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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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Hören wir jetzt Köhler's Urtheil über die Arbeit selbst:
"Wenn auch die Gestalt des Hermes von Seiten der Verhält-
nisse und der Erfindung Vorzüge besitzt, wodurch sie eines
alten Künstlers würdig erscheint; wenngleich ihre Ausfüh-
rung keine Aehnlichkeit mit irgend einem der zu Stosch's
Zeit alten Künstlern untergeschobenen Stücke zu haben
scheint, so kann diese Gemme doch keine Arbeit des Dios-
kurides sein. Denn der Hermes ist in Hinsicht der Ausfüh-
rung gar sehr unbedeutend, vernachlässigt und höchst mit-
telmässig, und die Arbeit im Abdruck viel weniger beendigt,
als sie es im Kupfer des Stosch zu sein scheint. Es kann
dieser Carneol folglich durchaus kein Werk des Dioskurides,
dessen er ganz unwürdig, wohl aber eine nach einem bes-
sern Steine gefertigte Wiederholung sein." Auch diesem Ur-
theil muss ich direct widersprechen. Jene oben erwähnte
Statue des sogenannten Phocion erfreut sich eines wohlver-
dienten Rufes wegen des Einfachen und Schlichten ihrer gan-
zen Anlage und der entsprechenden Ausführung, in welcher
keine Spur von Prätension und Manier zu finden ist, sondern
alles nur bestimmt scheint, den einfachen und klaren Gedan-
ken des Künstlers eben so einfach und klar wiederzugeben.
Dasselbe ist bei dem Hermes der Fall, der gerade dadurch
den Eindruck der Originalität macht, wie wenige andere
Steine, und der gerade dadurch die Hand eines mit voller
Sicherheit sich auf das Wesentliche beschränkenden Künst-
lers verräth. -- Es bleibt noch die Inschrift übrig: "Was die
sauber gegrabene Aufschrift betrifft, so lehrt der Augenschein,
dass sie nur aus dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts
herrühren kann, und die Buchstaben haben nicht die ge-
ringste Aehnlichkeit mit denen der nicht zahlreichen Na-
mensaufschriften auf Gemmen, welche schon zu Orsini's Zeit
bekannt waren. Im Alterthume würde der mit so viel Sorg-
falt eingegrabene Name gewiss keiner oberflächlich und höchst
mittelmässig beendigten Arbeit beigesetzt worden sein." Also
an sich ist der Charakter der Inschrift nicht der Art, dass
sie nicht antik sein könnte. Welcher Grund bleibt aber nach
der vorhergehenden Auseinandersetzung noch übrig an ihrer
Echtheit zu zweifeln? Ich denke, dass, wer unbefangen ur-
theilt, sich sträuben muss, noch weitern Verdacht zu hegen,
und daher den Hermes unbedenklich als ein echtes Werk des

