stätigt wird aber diese Annahme durch die bisher nicht in Betracht gezogene Nachricht Strabo's (XIV, 647), dass das Heiligthum der dindymenischen Mutter zu Magnesia zu seiner Zeit nicht mehr bestand, da die Stadt nach einem andern Orte verlegt war. Da nun die Frau oder die Tochter des Themistokles noch Priesterin des Tempels gewesen sein soll, so kann die neue Stadt, in welcher sich der Tempel der Artemis Leukophryne befand, erst nach dieser Zeit gegrün- det sein. Von diesem selbst nun sagt Strabo aus, er stehe in der Grösse unter allen asiatischen nur dem ephesischen Artemis- und milesischen Apollotempel nach, übertreffe die- selben aber in der Eurythmie und der Kunst der Ausführung. Das günstige Vorurtheil, welches dadurch für den Künstler wird, findet seine weitere Bestätigung durch eine Angabe Vitruv's, der ihm (III, 3, 8) die Erfindung des Eustylos und des Pseudodipteros hexastylos beilegt: eas autem symmetrias (eustyli) constituit Hermogenes, qui etiam primus invenit hexastylon pseudodipteri rationem (so für pseudodipterive nach einer Vermuthung Lorentzen's: Ann. d. J. 1855, p. 72 sqq.). In beiden Erfindungen aber erkennt Vitruv in seinen weiteren, wahrscheinlich den Schriften des Hermo- genes entnommenen Ausführungen ein bedeutendes künst- lerisches Verdienst, welches auch dadurch nicht geschmä- lert wird, dass es sich nicht um eigentliche Erfindungen handelt, sondern wir die Worte Vitruv's nur von der Vervollkommnung oder Durchbildung älterer Kunstformen verstehen dürfen. Noch an einer andern Stelle geht er auf ihn als Hauptgewährsmann zurück. Er berichtet nemlich (IV, 3), dass sich einige ältere Architekten gegen die An- wendung der dorischen Ordnung für Tempelbauten ausge- sprochen hätten; so Tarchesius (Argelius) und Pythios, so namentlich Hermogenes. Dieser habe sogar, als zu Teos das Material für einen dorischen Bau schon bereit lag, es verändern lassen und den Tempel des Dionysos in ionischer Ordnung aufgeführt; nicht sowohl weil es der dorischen an Schönheit und Würde gebreche, sondern weil sie in der Eintheilung der Triglyphen und Decken mannigfache Schwie- rigkeiten uud Inconvenienzen darbiete, was im Einzelnen nachgewiesen wird. Sonach erscheint in Allem Hermogenes als einer der vorzüglichsten Meister der Architektur auf der
stätigt wird aber diese Annahme durch die bisher nicht in Betracht gezogene Nachricht Strabo’s (XIV, 647), dass das Heiligthum der dindymenischen Mutter zu Magnesia zu seiner Zeit nicht mehr bestand, da die Stadt nach einem andern Orte verlegt war. Da nun die Frau oder die Tochter des Themistokles noch Priesterin des Tempels gewesen sein soll, so kann die neue Stadt, in welcher sich der Tempel der Artemis Leukophryne befand, erst nach dieser Zeit gegrün- det sein. Von diesem selbst nun sagt Strabo aus, er stehe in der Grösse unter allen asiatischen nur dem ephesischen Artemis- und milesischen Apollotempel nach, übertreffe die- selben aber in der Eurythmie und der Kunst der Ausführung. Das günstige Vorurtheil, welches dadurch für den Künstler wird, findet seine weitere Bestätigung durch eine Angabe Vitruv’s, der ihm (III, 3, 8) die Erfindung des Eustylos und des Pseudodipteros hexastylos beilegt: eas autem symmetrias (eustyli) constituit Hermogenes, qui etiam primus invenit hexastylon pseudodipteri rationem (so für pseudodipterive nach einer Vermuthung Lorentzen’s: Ann. d. J. 1855, p. 72 sqq.). In beiden Erfindungen aber erkennt Vitruv in seinen weiteren, wahrscheinlich den Schriften des Hermo- genes entnommenen Ausführungen ein bedeutendes künst- lerisches Verdienst, welches auch dadurch nicht geschmä- lert wird, dass es sich nicht um eigentliche Erfindungen handelt, sondern wir die Worte Vitruv’s nur von der Vervollkommnung oder Durchbildung älterer Kunstformen verstehen dürfen. Noch an einer andern Stelle geht er auf ihn als Hauptgewährsmann zurück. Er berichtet nemlich (IV, 3), dass sich einige ältere Architekten gegen die An- wendung der dorischen Ordnung für Tempelbauten ausge- sprochen hätten; so Tarchesius (Argelius) und Pythios, so namentlich Hermogenes. Dieser habe sogar, als zu Teos das Material für einen dorischen Bau schon bereit lag, es verändern lassen und den Tempel des Dionysos in ionischer Ordnung aufgeführt; nicht sowohl weil es der dorischen an Schönheit und Würde gebreche, sondern weil sie in der Eintheilung der Triglyphen und Decken mannigfache Schwie- rigkeiten uud Inconvenienzen darbiete, was im Einzelnen nachgewiesen wird. Sonach erscheint in Allem Hermogenes als einer der vorzüglichsten Meister der Architektur auf der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0376"n="359"/>
stätigt wird aber diese Annahme durch die bisher nicht in<lb/>
Betracht gezogene Nachricht Strabo’s (XIV, 647), dass das<lb/>
