sich beide Gattungen in ihrer Entwickelung bald von einander trennen mussten. Denn so- bald erst die in der Skenographie aufgestellten Principien ihre Anwendung auf die Figurenmalerei im allgemeinen gefunden hatten, musste sich das Hauptaugenmerk wieder auf die Fi- guren selbst zurücklenken. An diesen aber erheischte die Durchführung dieser Principien eine weit grössere Sorgfalt, als an den mehr massenhaften scenischen Darstellungen. So ergab sich zum Behuf dieser gründlicheren Durchbildung eine Beschränkung auf geringere Dimensionen und einen gerin- geren Umfang der Compositionen wie mit einer inneren Nothwendigkeit; und demgemäss erlangt erst jetzt das Malen von Staffeleibildern, in denen erst durch die Möglichkeit eines mehrmaligen Uebergehens mit der Farbe die Mittel zu jener Durchführung aller Einzelheiten geboten werden, ein entschiedenes Uebergewicht über die Wandmalerei.
Apollodor also war der eigentliche Begründer einer durch- aus neuen, durch malerische Mittel auf Illusion hinarbeitenden Kunstrichtung; und als solcher verdient er auch die ehren- volle Stelle, welche Plinius ihm an der Spitze derselben ange- wiesen hat, und welche, wie wir sehen werden, schon er selbst für sich in Anspruch genommen zu haben scheint. Wenn aber auch sein Ruhm in ganz Hellas gross war, was z. B. durch ein Distichon aus einem Gedichte des Nikomachos über die Maler1) bezeugt wird:
[fremdsprachliches Material - fehlt]
so wurde derselbe doch bald durch den eines glücklicheren Nebenbuhlers, des Zeuxis, überboten. Apollodor selbst soll dies in Versen des Inhalts anerkannt haben, dass "Zeuxis die Kunst ihnen entrissen und für sich mitgenommen habe."2) Eben diesen Versen entnahm vielleicht Plinius die bei der sonstigen Dürftigkeit seines Styls auffällige Wendung, dass "Zeuxis in die von Apollodor eröffneten Pforten der Kunst
1) bei Hephaestion de metr. p. 14 ed. Pauw.
2) Plin. 35, 62: artem ipsis ablatam Zeuxim ferre secum. Worauf ipsis sich bezieht, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Vielleicht sind die Attiker dem Zeuxis als Klein- asiaten, vielleicht Apollodor und seine Altersgenossen ihm als dem jüngeren Künstler gegenübergestellt.
doch nicht übersehen, dass sich beide Gattungen in ihrer Entwickelung bald von einander trennen mussten. Denn so- bald erst die in der Skenographie aufgestellten Principien ihre Anwendung auf die Figurenmalerei im allgemeinen gefunden hatten, musste sich das Hauptaugenmerk wieder auf die Fi- guren selbst zurücklenken. An diesen aber erheischte die Durchführung dieser Principien eine weit grössere Sorgfalt, als an den mehr massenhaften scenischen Darstellungen. So ergab sich zum Behuf dieser gründlicheren Durchbildung eine Beschränkung auf geringere Dimensionen und einen gerin- geren Umfang der Compositionen wie mit einer inneren Nothwendigkeit; und demgemäss erlangt erst jetzt das Malen von Staffeleibildern, in denen erst durch die Möglichkeit eines mehrmaligen Uebergehens mit der Farbe die Mittel zu jener Durchführung aller Einzelheiten geboten werden, ein entschiedenes Uebergewicht über die Wandmalerei.
Apollodor also war der eigentliche Begründer einer durch- aus neuen, durch malerische Mittel auf Illusion hinarbeitenden Kunstrichtung; und als solcher verdient er auch die ehren- volle Stelle, welche Plinius ihm an der Spitze derselben ange- wiesen hat, und welche, wie wir sehen werden, schon er selbst für sich in Anspruch genommen zu haben scheint. Wenn aber auch sein Ruhm in ganz Hellas gross war, was z. B. durch ein Distichon aus einem Gedichte des Nikomachos über die Maler1) bezeugt wird:
[fremdsprachliches Material – fehlt]
so wurde derselbe doch bald durch den eines glücklicheren Nebenbuhlers, des Zeuxis, überboten. Apollodor selbst soll dies in Versen des Inhalts anerkannt haben, dass „Zeuxis die Kunst ihnen entrissen und für sich mitgenommen habe.‟2) Eben diesen Versen entnahm vielleicht Plinius die bei der sonstigen Dürftigkeit seines Styls auffällige Wendung, dass „Zeuxis in die von Apollodor eröffneten Pforten der Kunst
1) bei Hephaestion de metr. p. 14 ed. Pauw.
2) Plin. 35, 62: artem ipsis ablatam Zeuxim ferre secum. Worauf ipsis sich bezieht, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Vielleicht sind die Attiker dem Zeuxis als Klein- asiaten, vielleicht Apollodor und seine Altersgenossen ihm als dem jüngeren Künstler gegenübergestellt.
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bald erst die in der Skenographie aufgestellten Principien ihre
Anwendung auf die Figurenmalerei im allgemeinen gefunden
hatten, musste sich das Hauptaugenmerk wieder auf die Fi-
guren selbst zurücklenken. An diesen aber erheischte die
Durchführung dieser Principien eine weit grössere Sorgfalt,
als an den mehr massenhaften scenischen Darstellungen. So
ergab sich zum Behuf dieser gründlicheren Durchbildung eine
Beschränkung auf geringere Dimensionen und einen gerin-
geren Umfang der Compositionen wie mit einer inneren
Nothwendigkeit; und demgemäss erlangt erst jetzt das Malen
von Staffeleibildern, in denen erst durch die Möglichkeit
eines mehrmaligen Uebergehens mit der Farbe die Mittel zu
jener Durchführung aller Einzelheiten geboten werden, ein
entschiedenes Uebergewicht über die Wandmalerei.
Apollodor also war der eigentliche Begründer einer durch-
aus neuen, durch malerische Mittel auf Illusion hinarbeitenden
Kunstrichtung; und als solcher verdient er auch die ehren-
volle Stelle, welche Plinius ihm an der Spitze derselben ange-
wiesen hat, und welche, wie wir sehen werden, schon er selbst
für sich in Anspruch genommen zu haben scheint. Wenn
aber auch sein Ruhm in ganz Hellas gross war, was z. B.
durch ein Distichon aus einem Gedichte des Nikomachos
über die Maler 1) bezeugt wird:
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so wurde derselbe doch bald durch den eines glücklicheren
Nebenbuhlers, des Zeuxis, überboten. Apollodor selbst soll
dies in Versen des Inhalts anerkannt haben, dass „Zeuxis
die Kunst ihnen entrissen und für sich mitgenommen habe.‟ 2)
Eben diesen Versen entnahm vielleicht Plinius die bei der
sonstigen Dürftigkeit seines Styls auffällige Wendung, dass
„Zeuxis in die von Apollodor eröffneten Pforten der Kunst
1) bei Hephaestion de metr. p. 14 ed. Pauw.
2) Plin. 35, 62: artem
ipsis ablatam Zeuxim ferre secum. Worauf ipsis sich bezieht, ist nicht mit
Bestimmtheit zu sagen. Vielleicht sind die Attiker dem Zeuxis als Klein-
asiaten, vielleicht Apollodor und seine Altersgenossen ihm als dem jüngeren
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/91>, abgerufen am 21.11.2024.
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