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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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gesehen; ja noch mehr: der erste der erwähnten Briefe ist
noch nicht einmal aus Athen datirt; Synesius berichtet also
nicht über eine Begebenheit, die er am Orte selbst erfahren
hatte, die sich also bei der Anschauung der Localität auch
mit ihrem Nebenumständen dem Gedächtnisse leicht hätte
einprägen können. Die ganze Erwähnung der Gemälde ist
ihm nur Nebensache: er ärgert sich über den Stolz der Phi-
losophen, welche den Gipfel der Weisheit schon erreicht zu
haben wähnten, wenn sie nur in Athen sich eine Zeit lang
aufgehalten hätten. Ihr ganzer Ruhm bestehe darin, dass
sie die Akademie, das Lykeion, die Poekile gesehen hätten.
Das sei aber ein Ruhm ganz absonderlicher Art: denn die
Poekile sei nicht einmal mehr, was sie heisse, eine bunte
Halle. Dieser Herrlichkeit habe der Proconsul ein Ende ge-
macht: nemlich die Bretter weggenommen und die Philoso-
phen hinausgejagt. Als nun Synesius selbst nach Athen
kommt, da schreibt er wieder: mit Athens Glanz sei es vor-
bei, und flucht auf den Schiffer, der ihn hingebracht. Von
Athen sei, wie von einem Opferthiere, nur noch das Fell
ohne Fleisch und Knochen übrig; nur die Namen der Orte
seien noch geblieben; und nicht die Philosophen, nein, die
Honighändler hätten jetzt Athen inne. Die ganze Beschrei-
bung ist voller Spott; und in spöttischer Absicht ist auch
der Ausdruck sanidas gewählt, wie er in ähnlichem verächt-
lichem Sinne auch bei einem andern Kirchenschriftsteller sich
findet. 1) Sanis wird sonst nicht von Gemälden gebraucht,
so wenig wie das deutsche "Brett". Synesius nun mochte
sich die Poekile als eine Gemäldegalerie vorstellen, wie sie
zu seiner Zeit üblich waren, etwa wie die in seinem Enco-
mium calvitiei 2) erwähnte im Museion. Dort gab es Philo-
sophenbilder, auf welche die Philosophen in ihren Unterre-
dungen zuweilen Rücksicht nehmen mochten. An sich hatten
nun freilich die Stoiker mit den Gemälden der Poekile nichts
zu thun; aber da sie dieselben stets vor Augen hatten, so
mochten z. B. namentlich die Marathonskämpfer in ihren
Gesprächen häufig eine grosse Rolle spielen. 3) Diese fort-
währende Erinnerung an die alte Zeit, welche dem neuein-

1) Theodoret. hist. eccles. I, 1.
2) p. 68 u. Petav.
3) vgl. z. B.
Pers. III, 53.

gesehen; ja noch mehr: der erste der erwähnten Briefe ist
noch nicht einmal aus Athen datirt; Synesius berichtet also
nicht über eine Begebenheit, die er am Orte selbst erfahren
hatte, die sich also bei der Anschauung der Localität auch
mit ihrem Nebenumständen dem Gedächtnisse leicht hätte
einprägen können. Die ganze Erwähnung der Gemälde ist
ihm nur Nebensache: er ärgert sich über den Stolz der Phi-
losophen, welche den Gipfel der Weisheit schon erreicht zu
haben wähnten, wenn sie nur in Athen sich eine Zeit lang
aufgehalten hätten. Ihr ganzer Ruhm bestehe darin, dass
sie die Akademie, das Lykeion, die Poekile gesehen hätten.
Das sei aber ein Ruhm ganz absonderlicher Art: denn die
Poekile sei nicht einmal mehr, was sie heisse, eine bunte
Halle. Dieser Herrlichkeit habe der Proconsul ein Ende ge-
macht: nemlich die Bretter weggenommen und die Philoso-
phen hinausgejagt. Als nun Synesius selbst nach Athen
kommt, da schreibt er wieder: mit Athens Glanz sei es vor-
bei, und flucht auf den Schiffer, der ihn hingebracht. Von
Athen sei, wie von einem Opferthiere, nur noch das Fell
ohne Fleisch und Knochen übrig; nur die Namen der Orte
seien noch geblieben; und nicht die Philosophen, nein, die
Honighändler hätten jetzt Athen inne. Die ganze Beschrei-
bung ist voller Spott; und in spöttischer Absicht ist auch
der Ausdruck σανίδας gewählt, wie er in ähnlichem verächt-
lichem Sinne auch bei einem andern Kirchenschriftsteller sich
findet. 1) Σανὶς wird sonst nicht von Gemälden gebraucht,
so wenig wie das deutsche „Brett“. Synesius nun mochte
sich die Poekile als eine Gemäldegalerie vorstellen, wie sie
zu seiner Zeit üblich waren, etwa wie die in seinem Enco-
mium calvitiei 2) erwähnte im Museion. Dort gab es Philo-
sophenbilder, auf welche die Philosophen in ihren Unterre-
dungen zuweilen Rücksicht nehmen mochten. An sich hatten
nun freilich die Stoiker mit den Gemälden der Poekile nichts
zu thun; aber da sie dieselben stets vor Augen hatten, so
mochten z. B. namentlich die Marathonskämpfer in ihren
Gesprächen häufig eine grosse Rolle spielen. 3) Diese fort-
währende Erinnerung an die alte Zeit, welche dem neuein-