Heiligthum der dindymenischen Mutter zu Magnesia zu seiner<lb/>
Zeit nicht mehr bestand, da die Stadt nach einem andern<lb/>
Orte verlegt war. Da nun die Frau oder die Tochter des<lb/>
Themistokles noch Priesterin des Tempels gewesen sein soll,<lb/>
so kann die neue Stadt, in welcher sich der Tempel der<lb/>
Artemis Leukophryne befand, erst nach dieser Zeit gegrün-<lb/>
det sein. Von diesem selbst nun sagt Strabo aus, er stehe<lb/>
in der Grösse unter allen asiatischen nur dem ephesischen<lb/>
Artemis- und milesischen Apollotempel nach, übertreffe die-<lb/>
selben aber in der Eurythmie und der Kunst der Ausführung.<lb/>
Das günstige Vorurtheil, welches dadurch für den Künstler<lb/>
wird, findet seine weitere Bestätigung durch eine Angabe<lb/>
Vitruv’s, der ihm (III, 3, 8) die Erfindung des Eustylos und<lb/>
des Pseudodipteros hexastylos beilegt: eas autem symmetrias<lb/>
(eustyli) constituit Hermogenes, qui etiam primus invenit<lb/>
hexastylon pseudodipteri rationem (so für pseudodipterive<lb/>
nach einer Vermuthung Lorentzen’s: Ann. d. J. 1855,<lb/>
p. 72 sqq.). In beiden Erfindungen aber erkennt Vitruv in<lb/>
seinen weiteren, wahrscheinlich den Schriften des Hermo-<lb/>
genes entnommenen Ausführungen ein bedeutendes künst-<lb/>
lerisches Verdienst, welches auch dadurch nicht geschmä-<lb/>
lert wird, dass es sich nicht um eigentliche Erfindungen<lb/>
handelt, sondern wir die Worte Vitruv’s nur von der<lb/>
Vervollkommnung oder Durchbildung älterer Kunstformen<lb/>
verstehen dürfen. Noch an einer andern Stelle geht er auf<lb/>
ihn als Hauptgewährsmann zurück. Er berichtet nemlich<lb/>
(IV, 3), dass sich einige ältere Architekten gegen die An-<lb/>
wendung der dorischen Ordnung für Tempelbauten ausge-<lb/>
sprochen hätten; so Tarchesius (Argelius) und Pythios, so<lb/>
namentlich Hermogenes. Dieser habe sogar, als zu Teos<lb/>
das Material für einen dorischen Bau schon bereit lag, es<lb/>
verändern lassen und den Tempel des Dionysos in ionischer<lb/>
Ordnung aufgeführt; nicht sowohl weil es der dorischen<lb/>
an Schönheit und Würde gebreche, sondern weil sie in der<lb/>
Eintheilung der Triglyphen und Decken mannigfache Schwie-<lb/>
rigkeiten uud Inconvenienzen darbiete, was im Einzelnen<lb/>
nachgewiesen wird. Sonach erscheint in Allem Hermogenes<lb/>
als einer der vorzüglichsten Meister der Architektur auf der<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[359/0376]
stätigt wird aber diese Annahme durch die bisher nicht in
Betracht gezogene Nachricht Strabo’s (XIV, 647), dass das
Heiligthum der dindymenischen Mutter zu Magnesia zu seiner
Zeit nicht mehr bestand, da die Stadt nach einem andern
Orte verlegt war. Da nun die Frau oder die Tochter des
Themistokles noch Priesterin des Tempels gewesen sein soll,
so kann die neue Stadt, in welcher sich der Tempel der
Artemis Leukophryne befand, erst nach dieser Zeit gegrün-
det sein. Von diesem selbst nun sagt Strabo aus, er stehe
in der Grösse unter allen asiatischen nur dem ephesischen
Artemis- und milesischen Apollotempel nach, übertreffe die-
selben aber in der Eurythmie und der Kunst der Ausführung.
Das günstige Vorurtheil, welches dadurch für den Künstler
wird, findet seine weitere Bestätigung durch eine Angabe
Vitruv’s, der ihm (III, 3, 8) die Erfindung des Eustylos und
des Pseudodipteros hexastylos beilegt: eas autem symmetrias
(eustyli) constituit Hermogenes, qui etiam primus invenit
hexastylon pseudodipteri rationem (so für pseudodipterive
nach einer Vermuthung Lorentzen’s: Ann. d. J. 1855,
p. 72 sqq.). In beiden Erfindungen aber erkennt Vitruv in
seinen weiteren, wahrscheinlich den Schriften des Hermo-
genes entnommenen Ausführungen ein bedeutendes künst-
lerisches Verdienst, welches auch dadurch nicht geschmä-
lert wird, dass es sich nicht um eigentliche Erfindungen
handelt, sondern wir die Worte Vitruv’s nur von der
Vervollkommnung oder Durchbildung älterer Kunstformen
verstehen dürfen. Noch an einer andern Stelle geht er auf
ihn als Hauptgewährsmann zurück. Er berichtet nemlich
(IV, 3), dass sich einige ältere Architekten gegen die An-
wendung der dorischen Ordnung für Tempelbauten ausge-
sprochen hätten; so Tarchesius (Argelius) und Pythios, so
namentlich Hermogenes. Dieser habe sogar, als zu Teos
das Material für einen dorischen Bau schon bereit lag, es
verändern lassen und den Tempel des Dionysos in ionischer
Ordnung aufgeführt; nicht sowohl weil es der dorischen
an Schönheit und Würde gebreche, sondern weil sie in der
Eintheilung der Triglyphen und Decken mannigfache Schwie-
rigkeiten uud Inconvenienzen darbiete, was im Einzelnen
nachgewiesen wird. Sonach erscheint in Allem Hermogenes
als einer der vorzüglichsten Meister der Architektur auf der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/376>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.