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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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tische Documente vorliegen, so ist es doch Familientradition,
dass, wie so ziemlich die ganze Gemmensammlung, so na-
mentlich dieser Augustus aus dem alten Ludovisi'schen, in
der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts gesammelten
Besitze stamme. Was den Stein selbst anlangt, so mag hier
im Zusammenhange angeführt werden, was sich aus der mir
gestatteten Prüfung dieser und der drei andern Gemmen mit
Künstlernamen in derselben Sammlung ergeben hat: des De-
mosthenes von Dioskurides, des sogenannten Mäcenas von
Solon und der Diana oder Bacchantin des Aulos. Das Mis-
trauen, welches ich gegen die letztere bei Betrachtung des
Abdruckes gefasst hatte, fand ich durch das Original, fast
möchte ich sagen, auf den ersten Blick bestätigt. Der Schnitt
der Inschrift namentlich war furchtsam und unsicher und
auf der ganzen Oberfläche des Steins liess sich von den Wir-
kungen der Zeit keine Spur bemerken. Je entschiedener hier
(vom künstlerischen Werthe ganz abgesehen) alle äusseren
Beobachtungen gegen die Echtheit sprachen, um so mehr
wird durch dieselben Beobachtungen die Echtheit der drei
andern Gemmen und Inschriften verbürgt. Am deutlichsten
trat nach der ganzen Natur des Steins und des Schnitts die
Corrosion der Epidermis an dem sogenannten Mäcen hervor,
eine Corrosion, die ohne die Formen irgendwie zu zerstören,
nur den Glanz der Politur bricht und die Schärfe der Con-
touren mildert. Wie an dem ganzen Bilde, so zeigte sich
diese Corrosion auch an den Umrissen der mit vollster Si-
cherheit, Praktik und Rundung eingeschnittenen Inschrift.
An dem Demosthenes trat sie namentlich an dem Contour
des tief geschnittenen Bildes hervor; aber auch das ganze
Feld war stark angegriffen, fast wie durch vielen Gebrauch
abgenutzt, so dass vom Namen vielfältig nicht die Linien,
sondern nur noch die sie begränzenden Punkte sichtbar wa-
ren; jede neu eingeschnittene Linie hätte gerade bei solcher
Beschaffenheit grell hervortreten müssen. Weniger war bei
dem Camee die tiefer liegende Schicht des Grundes ange-
griffen; doch liessen sich auch an ihr die Spuren der Zeit
nicht verkennen, und zwar fanden sie sich überall in gleicher
Weise, an der Stelle der Schrift nicht minder, wie an der
entgegengesetzten Seite, so dass also auch hier jeder Grund
zum Zweifel an der Echtheit der Inschrift wegfallen musste.

tische Documente vorliegen, so ist es doch Familientradition,
dass, wie so ziemlich die ganze Gemmensammlung, so na-
mentlich dieser Augustus aus dem alten Ludovisi’schen, in
der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts gesammelten
Besitze stamme. Was den Stein selbst anlangt, so mag hier
im Zusammenhange angeführt werden, was sich aus der mir
gestatteten Prüfung dieser und der drei andern Gemmen mit
Künstlernamen in derselben Sammlung ergeben hat: des De-
mosthenes von Dioskurides, des sogenannten Mäcenas von
Solon und der Diana oder Bacchantin des Aulos. Das Mis-
trauen, welches ich gegen die letztere bei Betrachtung des
Abdruckes gefasst hatte, fand ich durch das Original, fast
möchte ich sagen, auf den ersten Blick bestätigt. Der Schnitt
der Inschrift namentlich war furchtsam und unsicher und
auf der ganzen Oberfläche des Steins liess sich von den Wir-
kungen der Zeit keine Spur bemerken. Je entschiedener hier
(vom künstlerischen Werthe ganz abgesehen) alle äusseren
Beobachtungen gegen die Echtheit sprachen, um so mehr
wird durch dieselben Beobachtungen die Echtheit der drei
andern Gemmen und Inschriften verbürgt. Am deutlichsten
trat nach der ganzen Natur des Steins und des Schnitts die
Corrosion der Epidermis an dem sogenannten Mäcen hervor,
eine Corrosion, die ohne die Formen irgendwie zu zerstören,
nur den Glanz der Politur bricht und die Schärfe der Con-
touren mildert. Wie an dem ganzen Bilde, so zeigte sich
diese Corrosion auch an den Umrissen der mit vollster Si-
cherheit, Praktik und Rundung eingeschnittenen Inschrift.