1) Theodoret. hist. eccles. I, 1.
2) p. 68 u. Petav.
3) vgl. z. B.
Pers. III, 53.
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[62/0070] gesehen; ja noch mehr: der erste der erwähnten Briefe ist noch nicht einmal aus Athen datirt; Synesius berichtet also nicht über eine Begebenheit, die er am Orte selbst erfahren hatte, die sich also bei der Anschauung der Localität auch mit ihrem Nebenumständen dem Gedächtnisse leicht hätte einprägen können. Die ganze Erwähnung der Gemälde ist ihm nur Nebensache: er ärgert sich über den Stolz der Phi- losophen, welche den Gipfel der Weisheit schon erreicht zu haben wähnten, wenn sie nur in Athen sich eine Zeit lang aufgehalten hätten. Ihr ganzer Ruhm bestehe darin, dass sie die Akademie, das Lykeion, die Poekile gesehen hätten. Das sei aber ein Ruhm ganz absonderlicher Art: denn die Poekile sei nicht einmal mehr, was sie heisse, eine bunte Halle. Dieser Herrlichkeit habe der Proconsul ein Ende ge- macht: nemlich die Bretter weggenommen und die Philoso- phen hinausgejagt. Als nun Synesius selbst nach Athen kommt, da schreibt er wieder: mit Athens Glanz sei es vor- bei, und flucht auf den Schiffer, der ihn hingebracht. Von Athen sei, wie von einem Opferthiere, nur noch das Fell ohne Fleisch und Knochen übrig; nur die Namen der Orte seien noch geblieben; und nicht die Philosophen, nein, die Honighändler hätten jetzt Athen inne. Die ganze Beschrei- bung ist voller Spott; und in spöttischer Absicht ist auch der Ausdruck σανίδας gewählt, wie er in ähnlichem verächt- lichem Sinne auch bei einem andern Kirchenschriftsteller sich findet. 1) Σανὶς wird sonst nicht von Gemälden gebraucht, so wenig wie das deutsche „Brett“. Synesius nun mochte sich die Poekile als eine Gemäldegalerie vorstellen, wie sie zu seiner Zeit üblich waren, etwa wie die in seinem Enco- mium calvitiei 2) erwähnte im Museion. Dort gab es Philo- sophenbilder, auf welche die Philosophen in ihren Unterre- dungen zuweilen Rücksicht nehmen mochten. An sich hatten nun freilich die Stoiker mit den Gemälden der Poekile nichts zu thun; aber da sie dieselben stets vor Augen hatten, so mochten z. B. namentlich die Marathonskämpfer in ihren Gesprächen häufig eine grosse Rolle spielen. 3) Diese fort- währende Erinnerung an die alte Zeit, welche dem neuein- 1) Theodoret. hist. eccles. I, 1. 2) p. 68 u. Petav. 3) vgl. z. B. Pers. III, 53.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/70>, abgerufen am 24.11.2024.