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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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dem herostratischen Brande von Deinokrates in diesem
Style glänzend erneuert wurde, kann natürlich dabei nicht
in Betracht kommen. Dagegen verdient es hervorgehoben
zu werden, dass Argelios, welchem die korinthische Ord-
nung schon so bekannt ist, dass er darüber schreibt, von
Vitruv als ein Künstler angeführt wird, welcher für die
Anwendung der ionischen gegenüber der dorischen bei Tem-
pelbauten kämpft und daher das Asklepieion zu Tralles in
diesem Style aufführt. Der gleichen Ansicht huldigt Pythios,
der Erbauer des Tempels der Athene zu Priene und Archi-
tekt des Mausoleum; und endlich Hermogenes: er wählte
nicht nur die ionische Ordnung für den Tempel der Artemis
zu Magnesia, sondern zu Teos, wo bereits das Material zum
Dionysostempel für einen dorischen Bau vorbereitet war,
liess er dasselbe gänzlich für einen ionischen umarbeiten.
Allerdings weist uns die Thätigkeit der genannten drei
Künstler auf Kleinasien hin, wo von jeher der ionische
Styl der vorherrschende war. Nichtsdestoweniger aber tre-
ten sie zu den frühern dadurch in einen bestimmten Gegen-
satz, dass sie jenem nach Vitruv's bestimmter Angabe in
Folge gewisser theoretischer, durch Abstraction gewonnener
Anschauungen den Vorzug geben. Der besondere Styl er-
scheint also bei ihnen nicht mehr als etwas nothwendig und
unbewusst aus der Eigenthümlichkeit des Volkes oder Stam-
mes Hervorgegangenes, wobei der Künstler dieser nur die
bestimmte Form der Erscheinung verleiht; vielmehr tritt
von hier an und bei der weiteren Entwickelung der Bau-
kunst immer mehr die Individualität des Architekten in den
Vordergrund. Das Verdienst der genannten Männer soll
hierdurch keineswegs verkleinert werden: die Erfindung des
Enstylos und Pseudodipteros namentlich, welche von Vitruv
dem Hermogenes beigelegt wird, erscheint sogar durchaus als
ein wahrer und naturgemässer Fortschritt auf dem Gebiete
der künstlerischen Erfindung; und in der Ausführung ge-
hören ihre Werke noch ganz der Blüthenzeit der Kunst an.
Ja selbst ihren theoretischen Bestrebungen können wir ein
bestimmtes Verdienst nicht absprechen. Denn indem das
ursprünglich künstlerische Bewusstsein der früheren Zeit
in ihnen noch keineswegs erstorben war, waren gerade sie
im Stande, was diese geleistet, nicht etwa bloss als That-

dem herostratischen Brande von Deinokrates in diesem
Style glänzend erneuert wurde, kann natürlich dabei nicht
in Betracht kommen. Dagegen verdient es hervorgehoben
zu werden, dass Argelios, welchem die korinthische Ord-
nung schon so bekannt ist, dass er darüber schreibt, von
Vitruv als ein Künstler angeführt wird, welcher für die
Anwendung der ionischen gegenüber der dorischen bei Tem-
pelbauten kämpft und daher das Asklepieion zu Tralles in
diesem Style aufführt. Der gleichen Ansicht huldigt Pythios,
der Erbauer des Tempels der Athene zu Priene und Archi-
tekt des Mausoleum; und endlich Hermogenes: er wählte
nicht nur die ionische Ordnung für den Tempel der Artemis
zu Magnesia, sondern zu Teos, wo bereits das Material zum
Dionysostempel für einen dorischen Bau vorbereitet war,
liess er dasselbe gänzlich für einen ionischen umarbeiten.
