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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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in dieser der Purpur zum blossen Anstrich der Wände ge-
braucht werde und Indien den Schlamm seiner Flüsse,
das Blut von Drachen und Elephanten liefere. In ähn-
licher Weise könnten wir auch von unserer Zeit reden
und ihr etwa die des Raphael gegenüberstellen, in welcher
so mancher von heutigen Effectmalern benutzte Farbstoff
noch nicht einmal entdeckt war, so dass man nach einem
geläufigen, wenn auch ungenauen Malerausdruck sagen
könnte: man habe sich damals auf die Okerfarben be-
schränkt.

Ist somit das Zeugniss des Plinius für die Erkenntniss
der besondern Verdienste des Apelles in der Behandlung der
Farbe von geringem Werthe; so müssen wir versuchen,
diese Lücke durch anderweitige Nachrichten zu ergänzen.
Da finden wir denn, dass Apelles mit seinen verhältniss-
mässig geringen Mitteln doch bedeutende Erfolge erreicht
haben muss. So deuten in dem Bilde der Verleumdung die
leidenschaftliche Erregtheit der Hauptperson, das bleiche,
abgezehrte Aussehen des Neides, die Scham im Antlitz der
Reue wenigstens auf mannigfachen Wechsel in den Farben-
tönen; in welcher Beziehung auch die Darstellungen von
Sterbenden nicht zu übersehen sind. Ja die Personificationen
der Gewittererscheinungen sind ohne kräftige Farbeneffecte
eigentlich kaum denkbar; und dass sie Apelles hier nicht
verschmähte, können wir aus dem Bilde Alexanders folgern,
in welchem der Blitz eine keineswegs untergeordnete Rolle
spielte, da Plinius bemerkt, er scheine sich ausserhalb der
Tafel zu befinden. -- Dieses Bild hatte aber ausserdem auch
in der Behandlung der Farbe manches Auffällige. Während
dem Alexander eine weisse, nur gegen die Brust hin und
im Gesicht mehr geröthete Hautfarbe eigen war, malte ihn
der Künstler dunkler und in einem schmutzigen Tone. Wenn
man nun darin einen Tadel hat finden und sogar behaupten
wollen, Apelles habe es nicht verstanden, die eigenthümliche
Farbe naturgetreu wiederzugeben,1) so liegt dieser Auffas-
sung sicher ein Irrthum zu Grunde. Denn in der Normal-
schönheit, welche Lucian2) aus den berühmtesten Kunst-
werken zusammenstellen will, soll gerade der Körper nach

1) Lindemann de imag. Alex. ab Apelle picta.
2) imagg. 7.

in dieser der Purpur zum blossen Anstrich der Wände ge-
braucht werde und Indien den Schlamm seiner Flüsse,
das Blut von Drachen und Elephanten liefere. In ähn-
licher Weise könnten wir auch von unserer Zeit reden
und ihr etwa die des Raphael gegenüberstellen, in welcher
so mancher von heutigen Effectmalern benutzte Farbstoff
noch nicht einmal entdeckt war, so dass man nach einem
geläufigen, wenn auch ungenauen Malerausdruck sagen
könnte: man habe sich damals auf die Okerfarben be-
schränkt.

