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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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nachlässigung höherer Forderungen verleitet; so war doch
dies bei Nikomachos nicht der Fall, wie schon Plinius an-
deutet, und ausdrücklich uns Plutarch1) belehrt. Dieser
stellt die bewährte Strategie des Epaminondas und Agesilaos
als mühevoll und schwierig durchzukämpfen der des Timo-
leon gegenüber, als welche neben ihrer sonstigen Vortreff-
lichkeit noch den Vorzug der Leichtigkeit besitze, so dass
sie richtig beurtheilt nicht ein Werk des Glückes, sondern
einer glücklichen Tapferkeit zu sein scheine. Diesen Ver-
gleich aber erläutert er durch eine Parallele aus der Poesie
und Malerei: die Poesie des Antimachos aus Kolophon, so
wie seines Landsmannes Dionysios Malerei erscheine bei
ihrer Kraft und ihrem Nachdruck doch als etwas Gezwun-
genes und Mühevolles; während dagegen Homers Verse und
des Nikomachos Gemälde bei ihrer sonstigen Bedeutung
und Grazie noch dies voraushätten, dass sie mit Geschick und
Leichtigkeit ausgeführt schienen. Jene Virtuosität war dem-
nach bei Nikomachos nicht ein vereinzeltes oder das vorzüg-
lichste Verdienst, sondern vielmehr eine ausgezeichnete Zu-
gabe, ein Schmuck seiner übrigen Vortrefflichkeit. Wo sie
aber wie bei ihm hervortritt, wird sie ihrem Ursprunge nach
seltener das Resultat eines systematischen Studiums sein,
als einer angeborenen Gewandtheit und Befähigung. Dürften
wir nun als ausgemacht annehmen, dass dies bei Nikomachos
wirklich der Fall gewesen, so liesse sich schon hieraus auf
einen bestimmten Gegensatz seiner künstlerischen Eigenthüm-
lichkeit zu der gleichzeitig erblühenden strengen sikyoni-
schen Schule schliessen. Allein es fehlt uns die Kenntniss
von Thatsachen, durch welche für die Richtigkeit einer sol-
chen Vermuthung in ihrer weiteren Durchführung Bürgschaft
geleistet werden könnte.

Wenn daher Vitruv2) unter den Künstlern, welche nicht
aus Mangel an Verdienst, sondern durch ungünstige Verhält-
nisse des gebührenden Nachruhms nicht theilhaftig geworden
seien, auch Nikomachos anführt, so finden wir seine Ansicht
in sofern vollkommen bestätigt, als uns die Mangelhaftigkeit
unserer Quellen die Möglichkeit verweigert, von der Eigen-
thümlichkeit des Nikomachos nur annäherungsweise ein

1) Timol. 36.
2) III, praef. §. 2.

nachlässigung höherer Forderungen verleitet; so war doch
dies bei Nikomachos nicht der Fall, wie schon Plinius an-
deutet, und ausdrücklich uns Plutarch1) belehrt. Dieser
stellt die bewährte Strategie des Epaminondas und Agesilaos
als mühevoll und schwierig durchzukämpfen der des Timo-
leon gegenüber, als welche neben ihrer sonstigen Vortreff-
lichkeit noch den Vorzug der Leichtigkeit besitze, so dass
sie richtig beurtheilt nicht ein Werk des Glückes, sondern
einer glücklichen Tapferkeit zu sein scheine. Diesen Ver-
gleich aber erläutert er durch eine Parallele aus der Poesie
und Malerei: die Poesie des Antimachos aus Kolophon, so
wie seines Landsmannes Dionysios Malerei erscheine bei
ihrer Kraft und ihrem Nachdruck doch als etwas Gezwun-
genes und Mühevolles; während dagegen Homers Verse und
des Nikomachos Gemälde bei ihrer sonstigen Bedeutung
und Grazie noch dies voraushätten, dass sie mit Geschick und
Leichtigkeit ausgeführt schienen. Jene Virtuosität war dem-
nach bei Nikomachos nicht ein vereinzeltes oder das vorzüg-
lichste Verdienst, sondern vielmehr eine ausgezeichnete Zu-
gabe, ein Schmuck seiner übrigen Vortrefflichkeit. Wo sie
aber wie bei ihm hervortritt, wird sie ihrem Ursprunge nach
seltener das Resultat eines systematischen Studiums sein,
als einer angeborenen Gewandtheit und Befähigung. Dürften
wir nun als ausgemacht annehmen, dass dies bei Nikomachos
wirklich der Fall gewesen, so liesse sich schon hieraus auf
einen bestimmten Gegensatz seiner künstlerischen Eigenthüm-
lichkeit zu der gleichzeitig erblühenden strengen sikyoni-
schen Schule schliessen. Allein es fehlt uns die Kenntniss
von Thatsachen, durch welche für die Richtigkeit einer sol-
chen Vermuthung in ihrer weiteren Durchführung Bürgschaft
geleistet werden könnte.

