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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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Künstler wohl Erfinder der Landschaftsmalerei genannt; al-
lein wenn dies richtig sein soll, werden wir uns wohl hüten
müssen, diese Bezeichnung nach unseren heutigen Begriffen
zu verstehen. Die neuere Zeit hat die Landschaftsmalerei
in einem Sinne ausgebildet, durch welchen diese wohl berechtigt
ist, eine höhere Geltung für sich in Anspruch zu nehmen. Sie
schliesst die gemalte Landschaft zu der Einheit eines wirklichen
Kunstwerkes zusammen, indem sie eine bestimmte poetische
Idee, eine eigenthümliche Stimmung der Natur oder den indi-
viduellen Charakter einer Gegend zur Anschauung bringt
und das Walten eines höheren Geistes auch in der leblosen
Natur uns ahnen lässt. Es ist hier nicht der Ort, auf die
Frage einzugehen, warum den Alten die eigentliche Land-
schaftsmalerei fremd geblieben ist. Aber bei Ludius handelt
es sich um blosse Prospectmalerei, welche nichts mehr als
eine Erweiterung und neue Anwendung der Scenographie ist; es
sollen grössere architektonische Räume in anmuthiger Weise ge-
schmückt werden, und zwar, wie Plinius selbst schliesslich an-
giebt, mit möglichst geringem Kostenaufwande. Dazu eignen
sich die leicht behandelten, hin und wieder durch eine Figur oder
eine Gruppe belebten Prospecte weit mehr, als figurenreiche
Bilder. Wenn es dabei auf einen tieferen Sinn durchaus
nicht weiter abgesehen war, so möchten freilich, zwar
nicht immer, aber doch häufig die gleichzeitigen Pro-
ducte der höheren Gattungen der Malerei in dieser Hinsicht
wenig voraus haben; wenigstens lehrt uns dies ein grosser
Theil der herculanensischen und pompeianischen Wandgemälde,
in denen selbst solche mythologische Scenen, welche einer
höheren Auffassung sehr wohl fähig erscheinen, nicht
etwa wegen dieses ihres poetischen Gehaltes, sondern offen-
bar nur wegen eines gefälligen und anmuthigen künstleri-
schen Motives zur Darstellung gewählt sind. Dagegen hat
freilich ein anderer Theil dieser Malereien für uns da-
durch einen unschätzbaren Werth, dass sie trotz ihrer de-
corativen Behandlung als Nachbildungen älterer Werke
unsere Kenntniss der früheren Zustände der Kunst viel-
fältig erweitern. Eine genauere Untersuchung und nament-
lich die Ausscheidung des eigenthümlich Römischen mag
allerdings auch über die Zustände der Kunst in dieser spä-
teren Zeit uns noch manche Aufschlüsse zu geben im Stande

