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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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licher, sondern die Feinheit in der Auffassung, die geistige
Spannung in der ganzen Haltung, die Elasticität in allen Be-
wegungen erwecken ausserdem ein günstiges Vorurtheil für
das Alter der Arbeit, das indessen nur durch die Prüfung
des Steines selbst sichergestellt werden kann. -- Wahrschein-
lich eine Copie ist der Carneol im Haag: [de Jonge Notice
p. 158, n. 23).

Einer solchen Prüfung ist auch ein Camee des berliner
Museums nochmals zu unterwerfen, Hercules darstellend, im
Begriff, den Cerberus zu bändigen; Löwenhaut und Keule
zur Seite; im Abschnitt in vertiefter Schrift [fremdsprachliches Material - fehlt]:
[Beger Thes. Brand. III, p. 192]; Stosch t. 31; Bracci II, t.
66; [Lippert III, 325]; Raspe 5798. Der leise Zweifel Brac-
ci's an der Echtheit beruht blos darauf, dass dieser Stein da-
mals als der einzige Camee mit des Dioskurides Namen ihm
Anstoss erregte; doch bekennt er, weder das Original noch
einen Abdruck gesehen zu haben. Köhler, der sich in der
gleichen Lage befand, nimmt trotzdem keinen Anstand, die
ganze Arbeit kurzweg und ohne Angabe von Gründen für
neu zu erklären. Dass der Stein schon von Beger publicirt
ist und ausserdem zufolge seiner silbernen Fassung zu den
ältesten Schätzen des berliner Museums (aus der Zeit der
Kurfürsten Joachim I. und II.) gehört, wie Tölken (Send-
schr. S. 44) bemerkt, zeigt wenigstens, dass wir es nicht mit
einer Fälschung des vorigen Jahrhunderts zu thun haben,
und ich will nicht bestreiten, was Tölken über das künst-
lerische Verdienst bemerkt. Nur in der Vertheidigung der
Inschrift lässt auch Tölken (S. 49) einen gewichtigen Zweifel
bestehen. Er bemerkt nämlich, dass ein Theil des Löwen-
fells bis in das Feld unter der Gruppe herabhänge. "Hätte
der Künstler seinen Namen hier anzubringen beabsichtiget,
so wäre diese Anordnung nicht von ihm gewählt worden.
Deshalb ist aber die Inschrift nicht nothwendig modern.
Konnte nicht ein Schüler oder Verehrer des Dioskurides die-
ses von ihm herrührende Werk mit dessen Namen bezeich-
nen wollen? Zum Eingraben so schöner griechischer Buch-
staben waren ohne Zweifel auch moderne Künstler geschickt
genug. Allein das Vorhandensein dieses Denkmals lässt sich
bis ins siebzehnte, sechszehnte Jahrhundert nachweisen. Wer
ist dreist genug zu behaupten, dass sie nicht antik sein

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licher, sondern die Feinheit in der Auffassung, die geistige
Spannung in der ganzen Haltung, die Elasticität in allen Be-
wegungen erwecken ausserdem ein günstiges Vorurtheil für
das Alter der Arbeit, das indessen nur durch die Prüfung
des Steines selbst sichergestellt werden kann. — Wahrschein-
lich eine Copie ist der Carneol im Haag: [de Jonge Notice
p. 158, n. 23).

