148). Als das Vaterland des Künstlers giebt Vitruv Make- donien an, während Eustathius Rhegium, Pseudo-Kallisthenes und Julius Valerius die Insel Rhodos nennen. Die Zeit seiner Thätigkeit bestimmt sich im Allgemeinen durch sein Ver- hältniss zu Alexander; ob er diesen lange überlebt, wird weiter unten zu untersuchen sein. -- Ueber sein erstes Zu- sammentreffen mit Alexander erzählt Vitruv eine etwas ro- mantische Geschichte. Mit guten Empfehlungen an die Um- gebung des Königs versehen, war er in das Lager gereist; aber trotzdem gelang es ihm nicht sobald, sich demselben vorzu- stellen. Da kam er, ein stattlicher und kräftiger Mann, auf den Gedanken, sich als Herakles zu costumiren und dadurch die Aufmerksamkeit des Königs auf sich zu lenken. Es gelang ihm; und er legte dem König seinen Plan vor, den Berg Athos in eine menschliche Gestalt umzubilden und ihr in die eine Hand eine Stadt zu geben, in die andere eine Schale, aus der sich die Gewässer des Athos in das Meer ergössen. (Von diesem Plane, mit einigen Abweichungen, z. B. von zwei Städten statt einer, sprechen Strabo, Plu- tarch, Eustathius, a. d. a. O.; ohne den Namen des Deino- krates Lucian pro imag. 9; quomod. hist. conscr. 12.) Der Plan kam allerdings nicht zur Ausführung, da die physischen Bedingungen für das Gedeihen der projectirten Stadt nicht vorhanden waren. Dagegen benutzte Alexander den Unter- nehmungsgeist des Künstlers, indem er ihm bei der Grün- dung Alexandriens die architektonische Leitung (vgl. Kleo- menes) übertrug: Strabo, Vitruv, Plinius, Valer. Max., Solin, Ammian, vgl. Pseudo-Kallisthenes und Jul. Valerius. Eben so war es Deinokrates, welchem Alexander wegen der Kühnheit und Grossartigkeit seiner Erfindungen nach dem Tode des Hephaestion die Errichtung des Scheiterhaufens übertrug: Plut. Alex. 72: eines Werkes, welches nach der von Diodor (XVII, 115) hinterlassenen Beschreibung in sei- ner Art allerdings von keinem weder früheren, noch späteren übertroffen wurde. Die Vermuthung liegt nahe, auch in einem Werke verwandter Art, dem Leichenwagen Alexan- ders, eine Schöpfung des Deinokrates zu erkennen (Diodor XVIII. 26 u. 27; Athen. V, 40, p. 206). Dass die Wieder- herstellung des ephesischen Tempels nach dem herostrati- schen Brande von Strabo und Solin dem Deinokrates beige-
148). Als das Vaterland des Künstlers giebt Vitruv Make- donien an, während Eustathius Rhegium, Pseudo-Kallisthenes und Julius Valerius die Insel Rhodos nennen. Die Zeit seiner Thätigkeit bestimmt sich im Allgemeinen durch sein Ver- hältniss zu Alexander; ob er diesen lange überlebt, wird weiter unten zu untersuchen sein. — Ueber sein erstes Zu- sammentreffen mit Alexander erzählt Vitruv eine etwas ro- mantische Geschichte. Mit guten Empfehlungen an die Um- gebung des Königs versehen, war er in das Lager gereist; aber trotzdem gelang es ihm nicht sobald, sich demselben vorzu- stellen. Da kam er, ein stattlicher und kräftiger Mann, auf den Gedanken, sich als Herakles zu costumiren und dadurch die Aufmerksamkeit des Königs auf sich zu lenken. Es gelang ihm; und er legte dem König seinen Plan vor, den Berg Athos in eine menschliche Gestalt umzubilden und ihr in die eine Hand eine Stadt zu geben, in die andere eine Schale, aus der sich die Gewässer des Athos in das Meer ergössen. (Von diesem Plane, mit einigen Abweichungen, z. B. von zwei Städten statt einer, sprechen Strabo, Plu- tarch, Eustathius, a. d. a. O.; ohne den Namen des Deino- krates Lucian pro imag. 9; quomod. hist. conscr. 