Ist somit das Zeugniss des Plinius für die Erkenntniss
der besondern Verdienste des Apelles in der Behandlung der
Farbe von geringem Werthe; so müssen wir versuchen,
diese Lücke durch anderweitige Nachrichten zu ergänzen.
Da finden wir denn, dass Apelles mit seinen verhältniss-
mässig geringen Mitteln doch bedeutende Erfolge erreicht
haben muss. So deuten in dem Bilde der Verleumdung die
leidenschaftliche Erregtheit der Hauptperson, das bleiche,
abgezehrte Aussehen des Neides, die Scham im Antlitz der
Reue wenigstens auf mannigfachen Wechsel in den Farben-
tönen; in welcher Beziehung auch die Darstellungen von
Sterbenden nicht zu übersehen sind. Ja die Personificationen
der Gewittererscheinungen sind ohne kräftige Farbeneffecte
eigentlich kaum denkbar; und dass sie Apelles hier nicht
verschmähte, können wir aus dem Bilde Alexanders folgern,
in welchem der Blitz eine keineswegs untergeordnete Rolle
spielte, da Plinius bemerkt, er scheine sich ausserhalb der
Tafel zu befinden. — Dieses Bild hatte aber ausserdem auch
in der Behandlung der Farbe manches Auffällige. Während
dem Alexander eine weisse, nur gegen die Brust hin und
im Gesicht mehr geröthete Hautfarbe eigen war, malte ihn
der Künstler dunkler und in einem schmutzigen Tone. Wenn
man nun darin einen Tadel hat finden und sogar behaupten
wollen, Apelles habe es nicht verstanden, die eigenthümliche
Farbe naturgetreu wiederzugeben,1) so liegt dieser Auffas-
sung sicher ein Irrthum zu Grunde. Denn in der Normal-
schönheit, welche Lucian2) aus den berühmtesten Kunst-
werken zusammenstellen will, soll gerade der Körper nach

1) Lindemann de imag. Alex. ab Apelle picta.
2) imagg. 7.
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[226/0243] in dieser der Purpur zum blossen Anstrich der Wände ge- braucht werde und Indien den Schlamm seiner Flüsse, das Blut von Drachen und Elephanten liefere. In ähn- licher Weise könnten wir auch von unserer Zeit reden und ihr etwa die des Raphael gegenüberstellen, in welcher so mancher von heutigen Effectmalern benutzte Farbstoff noch nicht einmal entdeckt war, so dass man nach einem geläufigen, wenn auch ungenauen Malerausdruck sagen könnte: man habe sich damals auf die Okerfarben be- schränkt. Ist somit das Zeugniss des Plinius für die Erkenntniss der besondern Verdienste des Apelles in der Behandlung der Farbe von geringem Werthe; so müssen wir versuchen, diese Lücke durch anderweitige Nachrichten zu ergänzen. Da finden wir denn, dass Apelles mit seinen verhältniss- mässig geringen Mitteln doch bedeutende Erfolge erreicht haben muss. So deuten in dem Bilde der Verleumdung die leidenschaftliche Erregtheit der Hauptperson, das bleiche, abgezehrte Aussehen des Neides, die Scham im Antlitz der Reue wenigstens auf mannigfachen Wechsel in den Farben- tönen; in welcher Beziehung auch die Darstellungen von Sterbenden nicht zu übersehen sind. Ja die Personificationen der Gewittererscheinungen sind ohne kräftige Farbeneffecte eigentlich kaum denkbar; und dass sie Apelles hier nicht verschmähte, können wir aus dem Bilde Alexanders folgern, in welchem der Blitz eine keineswegs untergeordnete Rolle spielte, da Plinius bemerkt, er scheine sich ausserhalb der Tafel zu befinden. — Dieses Bild hatte aber ausserdem auch in der Behandlung der Farbe manches Auffällige. Während dem Alexander eine weisse, nur gegen die Brust hin und im Gesicht mehr geröthete Hautfarbe eigen war, malte ihn der Künstler dunkler und in einem schmutzigen Tone. Wenn man nun darin einen Tadel hat finden und sogar behaupten wollen, Apelles habe es nicht verstanden, die eigenthümliche Farbe naturgetreu wiederzugeben, 1) so liegt dieser Auffas- sung sicher ein Irrthum zu Grunde. Denn in der Normal- schönheit, welche Lucian 2) aus den berühmtesten Kunst- werken zusammenstellen will, soll gerade der Körper nach 1) Lindemann de imag. Alex. ab Apelle picta. 2) imagg. 7.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/243>, abgerufen am 25.11.2024.