Einer solchen Prüfung ist auch ein Camee des berliner
Museums nochmals zu unterwerfen, Hercules darstellend, im
Begriff, den Cerberus zu bändigen; Löwenhaut und Keule
zur Seite; im Abschnitt in vertiefter Schrift [fremdsprachliches Material – fehlt]:
[Beger Thes. Brand. III, p. 192]; Stosch t. 31; Bracci II, t.
66; [Lippert III, 325]; Raspe 5798. Der leise Zweifel Brac-
ci’s an der Echtheit beruht blos darauf, dass dieser Stein da-
mals als der einzige Camee mit des Dioskurides Namen ihm
Anstoss erregte; doch bekennt er, weder das Original noch
einen Abdruck gesehen zu haben. Köhler, der sich in der
gleichen Lage befand, nimmt trotzdem keinen Anstand, die
ganze Arbeit kurzweg und ohne Angabe von Gründen für
neu zu erklären. Dass der Stein schon von Beger publicirt
ist und ausserdem zufolge seiner silbernen Fassung zu den
ältesten Schätzen des berliner Museums (aus der Zeit der
Kurfürsten Joachim I. und II.) gehört, wie Tölken (Send-
schr. S. 44) bemerkt, zeigt wenigstens, dass wir es nicht mit
einer Fälschung des vorigen Jahrhunderts zu thun haben,
und ich will nicht bestreiten, was Tölken über das künst-
lerische Verdienst bemerkt. Nur in der Vertheidigung der
Inschrift lässt auch Tölken (S. 49) einen gewichtigen Zweifel
bestehen. Er bemerkt nämlich, dass ein Theil des Löwen-
fells bis in das Feld unter der Gruppe herabhänge. „Hätte
der Künstler seinen Namen hier anzubringen beabsichtiget,
so wäre diese Anordnung nicht von ihm gewählt worden.
Deshalb ist aber die Inschrift nicht nothwendig modern.
Konnte nicht ein Schüler oder Verehrer des Dioskurides die-
ses von ihm herrührende Werk mit dessen Namen bezeich-
nen wollen? Zum Eingraben so schöner griechischer Buch-
staben waren ohne Zweifel auch moderne Künstler geschickt
genug. Allein das Vorhandensein dieses Denkmals lässt sich
bis ins siebzehnte, sechszehnte Jahrhundert nachweisen. Wer
ist dreist genug zu behaupten, dass sie nicht antik sein

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[491/0508] licher, sondern die Feinheit in der Auffassung, die geistige Spannung in der ganzen Haltung, die Elasticität in allen Be- wegungen erwecken ausserdem ein günstiges Vorurtheil für das Alter der Arbeit, das indessen nur durch die Prüfung des Steines selbst sichergestellt werden kann. — Wahrschein- lich eine Copie ist der Carneol im Haag: [de Jonge Notice p. 158, n. 23). Einer solchen Prüfung ist auch ein Camee des berliner Museums nochmals zu unterwerfen, Hercules darstellend, im Begriff, den Cerberus zu bändigen; Löwenhaut und Keule zur Seite; im Abschnitt in vertiefter Schrift _ : [Beger Thes. Brand. III, p. 192]; Stosch t. 31; Bracci II, t. 66; [Lippert III, 325]; Raspe 5798. Der leise Zweifel Brac- ci’s an der Echtheit beruht blos darauf, dass dieser Stein da- mals als der einzige Camee mit des Dioskurides Namen ihm Anstoss erregte; doch bekennt er, weder das Original noch einen Abdruck gesehen zu haben. Köhler, der sich in der gleichen Lage befand, nimmt trotzdem keinen Anstand, die ganze Arbeit kurzweg und ohne Angabe von Gründen für neu zu erklären. Dass der Stein schon von Beger publicirt ist und ausserdem zufolge seiner silbernen Fassung zu den ältesten Schätzen des berliner Museums (aus der Zeit der Kurfürsten Joachim I. und II.) gehört, wie Tölken (Send- schr. S. 44) bemerkt, zeigt wenigstens, dass wir es nicht mit einer Fälschung des vorigen Jahrhunderts zu thun haben, und ich will nicht bestreiten, was Tölken über das künst- lerische Verdienst bemerkt. Nur in der Vertheidigung der Inschrift lässt auch Tölken (S. 49) einen gewichtigen Zweifel bestehen. Er bemerkt nämlich, dass ein Theil des Löwen- fells bis in das Feld unter der Gruppe herabhänge. „Hätte der Künstler seinen Namen hier anzubringen beabsichtiget, so wäre diese Anordnung nicht von ihm gewählt worden. Deshalb ist aber die Inschrift nicht nothwendig modern. Konnte nicht ein Schüler oder Verehrer des Dioskurides die- ses von ihm herrührende Werk mit dessen Namen bezeich- nen wollen? Zum Eingraben so schöner griechischer Buch- staben waren ohne Zweifel auch moderne Künstler geschickt genug. Allein das Vorhandensein dieses Denkmals lässt sich bis ins siebzehnte, sechszehnte Jahrhundert nachweisen. Wer ist dreist genug zu behaupten, dass sie nicht antik sein 32 *

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/508>, abgerufen am 24.11.2024.