12.) Der Plan kam allerdings nicht zur Ausführung, da die physischen Bedingungen für das Gedeihen der projectirten Stadt nicht vorhanden waren. Dagegen benutzte Alexander den Unter- nehmungsgeist des Künstlers, indem er ihm bei der Grün- dung Alexandriens die architektonische Leitung (vgl. Kleo- menes) übertrug: Strabo, Vitruv, Plinius, Valer. Max., Solin, Ammian, vgl. Pseudo-Kallisthenes und Jul. Valerius. Eben so war es Deinokrates, welchem Alexander wegen der Kühnheit und Grossartigkeit seiner Erfindungen nach dem Tode des Hephaestion die Errichtung des Scheiterhaufens übertrug: Plut. Alex. 72: eines Werkes, welches nach der von Diodor (XVII, 115) hinterlassenen Beschreibung in sei- ner Art allerdings von keinem weder früheren, noch späteren übertroffen wurde. Die Vermuthung liegt nahe, auch in einem Werke verwandter Art, dem Leichenwagen Alexan- ders, eine Schöpfung des Deinokrates zu erkennen (Diodor XVIII. 26 u. 27; Athen. V, 40, p. 206). Dass die Wieder- herstellung des ephesischen Tempels nach dem herostrati- schen Brande von Strabo und Solin dem Deinokrates beige-
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148). Als das Vaterland des Künstlers giebt Vitruv Make-
donien an, während Eustathius Rhegium, Pseudo-Kallisthenes
und Julius Valerius die Insel Rhodos nennen. Die Zeit seiner
Thätigkeit bestimmt sich im Allgemeinen durch sein Ver-
hältniss zu Alexander; ob er diesen lange überlebt, wird
weiter unten zu untersuchen sein. — Ueber sein erstes Zu-
sammentreffen mit Alexander erzählt Vitruv eine etwas ro-
mantische Geschichte. Mit guten Empfehlungen an die Um-
gebung des Königs versehen, war er in das Lager gereist;
aber trotzdem gelang es ihm nicht sobald, sich demselben vorzu-
stellen. Da kam er, ein stattlicher und kräftiger Mann, auf
den Gedanken, sich als Herakles zu costumiren und dadurch
die Aufmerksamkeit des Königs auf sich zu lenken. Es
gelang ihm; und er legte dem König seinen Plan vor, den
Berg Athos in eine menschliche Gestalt umzubilden und ihr
in die eine Hand eine Stadt zu geben, in die andere eine
Schale, aus der sich die Gewässer des Athos in das Meer
ergössen. (Von diesem Plane, mit einigen Abweichungen,
z. B. von zwei Städten statt einer, sprechen Strabo, Plu-
tarch, Eustathius, a. d. a. O.; ohne den Namen des Deino-
krates Lucian pro imag. 9; quomod. hist. conscr. 12.) Der
Plan kam allerdings nicht zur Ausführung, da die physischen
Bedingungen für das Gedeihen der projectirten Stadt nicht
vorhanden waren. Dagegen benutzte Alexander den Unter-
nehmungsgeist des Künstlers, indem er ihm bei der Grün-
dung Alexandriens die architektonische Leitung (vgl. Kleo-
menes) übertrug: Strabo, Vitruv, Plinius, Valer. Max., Solin,
Ammian, vgl. Pseudo-Kallisthenes und Jul. Valerius. Eben
so war es Deinokrates, welchem Alexander wegen der
Kühnheit und Grossartigkeit seiner Erfindungen nach dem
Tode des Hephaestion die Errichtung des Scheiterhaufens
übertrug: Plut. Alex. 72: eines Werkes, welches nach der
von Diodor (XVII, 115) hinterlassenen Beschreibung in sei-
ner Art allerdings von keinem weder früheren, noch späteren
übertroffen wurde. Die Vermuthung liegt nahe, auch in
einem Werke verwandter Art, dem Leichenwagen Alexan-
ders, eine Schöpfung des Deinokrates zu erkennen (Diodor
XVIII. 26 u. 27; Athen. V, 40, p. 206). Dass die Wieder-
herstellung des ephesischen Tempels nach dem herostrati-
schen Brande von Strabo und Solin dem Deinokrates beige-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/369>, abgerufen am 24.11.2024.
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