anruft. Es führt sie ein bleicher und ungestalteter Mann, mit scharfem Blicke und dem Ansehen, als sei er von langer Krankheit abgezehrt. Ihn wird man für Phthonos, den Neid, erklären müssen. Noch zwei andere folgen als Gelei- terinnen der Diabole; sie werden erklärt als Epibulesis nnd Apate: List und Täuschung. Hinten endlich folgte noch eine ganz traurig angethane Gestalt, in schwarzem Kleide und ganz zerrissen: Metanoia war es, die Reue. Sie wandte sich wei- nend rückwärts und blickte voll Schaam auf die sich na- hende Aletheia, die Wahrheit. -- Dieses Bild zu malen, soll Apelles durch folgenden Vorfall veranlasst worden sein: Der Maler Antiphilos, ein Nebenbuhler des Apelles habe diesen bei Ptolemaeos verleumderischer Weise angeklagt, dass er an der Verschwörung des Theodotos in Tyros theilgenommen, ja dass der Abfall von Tyros und der Ueberfall von Pelusion eigentlich sein Werk sei, obwohl er den Theodotos nie gese- hen habe, und auch nie nach Tyros gekommen sei. Ptole- maeos sei darüber in heftigem Zorn entbrannt, bis einer der Gefangenen über des Antiphilos Unverschämtheit aufgebracht den König von dessen Verleumdung überzeugt habe. Aus Schaam über seine Leichtgläubigkeit habe dann der König dem Apelles hundert Talente und dazu den Antiphilos als Sklaven geschenkt. Dass diese Erzählung manche histori- sche Unrichtigkeiten enthält, hat bereits Toelken gezeigt, (Amalthea III, 130 flgd.). Hier genügt es darauf hinzuweisen dass die Verschwörung des Theodotos unter die Regierung des Ptolemaeos Philopator (c. Ol. 140; vgl. Polyb. V, 60. 61; Droysen Hellen. II, S. 696; Stark Gaza 375) fällt, also in eine Zeit, in welcher Apelles auf keine Weise mehr am Leben sein konnte. Dass jedoch das Ganze nicht von Lu- cian erfunden ist, lehrt die folgende Nachricht bei Plinius (35, 89): "Unter den Genossen Alexanders hatte Apelles kein freundliches Verhältniss mit Ptolemaeos. Als er nun wäh- rend der Regierung desselben einmal durch Sturm nach Alex- andria verschlagen war, kam er von einem durch den Be- trug seiner Nebenbuhler angestifteten königlichen Boten ein- geladen zur Tafel. Während aber Ptolemaeos darüber er- zürnt ihm seine Boten zeigen wollte, damit er sage, welcher von ihnen ihn geladen, ergriff er aus dem Kohlenbecken eine ausgebrannte Kohle und zeichnete das Bild auf die Wand, so
anruft. Es führt sie ein bleicher und ungestalteter Mann, mit scharfem Blicke und dem Ansehen, als sei er von langer Krankheit abgezehrt. Ihn wird man für Phthonos, den Neid, erklären müssen. Noch zwei andere folgen als Gelei- terinnen der Diabole; sie werden erklärt als Epibulesis nnd Apate: List und Täuschung. Hinten endlich folgte noch eine ganz traurig angethane Gestalt, in schwarzem Kleide und ganz zerrissen: Metanoia war es, die Reue. Sie wandte sich wei- nend rückwärts und blickte voll Schaam auf die sich na- hende Aletheia, die Wahrheit. — Dieses Bild zu malen, soll Apelles durch folgenden Vorfall veranlasst worden sein: Der Maler Antiphilos, ein Nebenbuhler des Apelles habe diesen bei Ptolemaeos verleumderischer Weise angeklagt, dass er an der Verschwörung des Theodotos in Tyros theilgenommen, ja dass der Abfall von Tyros und der Ueberfall von Pelusion eigentlich sein Werk sei, obwohl er den Theodotos nie gese- hen habe, und auch nie nach Tyros gekommen sei. Ptole- maeos sei darüber in heftigem Zorn entbrannt, bis einer der Gefangenen über des Antiphilos Unverschämtheit aufgebracht den König von dessen Verleumdung überzeugt habe. Aus Schaam über seine Leichtgläubigkeit habe dann der König dem Apelles hundert Talente und dazu den Antiphilos als Sklaven geschenkt. Dass diese Erzählung manche histori- sche Unrichtigkeiten enthält, hat bereits Toelken gezeigt, (Amalthea III, 130 flgd.). Hier genügt es darauf hinzuweisen dass die Verschwörung des Theodotos unter die Regierung des Ptolemaeos Philopator (c. Ol. 140; vgl. Polyb. V, 60. 