Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

bei die frühere Erwähnung bei Baudelot, der seine Schrift
über Solon schon 1716 der Academie vorlegte, ganz unbe-
achtet gelassen. Ausserdem findet sich aber auch bei Ma-
riette (Traite p. 61, n. 6) noch ein weiterer Bericht über die
Geschichte des Steins, worüber Köhler S. 134 sich in fol-
gender Weise äussert: "Um diesem vermeintlichen Werke
des Dioskurides ein noch grösseres Ansehen zu geben, und
um seine wahre Herkunft zu verbergen, gab man ihm eine
lange Folge von Besitzern, welche mit der königlichen Samm-
lung zu Paris anfängt. Aus derselben nahm ihn Ludwig XIV.
seiner vorgeblichen Kostbarkeit ungeachtet, um ihn seiner
Tochter, der Prinzessin von Conti, zu verehren. Diese, den
Werth des Kleinods wahrscheinlich nicht kennend, schenkte
ihn hernach ihrem Arzte Dodart und dieser seinem Eidam
Homberg, nach dessen Tode er durch Kauf an den Edelstein-
händler Hubert kam, von dem ihn endlich Sevin erhandelt
haben soll. Wenn eine solche Folge von Besitzern nicht
durch sichere Beweise unterstützt werden kann, so wird das
Kleinod, dem man sie giebt, nur verdächtig, weil Stammbäume
dieser Art ein gewöhnlicher Kunstgriff bei Verkäufen ge-
fälschter Gegenstände sind." Aber ist es Stosch, der diesen
Stammbaum mittheilt? Welches Interesse konnte Mariette
haben, ihn zu geben, fast ein Vierteljahrhundert, nachdem
der Stein in festen Besitz übergegangen war? Sein Zeug-
niss ist mindestens kein bestochenes. Abgewiesen wird es
von Köhler nur, um den Stein für eine Arbeit des Flavio
Sirleti zu erklären: "Dieser Diomedes ist für jeden, der in
die alte Kunst nur ein wenig eingeweiht ist, eine gut gezeich-
nete, sehr fleissig, aber höchst furchtsam, kleinlich und ängst-
lich ausgeführte Arbeit des Flavio Sirleti, dessen Geschmack
hier nicht zu verkennen ist. ... Es ist möglich, dass dieser
Diomedes eine alte flüchtig ausgeführte Arbeit war, die Sir-
leti mit unendlichem Fleisse mittelst des Rades und der De-
mantspitze beendigte. Jedoch ist es aus anderen Gründen
wahrscheinlicher, dass Sirleti dieses Werk ohne eine solche
Veranlassung angefangen und vollendet habe." Ich habe
nicht die Kenntnisse, diese Behauptungen Köhler's zu beur-
theilen. Vergleichen wir jedoch die Wiederholungen mit dem
Namen des Gnaeos und des Solon, so erscheint der des
Dioskurides nicht nur in der materiellen Ausführung vorzüg-

bei die frühere Erwähnung bei Baudelot, der seine Schrift
über Solon schon 1716 der Academie vorlegte, ganz unbe-
achtet gelassen. Ausserdem findet sich aber auch bei Ma-
riette (Traité p. 61, n. 6) noch ein weiterer Bericht über die
Geschichte des Steins, worüber Köhler S. 134 sich in fol-
gender Weise äussert: „Um diesem vermeintlichen Werke
des Dioskurides ein noch grösseres Ansehen zu geben, und
um seine wahre Herkunft zu verbergen, gab man ihm eine
lange Folge von Besitzern, welche mit der königlichen Samm-
lung zu Paris anfängt. Aus derselben nahm ihn Ludwig XIV.