Wenn daher Vitruv2) unter den Künstlern, welche nicht
aus Mangel an Verdienst, sondern durch ungünstige Verhält-
nisse des gebührenden Nachruhms nicht theilhaftig geworden
seien, auch Nikomachos anführt, so finden wir seine Ansicht
in sofern vollkommen bestätigt, als uns die Mangelhaftigkeit
unserer Quellen die Möglichkeit verweigert, von der Eigen-
thümlichkeit des Nikomachos nur annäherungsweise ein

1) Timol. 36.
2) III, praef. §. 2.
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[170/0187] nachlässigung höherer Forderungen verleitet; so war doch dies bei Nikomachos nicht der Fall, wie schon Plinius an- deutet, und ausdrücklich uns Plutarch 1) belehrt. Dieser stellt die bewährte Strategie des Epaminondas und Agesilaos als mühevoll und schwierig durchzukämpfen der des Timo- leon gegenüber, als welche neben ihrer sonstigen Vortreff- lichkeit noch den Vorzug der Leichtigkeit besitze, so dass sie richtig beurtheilt nicht ein Werk des Glückes, sondern einer glücklichen Tapferkeit zu sein scheine. Diesen Ver- gleich aber erläutert er durch eine Parallele aus der Poesie und Malerei: die Poesie des Antimachos aus Kolophon, so wie seines Landsmannes Dionysios Malerei erscheine bei ihrer Kraft und ihrem Nachdruck doch als etwas Gezwun- genes und Mühevolles; während dagegen Homers Verse und des Nikomachos Gemälde bei ihrer sonstigen Bedeutung und Grazie noch dies voraushätten, dass sie mit Geschick und Leichtigkeit ausgeführt schienen. Jene Virtuosität war dem- nach bei Nikomachos nicht ein vereinzeltes oder das vorzüg- lichste Verdienst, sondern vielmehr eine ausgezeichnete Zu- gabe, ein Schmuck seiner übrigen Vortrefflichkeit. Wo sie aber wie bei ihm hervortritt, wird sie ihrem Ursprunge nach seltener das Resultat eines systematischen Studiums sein, als einer angeborenen Gewandtheit und Befähigung. Dürften wir nun als ausgemacht annehmen, dass dies bei Nikomachos wirklich der Fall gewesen, so liesse sich schon hieraus auf einen bestimmten Gegensatz seiner künstlerischen Eigenthüm- lichkeit zu der gleichzeitig erblühenden strengen sikyoni- schen Schule schliessen. Allein es fehlt uns die Kenntniss von Thatsachen, durch welche für die Richtigkeit einer sol- chen Vermuthung in ihrer weiteren Durchführung Bürgschaft geleistet werden könnte. Wenn daher Vitruv 2) unter den Künstlern, welche nicht aus Mangel an Verdienst, sondern durch ungünstige Verhält- nisse des gebührenden Nachruhms nicht theilhaftig geworden seien, auch Nikomachos anführt, so finden wir seine Ansicht in sofern vollkommen bestätigt, als uns die Mangelhaftigkeit unserer Quellen die Möglichkeit verweigert, von der Eigen- thümlichkeit des Nikomachos nur annäherungsweise ein 1) Timol. 36. 2) III, praef. §. 2.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/187>, abgerufen am 30.11.2024.