An dem Demosthenes trat sie namentlich an dem Contour
des tief geschnittenen Bildes hervor; aber auch das ganze
Feld war stark angegriffen, fast wie durch vielen Gebrauch
abgenutzt, so dass vom Namen vielfältig nicht die Linien,
sondern nur noch die sie begränzenden Punkte sichtbar wa-
ren; jede neu eingeschnittene Linie hätte gerade bei solcher
Beschaffenheit grell hervortreten müssen. Weniger war bei
dem Camee die tiefer liegende Schicht des Grundes ange-
griffen; doch liessen sich auch an ihr die Spuren der Zeit
nicht verkennen, und zwar fanden sie sich überall in gleicher
Weise, an der Stelle der Schrift nicht minder, wie an der
entgegengesetzten Seite, so dass also auch hier jeder Grund
zum Zweifel an der Echtheit der Inschrift wegfallen musste.

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[486/0503] tische Documente vorliegen, so ist es doch Familientradition, dass, wie so ziemlich die ganze Gemmensammlung, so na- mentlich dieser Augustus aus dem alten Ludovisi’schen, in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts gesammelten Besitze stamme. Was den Stein selbst anlangt, so mag hier im Zusammenhange angeführt werden, was sich aus der mir gestatteten Prüfung dieser und der drei andern Gemmen mit Künstlernamen in derselben Sammlung ergeben hat: des De- mosthenes von Dioskurides, des sogenannten Mäcenas von Solon und der Diana oder Bacchantin des Aulos. Das Mis- trauen, welches ich gegen die letztere bei Betrachtung des Abdruckes gefasst hatte, fand ich durch das Original, fast möchte ich sagen, auf den ersten Blick bestätigt. Der Schnitt der Inschrift namentlich war furchtsam und unsicher und auf der ganzen Oberfläche des Steins liess sich von den Wir- kungen der Zeit keine Spur bemerken. Je entschiedener hier (vom künstlerischen Werthe ganz abgesehen) alle äusseren Beobachtungen gegen die Echtheit sprachen, um so mehr wird durch dieselben Beobachtungen die Echtheit der drei andern Gemmen und Inschriften verbürgt. Am deutlichsten trat nach der ganzen Natur des Steins und des Schnitts die Corrosion der Epidermis an dem sogenannten Mäcen hervor, eine Corrosion, die ohne die Formen irgendwie zu zerstören, nur den Glanz der Politur bricht und die Schärfe der Con- touren mildert. Wie an dem ganzen Bilde, so zeigte sich diese Corrosion auch an den Umrissen der mit vollster Si- cherheit, Praktik und Rundung eingeschnittenen Inschrift. An dem Demosthenes trat sie namentlich an dem Contour des tief geschnittenen Bildes hervor; aber auch das ganze Feld war stark angegriffen, fast wie durch vielen Gebrauch abgenutzt, so dass vom Namen vielfältig nicht die Linien, sondern nur noch die sie begränzenden Punkte sichtbar wa- ren; jede neu eingeschnittene Linie hätte gerade bei solcher Beschaffenheit grell hervortreten müssen. Weniger war bei dem Camee die tiefer liegende Schicht des Grundes ange- griffen; doch liessen sich auch an ihr die Spuren der Zeit nicht verkennen, und zwar fanden sie sich überall in gleicher Weise, an der Stelle der Schrift nicht minder, wie an der entgegengesetzten Seite, so dass also auch hier jeder Grund zum Zweifel an der Echtheit der Inschrift wegfallen musste.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/503>, abgerufen am 24.11.2024.