Apelles erwähnt. Hieraus glaube ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass er zur Zeit der Feststellung jenes Kanon noch nicht gelebt hatte, und dass also, da er zu Caesars Zeit schon lange den Todten angehörte, seine Blüthe in die ei- gentliche Diadochenperiode zu setzen ist.
Die schönste Bestätigung gewinnt aber diese Zeitbe- stimmung durch die Betrachtung der künstlerischen Eigen- thümlichkeit des Timomachos selbst, wie uns dieselbe aus seinen Werken entgegentritt.
Wir haben am Schlusse der vorigen Periode darauf hin- gewiesen, wie sich nach und nach in der Malerei zwei Rich- tungen neben einander ausgebildet hatten. Die eine legte vorzugsweise Werth auf die künstlerische Durchführung, und beschränkte sich daher meist auf wenige Figuren in ru- higer Haltung, die mehr einen Gedanken, als eine Handlung aussprechen sollten. In der andern herrscht das Streben vor, durch eine lebendig bewegte Handlung das Interesse des Beschauers zu fesseln. Aber während wir bei jener über den Mangel an eigentlichem poetischen Schöpfungsver- mögen klagten, mussten wir doch zugeben, dass auch bei dieser der reichere Gehalt an poetischen Motiven zu sehr nur für äussere Effecte benutzt wurde. Das grosse Ver- dienst des Timomachos besteht nun darin, dass er die Vor- züge beider Richtungen in sich zu vereinigen weiss. Seine berühmtesten Werke sind, äusserlich betrachtet, Composi- tionen der einfachsten Art, welche dem Künstler jede Ein- zelnheit bis ins Feinste zu vollenden erlauben. Aber zugleich enthalten sie einen inneren Reichthum poetischer Motive, der uns nicht blos für das Fehlen einer mannigfaltigeren Bewe- gung entschädigt, sondern unsere Einbildungskraft noch weit mehr ahnen lässt, als je ein Künstler in einem Gemälde hätte darstellen können. Ich setze hierher, was Lessing1) über diese Bilder bemerkt: "Aus den Beschreibungen er- hellt, dass Timomachos jenen Punkt, in welchem der Be- trachter das Aeusserste nicht sowohl erblickt, als hinzu- denkt, jene Erscheinung, mit der wir den Begriff des Tran- sitorischen nicht so nothwendig verbinden, dass uns die Verlängerung derselben in der Kunst missfallen sollte, vor-
1) Laokoon, Kap. 3.
Apelles erwähnt. Hieraus glaube ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass er zur Zeit der Feststellung jenes Kanon noch nicht gelebt hatte, und dass also, da er zu Caesars Zeit schon lange den Todten angehörte, seine Blüthe in die ei- gentliche Diadochenperiode zu setzen ist.
Die schönste Bestätigung gewinnt aber diese Zeitbe- stimmung durch die Betrachtung der künstlerischen Eigen- thümlichkeit des Timomachos selbst, wie uns dieselbe aus seinen Werken entgegentritt.
Wir haben am Schlusse der vorigen Periode darauf hin- gewiesen, wie sich nach und nach in der Malerei zwei Rich- tungen neben einander ausgebildet hatten. Die eine legte vorzugsweise Werth auf die künstlerische Durchführung, und beschränkte sich daher meist auf wenige Figuren in ru- higer Haltung, die mehr einen Gedanken, als eine Handlung aussprechen sollten. In der andern herrscht das Streben vor, durch eine lebendig bewegte Handlung das Interesse des Beschauers zu fesseln. Aber während wir bei jener über den Mangel an eigentlichem poetischen Schöpfungsver- mögen klagten, mussten wir doch zugeben, dass auch bei dieser der reichere Gehalt an poetischen Motiven zu sehr nur für äussere Effecte benutzt wurde. Das grosse Ver- dienst des Timomachos besteht nun darin, dass er die Vor- züge beider Richtungen in sich zu vereinigen weiss. Seine berühmtesten Werke sind, äusserlich betrachtet, Composi- tionen der einfachsten Art, welche dem Künstler jede Ein- zelnheit bis ins Feinste zu vollenden erlauben. Aber zugleich enthalten sie einen inneren Reichthum poetischer Motive, der uns nicht blos für das Fehlen einer mannigfaltigeren Bewe- gung entschädigt, sondern unsere Einbildungskraft noch weit mehr ahnen lässt, als je ein Künstler in einem Gemälde hätte darstellen können. Ich setze hierher, was Lessing1) über diese Bilder bemerkt: „Aus den Beschreibungen er- hellt, dass Timomachos jenen Punkt, in welchem der Be- trachter das Aeusserste nicht sowohl erblickt, als hinzu- denkt, jene Erscheinung, mit der wir den Begriff des Tran- sitorischen nicht so nothwendig verbinden, dass uns die Verlängerung derselben in der Kunst missfallen sollte, vor-
1) Laokoon, Kap. 3.
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Apelles erwähnt. Hieraus glaube ich den Schluss ziehen zu
dürfen, dass er zur Zeit der Feststellung jenes Kanon noch
nicht gelebt hatte, und dass also, da er zu Caesars Zeit
schon lange den Todten angehörte, seine Blüthe in die ei-
gentliche Diadochenperiode zu setzen ist.
Die schönste Bestätigung gewinnt aber diese Zeitbe-
stimmung durch die Betrachtung der künstlerischen Eigen-
thümlichkeit des Timomachos selbst, wie uns dieselbe aus
seinen Werken entgegentritt.
Wir haben am Schlusse der vorigen Periode darauf hin-
gewiesen, wie sich nach und nach in der Malerei zwei Rich-
tungen neben einander ausgebildet hatten. Die eine legte
vorzugsweise Werth auf die künstlerische Durchführung,
und beschränkte sich daher meist auf wenige Figuren in ru-
higer Haltung, die mehr einen Gedanken, als eine Handlung
aussprechen sollten. In der andern herrscht das Streben
vor, durch eine lebendig bewegte Handlung das Interesse
des Beschauers zu fesseln. Aber während wir bei jener
über den Mangel an eigentlichem poetischen Schöpfungsver-
mögen klagten, mussten wir doch zugeben, dass auch bei
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nur für äussere Effecte benutzt wurde. Das grosse Ver-
dienst des Timomachos besteht nun darin, dass er die Vor-
züge beider Richtungen in sich zu vereinigen weiss. Seine
berühmtesten Werke sind, äusserlich betrachtet, Composi-
tionen der einfachsten Art, welche dem Künstler jede Ein-
zelnheit bis ins Feinste zu vollenden erlauben. Aber zugleich
enthalten sie einen inneren Reichthum poetischer Motive, der
uns nicht blos für das Fehlen einer mannigfaltigeren Bewe-
gung entschädigt, sondern unsere Einbildungskraft noch weit
mehr ahnen lässt, als je ein Künstler in einem Gemälde
hätte darstellen können. Ich setze hierher, was Lessing 1)
über diese Bilder bemerkt: „Aus den Beschreibungen er-
hellt, dass Timomachos jenen Punkt, in welchem der Be-
trachter das Aeusserste nicht sowohl erblickt, als hinzu-
denkt, jene Erscheinung, mit der wir den Begriff des Tran-
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1) Laokoon, Kap. 3.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/299>, abgerufen am 24.11.2024.
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