durch kein einzelnes Werk eine besondere Berühmtheit erlangt hat.
Endlich muss noch erwähnt werden, dass es nach Pli- nius (35, 122) von Polygnot auch schon Gemälde in enkausti- scher Manier gab, einer Gattung der Malerei, die ihre wei- tere Ausbildung und damit eine weit verbreitete Geltung erst in einer späteren Periode erhalten hat.
Ueber die Stellung des Polygnot in der Entwicklungsge- schichte der Malerei bietet uns vor allem ein ausführliches Urtheil des Plinius 1) Aufschluss, und es verdient dasselbe um so sorgfältiger erwogen zu werden, als es offenbar mit den kurz vorhergehenden über Eumaros von Athen und Kimon von Kleonae im engsten Zusammenhange steht 2). Es lautet: primus mulieres tralucida veste pinxit, capita earum mitris versicoloribus operuit plurumque picturae primus contulit, siquidem instituit os adaperire, dentis ostendere, vol- tum ab antiquo rigore variare. Was hier als der Fortschritt des Polygnot angeführt wird, mag uns zwar nach dem hohen Begriffe von der Kunst, welchen wir an seinen Namen zu knüpfen pflegen, geringfügig erscheinen, weshalb man auch vielfältig bestrebt gewesen ist, den Worten des Plinius eine möglichst weite Deutung zu geben. Um mir daher den Weg zu einer strengeren Auffassung zu bahnen, glaube ich mit besonderem Nachdruck auf einen allgemeinen Gesichtspunkt der Beurtheilung hinweisen zu müssen, welcher bis jezt zum Nachtheil dieser ganzen Forschungen durchaus nicht genug hervorgehoben worden ist: Plinius giebt uns in seinen Ur- theilen nicht eine Geschichte der inneren, geistigen Entwicke- lung, sondern eine Geschichte des eigentlich Malerischen in der Malerei, der Technik im weitesten Sinne, insofern sie die gesammten Mittel der Darstellung umfasst, nicht den gei- stigen Inhalt des Dargestellten. Dies ist der Grund, weshalb er von den Zeitgenossen des Phidias, welche diesem in gei- stiger Beziehung, wenn nicht völlig, doch beinahe ebenbür- tig waren, so wenig zu berichten weiss. Er gleicht darin den Kunstforschern des vorigen Jahrhunderts, welche von der Malerei vor Raphael nur geringe Kenntniss haben, um so
1) 35, 58.
2) vgl. Jahn Ber. d. leipz. Gesellsch. 1850, S. 136.
durch kein einzelnes Werk eine besondere Berühmtheit erlangt hat.
Endlich muss noch erwähnt werden, dass es nach Pli- nius (35, 122) von Polygnot auch schon Gemälde in enkausti- scher Manier gab, einer Gattung der Malerei, die ihre wei- tere Ausbildung und damit eine weit verbreitete Geltung erst in einer späteren Periode erhalten hat.
Ueber die Stellung des Polygnot in der Entwicklungsge- schichte der Malerei bietet uns vor allem ein ausführliches Urtheil des Plinius 1) Aufschluss, und es verdient dasselbe um so sorgfältiger erwogen zu werden, als es offenbar mit den kurz vorhergehenden über Eumaros von Athen und Kimon von Kleonae im engsten Zusammenhange steht 2). Es lautet: primus mulieres tralucida veste pinxit, capita earum mitris versicoloribus operuit plurumque picturae primus contulit, siquidem instituit os adaperire, dentis ostendere, vol- tum ab antiquo rigore variare. Was hier als der Fortschritt des Polygnot angeführt wird, mag uns zwar nach dem hohen Begriffe von der Kunst, welchen wir an seinen Namen zu knüpfen pflegen, geringfügig erscheinen, weshalb man auch vielfältig bestrebt gewesen ist, den Worten des Plinius eine möglichst weite Deutung zu geben. Um mir daher den Weg zu einer strengeren Auffassung zu bahnen, glaube ich mit besonderem Nachdruck auf einen allgemeinen Gesichtspunkt der Beurtheilung hinweisen zu müssen, welcher bis jezt zum Nachtheil dieser ganzen Forschungen durchaus nicht genug hervorgehoben worden ist: Plinius giebt uns in seinen Ur- theilen nicht eine Geschichte der inneren, geistigen Entwicke- lung, sondern eine Geschichte des eigentlich Malerischen in der Malerei, der Technik im weitesten Sinne, insofern sie die gesammten Mittel der Darstellung umfasst, nicht den gei- stigen Inhalt des Dargestellten. Dies ist der Grund, weshalb er von den Zeitgenossen des Phidias, welche diesem in gei- stiger Beziehung, wenn nicht völlig, doch beinahe ebenbür- tig waren, so wenig zu berichten weiss. Er gleicht darin den Kunstforschern des vorigen Jahrhunderts, welche von der Malerei vor Raphael nur geringe Kenntniss haben, um so
1) 35, 58.
2) vgl. Jahn Ber. d. leipz. Gesellsch. 1850, S. 136.
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durch kein einzelnes Werk eine besondere Berühmtheit erlangt
hat.
Endlich muss noch erwähnt werden, dass es nach Pli-
nius (35, 122) von Polygnot auch schon Gemälde in enkausti-
scher Manier gab, einer Gattung der Malerei, die ihre wei-
tere Ausbildung und damit eine weit verbreitete Geltung erst
in einer späteren Periode erhalten hat.
Ueber die Stellung des Polygnot in der Entwicklungsge-
schichte der Malerei bietet uns vor allem ein ausführliches
Urtheil des Plinius 1) Aufschluss, und es verdient dasselbe
um so sorgfältiger erwogen zu werden, als es offenbar mit
den kurz vorhergehenden über Eumaros von Athen und
Kimon von Kleonae im engsten Zusammenhange steht 2). Es
lautet: primus mulieres tralucida veste pinxit, capita earum
mitris versicoloribus operuit plurumque picturae primus
contulit, siquidem instituit os adaperire, dentis ostendere, vol-
tum ab antiquo rigore variare. Was hier als der Fortschritt
des Polygnot angeführt wird, mag uns zwar nach dem hohen
Begriffe von der Kunst, welchen wir an seinen Namen zu
knüpfen pflegen, geringfügig erscheinen, weshalb man auch
vielfältig bestrebt gewesen ist, den Worten des Plinius eine
möglichst weite Deutung zu geben. Um mir daher den Weg
zu einer strengeren Auffassung zu bahnen, glaube ich mit
besonderem Nachdruck auf einen allgemeinen Gesichtspunkt
der Beurtheilung hinweisen zu müssen, welcher bis jezt zum
Nachtheil dieser ganzen Forschungen durchaus nicht genug
hervorgehoben worden ist: Plinius giebt uns in seinen Ur-
theilen nicht eine Geschichte der inneren, geistigen Entwicke-
lung, sondern eine Geschichte des eigentlich Malerischen in
der Malerei, der Technik im weitesten Sinne, insofern sie
die gesammten Mittel der Darstellung umfasst, nicht den gei-
stigen Inhalt des Dargestellten. Dies ist der Grund, weshalb
er von den Zeitgenossen des Phidias, welche diesem in gei-
stiger Beziehung, wenn nicht völlig, doch beinahe ebenbür-
tig waren, so wenig zu berichten weiss. Er gleicht darin den
Kunstforschern des vorigen Jahrhunderts, welche von der
Malerei vor Raphael nur geringe Kenntniss haben, um so
1) 35, 58.
2) vgl. Jahn Ber. d. leipz. Gesellsch. 1850, S. 136.
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/35>, abgerufen am 24.11.2024.
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