Hören wir jetzt Köhler’s Urtheil über die Arbeit selbst:
„Wenn auch die Gestalt des Hermes von Seiten der Verhält-
nisse und der Erfindung Vorzüge besitzt, wodurch sie eines
alten Künstlers würdig erscheint; wenngleich ihre Ausfüh-
rung keine Aehnlichkeit mit irgend einem der zu Stosch’s
Zeit alten Künstlern untergeschobenen Stücke zu haben
scheint, so kann diese Gemme doch keine Arbeit des Dios-
kurides sein. Denn der Hermes ist in Hinsicht der Ausfüh-
rung gar sehr unbedeutend, vernachlässigt und höchst mit-
telmässig, und die Arbeit im Abdruck viel weniger beendigt,
als sie es im Kupfer des Stosch zu sein scheint. Es kann
dieser Carneol folglich durchaus kein Werk des Dioskurides,
dessen er ganz unwürdig, wohl aber eine nach einem bes-
sern Steine gefertigte Wiederholung sein.‟ Auch diesem Ur-
theil muss ich direct widersprechen. Jene oben erwähnte
Statue des sogenannten Phocion erfreut sich eines wohlver-
dienten Rufes wegen des Einfachen und Schlichten ihrer gan-
zen Anlage und der entsprechenden Ausführung, in welcher
keine Spur von Prätension und Manier zu finden ist, sondern
alles nur bestimmt scheint, den einfachen und klaren Gedan-
ken des Künstlers eben so einfach und klar wiederzugeben.
Dasselbe ist bei dem Hermes der Fall, der gerade dadurch
den Eindruck der Originalität macht, wie wenige andere
Steine, und der gerade dadurch die Hand eines mit voller
Sicherheit sich auf das Wesentliche beschränkenden Künst-
lers verräth. — Es bleibt noch die Inschrift übrig: „Was die
sauber gegrabene Aufschrift betrifft, so lehrt der Augenschein,
dass sie nur aus dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts
herrühren kann, und die Buchstaben haben nicht die ge-
ringste Aehnlichkeit mit denen der nicht zahlreichen Na-
mensaufschriften auf Gemmen, welche schon zu Orsini’s Zeit
bekannt waren. Im Alterthume würde der mit so viel Sorg-
falt eingegrabene Name gewiss keiner oberflächlich und höchst
mittelmässig beendigten Arbeit beigesetzt worden sein.‟ Also
an sich ist der Charakter der Inschrift nicht der Art, dass
sie nicht antik sein könnte. Welcher Grund bleibt aber nach
der vorhergehenden Auseinandersetzung noch übrig an ihrer
Echtheit zu zweifeln? Ich denke, dass, wer unbefangen ur-
theilt, sich sträuben muss, noch weitern Verdacht zu hegen,
und daher den Hermes unbedenklich als ein echtes Werk des

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[481/0498] Hören wir jetzt Köhler’s Urtheil über die Arbeit selbst: „Wenn auch die Gestalt des Hermes von Seiten der Verhält- nisse und der Erfindung Vorzüge besitzt, wodurch sie eines alten Künstlers würdig erscheint; wenngleich ihre Ausfüh- rung keine Aehnlichkeit mit irgend einem der zu Stosch’s Zeit alten Künstlern untergeschobenen Stücke zu haben scheint, so kann diese Gemme doch keine Arbeit des Dios- kurides sein. Denn der Hermes ist in Hinsicht der Ausfüh- rung gar sehr unbedeutend, vernachlässigt und höchst mit- telmässig, und die Arbeit im Abdruck viel weniger beendigt, als sie es im Kupfer des Stosch zu sein scheint. Es kann dieser Carneol folglich durchaus kein Werk des Dioskurides, dessen er ganz unwürdig, wohl aber eine nach einem bes- sern Steine gefertigte Wiederholung sein.‟ Auch diesem Ur- theil muss ich direct widersprechen. Jene oben erwähnte Statue des sogenannten Phocion erfreut sich eines wohlver- dienten Rufes wegen des Einfachen und Schlichten ihrer gan- zen Anlage und der entsprechenden Ausführung, in welcher keine Spur von Prätension und Manier zu finden ist, sondern alles nur bestimmt scheint, den einfachen und klaren Gedan- ken des Künstlers eben so einfach und klar wiederzugeben. Dasselbe ist bei dem Hermes der Fall, der gerade dadurch den Eindruck der Originalität macht, wie wenige andere Steine, und der gerade dadurch die Hand eines mit voller Sicherheit sich auf das Wesentliche beschränkenden Künst- lers verräth. — Es bleibt noch die Inschrift übrig: „Was die sauber gegrabene Aufschrift betrifft, so lehrt der Augenschein, dass sie nur aus dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts herrühren kann, und die Buchstaben haben nicht die ge- ringste Aehnlichkeit mit denen der nicht zahlreichen Na- mensaufschriften auf Gemmen, welche schon zu Orsini’s Zeit bekannt waren. Im Alterthume würde der mit so viel Sorg- falt eingegrabene Name gewiss keiner oberflächlich und höchst mittelmässig beendigten Arbeit beigesetzt worden sein.‟ Also an sich ist der Charakter der Inschrift nicht der Art, dass sie nicht antik sein könnte. Welcher Grund bleibt aber nach der vorhergehenden Auseinandersetzung noch übrig an ihrer Echtheit zu zweifeln? Ich denke, dass, wer unbefangen ur- theilt, sich sträuben muss, noch weitern Verdacht zu hegen, und daher den Hermes unbedenklich als ein echtes Werk des

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/498>, abgerufen am 24.11.2024.