61; Droysen Hellen. II, S. 696; Stark Gaza 375) fällt, also in eine Zeit, in welcher Apelles auf keine Weise mehr am Leben sein konnte. Dass jedoch das Ganze nicht von Lu- cian erfunden ist, lehrt die folgende Nachricht bei Plinius (35, 89): „Unter den Genossen Alexanders hatte Apelles kein freundliches Verhältniss mit Ptolemaeos. Als er nun wäh- rend der Regierung desselben einmal durch Sturm nach Alex- andria verschlagen war, kam er von einem durch den Be- trug seiner Nebenbuhler angestifteten königlichen Boten ein- geladen zur Tafel. Während aber Ptolemaeos darüber er- zürnt ihm seine Boten zeigen wollte, damit er sage, welcher von ihnen ihn geladen, ergriff er aus dem Kohlenbecken eine ausgebrannte Kohle und zeichnete das Bild auf die Wand, so
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anruft. Es führt sie ein bleicher und ungestalteter Mann, mit
scharfem Blicke und dem Ansehen, als sei er von langer
Krankheit abgezehrt. Ihn wird man für Phthonos, den
Neid, erklären müssen. Noch zwei andere folgen als Gelei-
terinnen der Diabole; sie werden erklärt als Epibulesis nnd
Apate: List und Täuschung. Hinten endlich folgte noch eine
ganz traurig angethane Gestalt, in schwarzem Kleide und ganz
zerrissen: Metanoia war es, die Reue. Sie wandte sich wei-
nend rückwärts und blickte voll Schaam auf die sich na-
hende Aletheia, die Wahrheit. — Dieses Bild zu malen, soll
Apelles durch folgenden Vorfall veranlasst worden sein: Der
Maler Antiphilos, ein Nebenbuhler des Apelles habe diesen
bei Ptolemaeos verleumderischer Weise angeklagt, dass er an
der Verschwörung des Theodotos in Tyros theilgenommen, ja
dass der Abfall von Tyros und der Ueberfall von Pelusion
eigentlich sein Werk sei, obwohl er den Theodotos nie gese-
hen habe, und auch nie nach Tyros gekommen sei. Ptole-
maeos sei darüber in heftigem Zorn entbrannt, bis einer der
Gefangenen über des Antiphilos Unverschämtheit aufgebracht
den König von dessen Verleumdung überzeugt habe. Aus
Schaam über seine Leichtgläubigkeit habe dann der König
dem Apelles hundert Talente und dazu den Antiphilos als
Sklaven geschenkt. Dass diese Erzählung manche histori-
sche Unrichtigkeiten enthält, hat bereits Toelken gezeigt,
(Amalthea III, 130 flgd.). Hier genügt es darauf hinzuweisen
dass die Verschwörung des Theodotos unter die Regierung
des Ptolemaeos Philopator (c. Ol. 140; vgl. Polyb. V, 60.
61; Droysen Hellen. II, S. 696; Stark Gaza 375) fällt, also
in eine Zeit, in welcher Apelles auf keine Weise mehr am
Leben sein konnte. Dass jedoch das Ganze nicht von Lu-
cian erfunden ist, lehrt die folgende Nachricht bei Plinius
(35, 89): „Unter den Genossen Alexanders hatte Apelles kein
freundliches Verhältniss mit Ptolemaeos. Als er nun wäh-
rend der Regierung desselben einmal durch Sturm nach Alex-
andria verschlagen war, kam er von einem durch den Be-
trug seiner Nebenbuhler angestifteten königlichen Boten ein-
geladen zur Tafel. Während aber Ptolemaeos darüber er-
zürnt ihm seine Boten zeigen wollte, damit er sage, welcher
von ihnen ihn geladen, ergriff er aus dem Kohlenbecken eine
ausgebrannte Kohle und zeichnete das Bild auf die Wand, so
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/225>, abgerufen am 26.11.2024.
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