seiner vorgeblichen Kostbarkeit ungeachtet, um ihn seiner
Tochter, der Prinzessin von Conti, zu verehren. Diese, den
Werth des Kleinods wahrscheinlich nicht kennend, schenkte
ihn hernach ihrem Arzte Dodart und dieser seinem Eidam
Homberg, nach dessen Tode er durch Kauf an den Edelstein-
händler Hubert kam, von dem ihn endlich Sevin erhandelt
haben soll. Wenn eine solche Folge von Besitzern nicht
durch sichere Beweise unterstützt werden kann, so wird das
Kleinod, dem man sie giebt, nur verdächtig, weil Stammbäume
dieser Art ein gewöhnlicher Kunstgriff bei Verkäufen ge-
fälschter Gegenstände sind.‟ Aber ist es Stosch, der diesen
Stammbaum mittheilt? Welches Interesse konnte Mariette
haben, ihn zu geben, fast ein Vierteljahrhundert, nachdem
der Stein in festen Besitz übergegangen war? Sein Zeug-
niss ist mindestens kein bestochenes. Abgewiesen wird es
von Köhler nur, um den Stein für eine Arbeit des Flavio
Sirleti zu erklären: „Dieser Diomedes ist für jeden, der in
die alte Kunst nur ein wenig eingeweiht ist, eine gut gezeich-
nete, sehr fleissig, aber höchst furchtsam, kleinlich und ängst-
lich ausgeführte Arbeit des Flavio Sirleti, dessen Geschmack
hier nicht zu verkennen ist. … Es ist möglich, dass dieser
Diomedes eine alte flüchtig ausgeführte Arbeit war, die Sir-
leti mit unendlichem Fleisse mittelst des Rades und der De-
mantspitze beendigte. Jedoch ist es aus anderen Gründen
wahrscheinlicher, dass Sirleti dieses Werk ohne eine solche
Veranlassung angefangen und vollendet habe.‟ Ich habe
nicht die Kenntnisse, diese Behauptungen Köhler’s zu beur-
theilen. Vergleichen wir jedoch die Wiederholungen mit dem
Namen des Gnaeos und des Solon, so erscheint der des
Dioskurides nicht nur in der materiellen Ausführung vorzüg-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0507" n="490"/>
bei die frühere Erwähnung bei Baudelot, der seine Schrift<lb/>
über Solon schon 1716 der Academie vorlegte, ganz unbe-<lb/>
achtet gelassen. Ausserdem findet sich aber auch bei Ma-<lb/>
riette (Traité p. 61, n. 6) noch ein weiterer Bericht über die<lb/>
Geschichte des Steins, worüber Köhler S. 134 sich in fol-<lb/>
gender Weise äussert: &#x201E;Um diesem vermeintlichen Werke<lb/>
des Dioskurides ein noch grösseres Ansehen zu geben, und<lb/>
um seine wahre Herkunft zu verbergen, gab man ihm eine<lb/>
lange Folge von Besitzern, welche mit der königlichen Samm-<lb/>
lung zu Paris anfängt. Aus derselben nahm ihn Ludwig XIV.<lb/>
seiner vorgeblichen Kostbarkeit ungeachtet, um ihn seiner<lb/>
Tochter, der Prinzessin von Conti, zu verehren. Diese, den<lb/>
Werth des Kleinods wahrscheinlich nicht kennend, schenkte<lb/>
ihn hernach ihrem Arzte Dodart und dieser seinem Eidam<lb/>
Homberg, nach dessen Tode er durch Kauf an den Edelstein-<lb/>
händler Hubert kam, von dem ihn endlich Sevin erhandelt<lb/>
haben soll. Wenn eine solche Folge von Besitzern nicht<lb/>
durch sichere Beweise unterstützt werden kann, so wird das<lb/>
Kleinod, dem man sie giebt, nur verdächtig, weil Stammbäume<lb/>
dieser Art ein gewöhnlicher Kunstgriff bei Verkäufen ge-<lb/>
fälschter Gegenstände sind.&#x201F; Aber ist es Stosch, der diesen<lb/>
Stammbaum mittheilt? Welches Interesse konnte Mariette<lb/>
haben, ihn zu geben, fast ein Vierteljahrhundert, nachdem<lb/>
der Stein in festen Besitz übergegangen war? Sein Zeug-<lb/>
niss ist mindestens kein bestochenes. Abgewiesen wird es<lb/>
von Köhler nur, um den Stein für eine Arbeit des Flavio<lb/>