Künstler wohl Erfinder der Landschaftsmalerei genannt; al-
lein wenn dies richtig sein soll, werden wir uns wohl hüten
müssen, diese Bezeichnung nach unseren heutigen Begriffen
zu verstehen. Die neuere Zeit hat die Landschaftsmalerei
in einem Sinne ausgebildet, durch welchen diese wohl berechtigt
ist, eine höhere Geltung für sich in Anspruch zu nehmen. Sie
schliesst die gemalte Landschaft zu der Einheit eines wirklichen
Kunstwerkes zusammen, indem sie eine bestimmte poetische
Idee, eine eigenthümliche Stimmung der Natur oder den indi-
viduellen Charakter einer Gegend zur Anschauung bringt
und das Walten eines höheren Geistes auch in der leblosen
Natur uns ahnen lässt. Es ist hier nicht der Ort, auf die
Frage einzugehen, warum den Alten die eigentliche Land-
schaftsmalerei fremd geblieben ist. Aber bei Ludius handelt
es sich um blosse Prospectmalerei, welche nichts mehr als
eine Erweiterung und neue Anwendung der Scenographie ist; es
sollen grössere architektonische Räume in anmuthiger Weise ge-
schmückt werden, und zwar, wie Plinius selbst schliesslich an-
giebt, mit möglichst geringem Kostenaufwande. Dazu eignen
sich die leicht behandelten, hin und wieder durch eine Figur oder
eine Gruppe belebten Prospecte weit mehr, als figurenreiche
Bilder. Wenn es dabei auf einen tieferen Sinn durchaus
nicht weiter abgesehen war, so möchten freilich, zwar
nicht immer, aber doch häufig die gleichzeitigen Pro-
ducte der höheren Gattungen der Malerei in dieser Hinsicht
wenig voraus haben; wenigstens lehrt uns dies ein grosser
Theil der herculanensischen und pompeianischen Wandgemälde,
in denen selbst solche mythologische Scenen, welche einer
höheren Auffassung sehr wohl fähig erscheinen, nicht
etwa wegen dieses ihres poetischen Gehaltes, sondern offen-
bar nur wegen eines gefälligen und anmuthigen künstleri-
schen Motives zur Darstellung gewählt sind. Dagegen hat
freilich ein anderer Theil dieser Malereien für uns da-
durch einen unschätzbaren Werth, dass sie trotz ihrer de-
corativen Behandlung als Nachbildungen älterer Werke
unsere Kenntniss der früheren Zustände der Kunst viel-
fältig erweitern. Eine genauere Untersuchung und nament-
lich die Ausscheidung des eigenthümlich Römischen mag
allerdings auch über die Zustände der Kunst in dieser spä-
teren Zeit uns noch manche Aufschlüsse zu geben im Stande

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[315/0323] Künstler wohl Erfinder der Landschaftsmalerei genannt; al- lein wenn dies richtig sein soll, werden wir uns wohl hüten müssen, diese Bezeichnung nach unseren heutigen Begriffen zu verstehen. Die neuere Zeit hat die Landschaftsmalerei in einem Sinne ausgebildet, durch welchen diese wohl berechtigt ist, eine höhere Geltung für sich in Anspruch zu nehmen. Sie schliesst die gemalte Landschaft zu der Einheit eines wirklichen Kunstwerkes zusammen, indem sie eine bestimmte poetische Idee, eine eigenthümliche Stimmung der Natur oder den indi- viduellen Charakter einer Gegend zur Anschauung bringt und das Walten eines höheren Geistes auch in der leblosen Natur uns ahnen lässt. Es ist hier nicht der Ort, auf die Frage einzugehen, warum den Alten die eigentliche Land- schaftsmalerei fremd geblieben ist. Aber bei Ludius handelt es sich um blosse Prospectmalerei, welche nichts mehr als eine Erweiterung und neue Anwendung der Scenographie ist; es sollen grössere architektonische Räume in anmuthiger Weise ge- schmückt werden, und zwar, wie Plinius selbst schliesslich an- giebt, mit möglichst geringem Kostenaufwande. Dazu eignen sich die leicht behandelten, hin und wieder durch eine Figur oder eine Gruppe belebten Prospecte weit mehr, als figurenreiche Bilder. Wenn es dabei auf einen tieferen Sinn durchaus nicht weiter abgesehen war, so möchten freilich, zwar nicht immer, aber doch häufig die gleichzeitigen Pro- ducte der höheren Gattungen der Malerei in dieser Hinsicht wenig voraus haben; wenigstens lehrt uns dies ein grosser Theil der herculanensischen und pompeianischen Wandgemälde, in denen selbst solche mythologische Scenen, welche einer höheren Auffassung sehr wohl fähig erscheinen, nicht etwa wegen dieses ihres poetischen Gehaltes, sondern offen- bar nur wegen eines gefälligen und anmuthigen künstleri- schen Motives zur Darstellung gewählt sind. Dagegen hat freilich ein anderer Theil dieser Malereien für uns da- durch einen unschätzbaren Werth, dass sie trotz ihrer de- corativen Behandlung als Nachbildungen älterer Werke unsere Kenntniss der früheren Zustände der Kunst viel- fältig erweitern. Eine genauere Untersuchung und nament- lich die Ausscheidung des eigenthümlich Römischen mag allerdings auch über die Zustände der Kunst in dieser spä- teren Zeit uns noch manche Aufschlüsse zu geben im Stande

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/323>, abgerufen am 26.11.2024.