Allerdings weist uns die Thätigkeit der genannten drei
Künstler auf Kleinasien hin, wo von jeher der ionische
Styl der vorherrschende war. Nichtsdestoweniger aber tre-
ten sie zu den frühern dadurch in einen bestimmten Gegen-
satz, dass sie jenem nach Vitruv’s bestimmter Angabe in
Folge gewisser theoretischer, durch Abstraction gewonnener
Anschauungen den Vorzug geben. Der besondere Styl er-
scheint also bei ihnen nicht mehr als etwas nothwendig und
unbewusst aus der Eigenthümlichkeit des Volkes oder Stam-
mes Hervorgegangenes, wobei der Künstler dieser nur die
bestimmte Form der Erscheinung verleiht; vielmehr tritt
von hier an und bei der weiteren Entwickelung der Bau-
kunst immer mehr die Individualität des Architekten in den
Vordergrund. Das Verdienst der genannten Männer soll
hierdurch keineswegs verkleinert werden: die Erfindung des
Enstylos und Pseudodipteros namentlich, welche von Vitruv
dem Hermogenes beigelegt wird, erscheint sogar durchaus als
ein wahrer und naturgemässer Fortschritt auf dem Gebiete
der künstlerischen Erfindung; und in der Ausführung ge-
hören ihre Werke noch ganz der Blüthenzeit der Kunst an.
Ja selbst ihren theoretischen Bestrebungen können wir ein
bestimmtes Verdienst nicht absprechen. Denn indem das
ursprünglich künstlerische Bewusstsein der früheren Zeit
in ihnen noch keineswegs erstorben war, waren gerade sie
im Stande, was diese geleistet, nicht etwa bloss als That-

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[331/0348] dem herostratischen Brande von Deinokrates in diesem Style glänzend erneuert wurde, kann natürlich dabei nicht in Betracht kommen. Dagegen verdient es hervorgehoben zu werden, dass Argelios, welchem die korinthische Ord- nung schon so bekannt ist, dass er darüber schreibt, von Vitruv als ein Künstler angeführt wird, welcher für die Anwendung der ionischen gegenüber der dorischen bei Tem- pelbauten kämpft und daher das Asklepieion zu Tralles in diesem Style aufführt. Der gleichen Ansicht huldigt Pythios, der Erbauer des Tempels der Athene zu Priene und Archi- tekt des Mausoleum; und endlich Hermogenes: er wählte nicht nur die ionische Ordnung für den Tempel der Artemis zu Magnesia, sondern zu Teos, wo bereits das Material zum Dionysostempel für einen dorischen Bau vorbereitet war, liess er dasselbe gänzlich für einen ionischen umarbeiten. Allerdings weist uns die Thätigkeit der genannten drei Künstler auf Kleinasien hin, wo von jeher der ionische Styl der vorherrschende war. Nichtsdestoweniger aber tre- ten sie zu den frühern dadurch in einen bestimmten Gegen- satz, dass sie jenem nach Vitruv’s bestimmter Angabe in Folge gewisser theoretischer, durch Abstraction gewonnener Anschauungen den Vorzug geben. Der besondere Styl er- scheint also bei ihnen nicht mehr als etwas nothwendig und unbewusst aus der Eigenthümlichkeit des Volkes oder Stam- mes Hervorgegangenes, wobei der Künstler dieser nur die bestimmte Form der Erscheinung verleiht; vielmehr tritt von hier an und bei der weiteren Entwickelung der Bau- kunst immer mehr die Individualität des Architekten in den Vordergrund. Das Verdienst der genannten Männer soll hierdurch keineswegs verkleinert werden: die Erfindung des Enstylos und Pseudodipteros namentlich, welche von Vitruv dem Hermogenes beigelegt wird, erscheint sogar durchaus als ein wahrer und naturgemässer Fortschritt auf dem Gebiete der künstlerischen Erfindung; und in der Ausführung ge- hören ihre Werke noch ganz der Blüthenzeit der Kunst an. Ja selbst ihren theoretischen Bestrebungen können wir ein bestimmtes Verdienst nicht absprechen. Denn indem das ursprünglich künstlerische Bewusstsein der früheren Zeit in ihnen noch keineswegs erstorben war, waren gerade sie im Stande, was diese geleistet, nicht etwa bloss als That-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/348>, abgerufen am 24.11.2024.