Sirleti zu erklären: &#x201E;Dieser Diomedes ist für jeden, der in<lb/>
die alte Kunst nur ein wenig eingeweiht ist, eine gut gezeich-<lb/>
nete, sehr fleissig, aber höchst furchtsam, kleinlich und ängst-<lb/>
lich ausgeführte Arbeit des Flavio Sirleti, dessen Geschmack<lb/>
hier nicht zu verkennen ist. &#x2026; Es ist möglich, dass dieser<lb/>
Diomedes eine alte flüchtig ausgeführte Arbeit war, die Sir-<lb/>
leti mit unendlichem Fleisse mittelst des Rades und der De-<lb/>
mantspitze beendigte. Jedoch ist es aus anderen Gründen<lb/>
wahrscheinlicher, dass Sirleti dieses Werk ohne eine solche<lb/>
Veranlassung angefangen und vollendet habe.&#x201F; Ich habe<lb/>
nicht die Kenntnisse, diese Behauptungen Köhler&#x2019;s zu beur-<lb/>
theilen. Vergleichen wir jedoch die Wiederholungen mit dem<lb/>
Namen des Gnaeos und des Solon, so erscheint der des<lb/>
Dioskurides nicht nur in der materiellen Ausführung vorzüg-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[490/0507] bei die frühere Erwähnung bei Baudelot, der seine Schrift über Solon schon 1716 der Academie vorlegte, ganz unbe- achtet gelassen. Ausserdem findet sich aber auch bei Ma- riette (Traité p. 61, n. 6) noch ein weiterer Bericht über die Geschichte des Steins, worüber Köhler S. 134 sich in fol- gender Weise äussert: „Um diesem vermeintlichen Werke des Dioskurides ein noch grösseres Ansehen zu geben, und um seine wahre Herkunft zu verbergen, gab man ihm eine lange Folge von Besitzern, welche mit der königlichen Samm- lung zu Paris anfängt. Aus derselben nahm ihn Ludwig XIV. seiner vorgeblichen Kostbarkeit ungeachtet, um ihn seiner Tochter, der Prinzessin von Conti, zu verehren. Diese, den Werth des Kleinods wahrscheinlich nicht kennend, schenkte ihn hernach ihrem Arzte Dodart und dieser seinem Eidam Homberg, nach dessen Tode er durch Kauf an den Edelstein- händler Hubert kam, von dem ihn endlich Sevin erhandelt haben soll. Wenn eine solche Folge von Besitzern nicht durch sichere Beweise unterstützt werden kann, so wird das Kleinod, dem man sie giebt, nur verdächtig, weil Stammbäume dieser Art ein gewöhnlicher Kunstgriff bei Verkäufen ge- fälschter Gegenstände sind.‟ Aber ist es Stosch, der diesen Stammbaum mittheilt? Welches Interesse konnte Mariette haben, ihn zu geben, fast ein Vierteljahrhundert, nachdem der Stein in festen Besitz übergegangen war? Sein Zeug- niss ist mindestens kein bestochenes. Abgewiesen wird es von Köhler nur, um den Stein für eine Arbeit des Flavio Sirleti zu erklären: „Dieser Diomedes ist für jeden, der in die alte Kunst nur ein wenig eingeweiht ist, eine gut gezeich- nete, sehr fleissig, aber höchst furchtsam, kleinlich und ängst- lich ausgeführte Arbeit des Flavio Sirleti, dessen Geschmack hier nicht zu verkennen ist. … Es ist möglich, dass dieser Diomedes eine alte flüchtig ausgeführte Arbeit war, die Sir- leti mit unendlichem Fleisse mittelst des Rades und der De- mantspitze beendigte. Jedoch ist es aus anderen Gründen wahrscheinlicher, dass Sirleti dieses Werk ohne eine solche Veranlassung angefangen und vollendet habe.‟ Ich habe nicht die Kenntnisse, diese Behauptungen Köhler’s zu beur- theilen. Vergleichen wir jedoch die Wiederholungen mit dem Namen des Gnaeos und des Solon, so erscheint der des Dioskurides nicht nur in der materiellen Ausführung vorzüg-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/507
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/507>, abgerufen am 24.11.2024.